- Fjodor Michailowitsch Dostojewski
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Fjodor Michailowitsch Dostojewski (russisch Фёдор Михайлович Достоевский anhören?/i, [ˈfʲodər mʲɪˈxajləvʲɪtɕ dəstʌˈjɛfskʲɪj], wiss. Transliteration Fëdor Michajlovič Dostoevskij; * 30. Oktoberjul./ 11. November 1821greg. in Moskau; † 28. Januarjul./ 9. Februar 1881greg. in Sankt Petersburg) gilt als einer der bedeutendsten russischen Schriftsteller.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Fjodor Dostojewski war das zweite Kind von Michail Andrejewitsch Dostojewski und Maria Fjodorowna Netschajewa. Er hatte zwei Brüder und drei Schwestern (eine vierte Schwester starb kurz nach der Geburt). Die Familie entstammte verarmtem Adel; der Vater war Arzt. Nach dem Tod seiner Mutter, 1837, ließ sich Dostojewski mit seinem Bruder Michail in St. Petersburg nieder, wo er von 1838 bis 1843 an der Militärisch ingenieurtechnischen Universität Bauingenieurwesen studierte. 1839 soll sein Vater auf dem heimischen Landgut durch Leibeigene ermordet worden sein.
Dostojewski war zweimal verheiratet. Seine erste Ehe mit der Witwe Maria Dmitrijewna Isajewa endete 1864 nach siebenjähriger Dauer mit dem Tod Marias und war kinderlos, jedoch hatte Maria aus erster Ehe einen Sohn (Pavel). Seine zweite Frau war Anna Grigorjewna Snitkina. Aus der am 15. Februar 1867 geschlossenen Ehe, die bis zu Dostojewskis Tod andauerte, gingen vier Kinder hervor, von denen jedoch nur zwei das Erwachsenenalter erreichten.
Dostojewski begann 1844 mit den Arbeiten zu seinem 1846 veröffentlichten Erstlingswerk Arme Leute (Бедные люди). Mit dessen Erscheinen wurde er schlagartig berühmt; die zeitgenössische Kritik feierte ihn als Genie. 1847 trat er dem revolutionären Zirkel der Petraschewzen bei. Als er in deren Reihen 1849 einen später als kriminelles Schreiben apostrophierten Text des Literaturkritikers Wissarion Belinski an Nikolai Gogol vortrug, denunzierte man ihn, und er wurde zum Tode verurteilt. Der Schriftsteller sollte am 22. Dezember 1849jul./ 3. Januar 1850greg. durch ein Erschießungskommando hingerichtet werden. Erst auf dem Richtplatz begnadigte Zar Nikolaus I. ihn zu vier Jahren Verbannung und Zwangsarbeit in Sibirien, mit anschließender Militärdienstpflicht.[1][2] In der Haft in Omsk wurde bei Dostojewski zum ersten Mal Epilepsie diagnostiziert.
1854 trat er seine Militärpflicht im Rahmen seiner Verbannung 1854–1859[3] in Semei (Semipalatinsk) an; Protektion und Wohlverhalten verschafften ihm 1856 die Beförderung in den Offiziersrang. Nach seiner Heirat 1857 und schweren epileptischen Anfällen beantragte er seine Entlassung aus der Armee, die jedoch erst 1859 bewilligt wurde, so dass Dostojewski nach St. Petersburg zurückkehren konnte. 1859, noch zur Zeit seiner sibirischen Verbannung, entstand sein Roman Onkelchens Traum (Дядюшкин сон), unmittelbar vor den Aufzeichnungen aus einem Totenhaus (1860). Onkelchens Traum wurde im Märzheft des „Russischen Wortes“ veröffentlicht. In diesem veröffentlichte er etwas später auch die Aufzeichnungen aus einem Totenhaus (Записки из мертвого дома), ein Dokument seiner Verbannungszeit in Sibirien, an dem er seit 1856 gearbeitet hatte, der Stadt Semipalatinsk, dem Ort der Verbannung[3] gewidmet. Gemeinsam mit seinem Bruder gründete er die Zeitschrift Zeit (Wremja, russisch: Время), in der im darauf folgenden Jahr sein Roman Erniedrigte und Beleidigte (Униженные и оскорбленные) erschien. Bereits 1863 jedoch fiel die Zeit wegen eines vermeintlich antipatriotischen Beitrags der Zensur zum Opfer und wurde verboten. 1862, 1863 und 1865 reiste Dostojewski durch Europa; unter anderem führte ihn sein Weg durch Dresden. 1863 spielte er zum ersten Mal Roulette. 1864 starben in kurzer Folge Dostojewskis Frau, sein Bruder und sein Freund Apollon Grigorjew; die Nachfolgezeitschrift der Zeit, die Epoche, musste er aus Geldmangel einstellen. 1865 verspielte er beim Roulette in der Spielbank in Wiesbaden seine Reisekasse. Im Mittelpunkt seines 1866 erschienenen Romans Der Spieler (Игрок) steht ein Roulettespieler. Im selben Jahr erschien der erste der großen Romane, durch die Dostojewskis Werk Teil der Weltliteratur wurde: Schuld und Sühne (oder auch in der Neuübersetzung: Verbrechen und Strafe – Преступлениe и наказаниe). Die Geschichte des heruntergekommenen und armen Studenten Rodion Romanowitsch Raskolnikow, der aus Hochmut zum Mörder wird und sich in der Folge zu einem Menschen entwickelt, der die Welt entdeckt als das, was sie ist, überzeugt durch psychologisch realistische Figuren und präzises, anschauliches Erzählen. Zugleich ist der Roman auch Abbild von Dostojewskis eigener Wandlung vom Revolutionär zum Christen. Der in nur 26 Tagen verfasste Kurzroman Der Spieler ist eine Beschreibung der Spielsucht.
