Henri Michaux

Henri Michaux

Henri Michaux (* 24. Mai 1899 in Namur (Belgien); † 19. Oktober 1984 in Paris) war ein französischsprachiger Dichter und Maler. Michaux gilt als einer der großen Einzelgänger in der Kunst des 20. Jahrhunderts.

Leben

Henri Michaux wurde in eine bürgerliche Familie hineingeboren, schien eine gesundheitlich und psychisch labile Kindheit in Brüssel und in einem Landheim in dem Dorf Putte-Grasheide verlebt zu haben. Ab dem Alter von 12 Jahren besuchte er eine von Jesuiten geleitete Schule. Latein (die Fremdheit in der Sprache, das Zuhausesein in einer Fremdsprache) und Musik wurden seine ersten großen Beschäftigungen. Sein erster französischer Schulaufsatz war für seinen Lehrer wie auch für ihn selbst ein Schock: „Was sich nicht alles in seiner Fantasie findet!“ Der Lehrer drängte ihn zur Literatur. In den zwei Jahren nach dem Schulabschluss bis 1918, während der er wegen der deutschen Besetzung nicht die Universität besuchen konnte, las er Autoren geistiger Grenzsituationen: Fjodor Michailowitsch Dostojewski, Leo Tolstoj, Ernst Hello, den flämischen Mystiker Jan van Ruysbroek und Legenden über Lebensbeschreibungen christlicher Heiliger.

1919 brach er sein Medizinstudium ab und schiffte sich 1920 auf einem der letzten Hochsee-Segelschiffe, einem Fünfmast-Schoner, und später auf einem Zehntausend-Tonner als Matrose ein. Danach kehrte er nach Brüssel zurück. „“ 1922 erlebte er eine Offenbarung: die Lektüre der „Gesänge des Maldoror“ von Lautréamont. Er begann zu schreiben. 1925 begegnete er der Malerei von Klee, Ernst und de Chirico, er war begeistert. 1927 unternahm er eine Reise nach Ecuador, danach übersiedelte er nach Paris. Es folgten Reisen nach Anatolien, Nordafrika, Italien. 1930-31 unternahm er eine große Asienreise, endlich seine Reise: Indien, Indonesien, China, Japan. 1935 war er in Montevideo und Buenos Aires, 1939 in Brasilien. Nach dem Einmarsch der Deutschen in Paris im Jahre 1940 siedelte Michaux nach Vichy-Frankreich um. 1948 starb seine Frau nach einem Unfall an schweren Verbrennungen. 1955 wurde er französischer Staatsbürger.

1927 hatte Michaux seine ersten Bücher, „Meine Besitzungen“ und „Ein gewisser Plume“ veröffentlicht. 1937 hatte Michaux seine erste Ausstellung in der Galerie Pierre in Paris. Nach dem Krieg wandte er sich zunächst stärker der Malerei zu. 1956 machte er das erste seiner Meskalin-Experimente, über die er ab 1961 drei wichtige Bücher schrieb. Ab 1957 stellte er praktisch überall auf der Welt aus. Er war Teilnehmer der documenta 2 1959 in Kassel, auch der documenta 3 (1964) und der documenta 6 im Jahr 1977. Er erhielt 1960 den Einaudi-Preis der Biennale von Venedig, 1965 wurde ihm der Große Staatspreis für Literatur der Republik Frankreich zugesprochen, den er jedoch ausschlug.

Er stand anfangs den Surrealisten nahe. Michaux wurde in den 60er Jahren durch Bücher und Zeichnungen bekannt, die aus seinen Experimenten mit Meskalin hervorgingen, und wurde ins Deutsche unter anderem vom Dichter Paul Celan übersetzt.

Im Winter 1963-64 unternahm Michaux seine letzte große Reise und einzige nach dem Zweiten Weltkrieg nach Indien.

Werke

  • Ins Deutsche übersetzte Einzelwerke:
    • Ecuador (Graz 1994, Orig. 1929)
    • Ein Barbar in Asien (Graz 1992, Orig. 1933)
    • Ein gewisser Plume (Wiesbaden 1960)
    • Reise nach Groß-Garabannien (Frankfurt 1986, Orig. 1936)
    • Im Lande der Zauberei und Hier Poddema (Graz 1996, Orig. 1941, 1948)
    • Turbulenz im Unendlichen (Frankfurt a.M. 1961, das erste Meskalin-Buch, Orig. 1957)
    • Die großen Zerreißproben und andere Störungserlebnisse (Frankfurt a.M. 1970, Orig. 1966)
    • Unseliges Wunder. Das Meskalin (München 1986, Orig. 1972)
    • Erkenntnis durch Abgründe (Graz 1998, Orig. 1961)
    • Momente. Durchquerungen der Zeit (München 1983, Orig. 1973)
    • Eckpfosten (München, Orig. 1971)
    • Ideogramme in China (Graz 1997, Orig. 1975)
  • Deutschsprachige Werkauswahlen:
    • Henri Michaux. Dichtungen (Esslingen 1954)
    • Henri Michaux. Dichtungen und Schriften, 2 Bände, zweisprachig (Frankfurt a.M. 1966, 1970)
    • Henri Michaux. Gong bin ich. Lyrik und kurze Prosa (Leipzig 1991)

Weitere Werke:

    • La vie intérieure ("Das innere Leben", 1927)
    • Vents et Poussières ("Winde und Staub", 1962)
    • Façons d'endormi, façons d'éveillé" ("Arten des Eingeschlafenseins, Arten des Erwachtseins", 1969)
    • Emergences – Résurgences (eine Art Autobiographie seiner Entwicklung als Maler, 1972)
    • Une voie pour l'insubordination ("Ein Weg zur Nicht-Unterordnung", 1980)
    • Chemins cherchés, chemins perdus – Transgression – Affrontements ("Gesuchte Wege, verlorene Wege. Überschreitungen – Aufeinanderstoßen", 1981)
    • Le jardin exalté ("Der hingerissene Garten", 1983)
  • Ausstellungskataloge (in deutscher Sprache, Auswahl):
    • Henri Michaux. Kestner-Gesellschaft Hannover, 17. Nov. 1972 bis 7. Jan. 1973
    • Henri Michaux. Das bildnerische Werk. Bayerische Akademie der Schönen Künste München.17. NOv. 1993 bis 9. Jan. 1994
    • Michaux. Meskalin. Die Meskalin-Zeichnungen von Henri Michaux. Neue Galerie Graz 10. Juli bis 29. Aug. 1998

Die Biographie stützt sich z.T. auf einen Text von Michaux selbst: Quelques renseignement sur cinquante-neuf années d'exister ("Einige Auskünfte über neunundfünfzig Daseinsjahre", 1959).

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Henri Michaux — (May 24, 1899 October 18, 1984) was a highly idiosyncratic Belgian poet, writer and painter who wrote in the French language. Michaux is best known for his esoteric books written in a highly accessible style, and his body of work includes poetry …   Wikipedia

  • Henri Michaux — (Namur, Bélgica, 24 de mayo de 1899 París, 18 de octubre de 1984) fue un poeta y pintor de origen belga, nacionalizado francés. Biografía Pasó su infancia y juventud en Bruselas. Comenzó la carrera de Medicina en la Universidad de Bruselas, pero… …   Wikipedia Español

  • Henri Michaux — (Namur, Bélgica, 24 de mayo de 1899 París, 18 de octubre de 1984) fue un poeta y pintor de origen belga, nacionalizado francés. Pasó su infancia y juventud en Bruselas. Comenzó la carrera de Medicina en la Universidad de Bruselas, pero en 1919… …   Enciclopedia Universal

  • Henri Michaux — Pour les articles homonymes, voir Michaux. Henri Michaux Activités Poète et peintre Naissance 24 mai 1899 Namur …   Wikipédia en Français

  • Rue Henri-Michaux — 13e arrt …   Wikipédia en Français

  • Vers les icebergs (Essai sur Henri Michaux) — or To the Icebergs (Essay on Henri Michaux) is an essay by Jean Marie Gustave Le Clézio on, Henri Michaux, the Belgian author of Miserable Miracle and The Major Ordeals of the Mind and the Countless Minor Ones …   Wikipedia

  • Ecuador de Henri Michaux — Ecuador Ecuador est un récit de voyage écrit par Henri Michaux et publié en 1929, après un voyage que l´auteur a entrepris, malade, à travers les Andes, l Équateur, et le Brésil. Dans ce livre, le corps est sans cesse à l épreuve, et le monde… …   Wikipédia en Français

  • Henri Michaud — Henri Michaux Pour les articles homonymes, voir Michaux. Henri Michaux Naissance 24 mai 1899 Namur, Belgique Décès 19 octobre 1984 …   Wikipédia en Français

  • MICHAUX (H.) — Contemporain des surréalistes, Henri Michaux a cherché comme eux dans la poésie et dans l’art une aventure spirituelle comparable à certains égards à l’expérience mystique. Mais il se distingue nettement d’eux par le climat angoissé de son… …   Encyclopédie Universelle

  • Michaux — may refer to: André Michaux (1746 1802), French botanist and explorer Michaux State Forest, a Pennsylvania State Forest, named for André Michaux. François André Michaux (1770 1855), French botanist, son of André Michaux Henri Michaux (1899 1984) …   Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”