Kurz nach seiner zweiten Eheschließung, 1867, floh er wegen seiner hohen Schulden nach dem Zusammenbruch der mit seinem Bruder gegründeten Zeitschrift ins Ausland, um sich dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Er wohnte längere Zeit in Dresden. In der dortigen Russisch-Orthodoxen Kirche ließ er seine Tochter Ljubow taufen. Ab 1867 lebte er vier Jahre in Genf und Vevey. Während dieses Auslandsaufenthaltes mit seiner zwanzig Jahre jüngeren Frau spielte er in den Spielbanken von Bad Homburg vor der Höhe und Baden-Baden. Erst 1871 kehrte er wieder nach Russland zurück. Entgegen der weit verbreiteten Annahme, Dostojewski habe große Beträge am Roulettetisch verloren, war er ein Spieler der kleinen Münze, der oft tagelang mit dem Geld eines gerade verpfändeten Kleides seiner Frau spielte. 1868 erschien sein zweites Großwerk, Der Idiot (Идиот), die Geschichte des Fürsten Myschkin, der (wie Dostojewski selbst) unter Epilepsie leidet und aufgrund seiner Güte, Ehrlichkeit und Tugendhaftigkeit in der St. Petersburger Gesellschaft scheitert. Noch während seiner von ihm als zweite Verbannung empfundenen Zeit im Ausland begann er die Arbeit an Die Dämonen (Бесы), einem politischen Roman über die vernichtende Macht des russischen Nihilismus.
Zu seinem Ende hin verlief das Leben Dostojewskis in ruhigeren Bahnen. Er verfasste seine beiden letzten großen Werke, den Roman Der Jüngling (Подросток) – in der Neuübersetzung Ein grüner Junge – und schließlich den Roman Die Brüder Karamasow (Братья Карамазовы), den er in den 1860er Jahren, also in der Zeit der Entstehung von Schuld und Sühne, begonnen hatte und der die Entwicklung der Gesellschaft bis in die 1880-er Jahre behandeln sollte.
Fjodor Michailowitsch Dostojewski starb am 28. Januarjul./ 9. Februar 1881greg. in Sankt Petersburg an einem Lungenemphysem; an seinem Begräbnis nahmen 60.000 Menschen teil. Sein Grab befindet sich auf dem Tichwiner Friedhof des Alexander-Newski-Klosters.
Einfluss
Dostojewskis Einfluss auf die Literatur des 20. Jahrhunderts, insbesondere auf existentialistische und expressionistische Strömungen, war groß. Zu den von ihm beeinflussten Autoren zählten sich Friedrich Nietzsche, André Gide[4], William Faulkner, Albert Camus, Franz Kafka, Henry Miller, John Cowper Powys und Gabriel García Márquez. Ernest Hemingway schrieb Dostojewski in seinen autobiographischen Werken einen entscheidenden Einfluss zu.
Nietzsche bezeichnete Dostojewski als „den einzigen Psychologen, von dem ich etwas zu lernen hatte [...] Er gehört zu den schönsten Glücksfällen meines Lebens“ und betrachtete den Dichter - trotz dessen christlicher Überzeugung - als geistigen Verwandten.[5]
Übersetzung der Werke ins Deutsche
Die erste umfassende und bis heute maßgebliche Übersetzung der Werke Dostojewskis ins Deutsche wurde in den Jahren 1906 bis 1919 von Elisabeth Less Kaerrick unter dem Pseudonym E. K. Rahsin für den Piper Verlag unternommen. Kaerrick erhielt dafür 1960 – über 40 Jahre später – den Johann-Heinrich-Voß-Preis für Übersetzung der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.
Seither erschienen zahlreiche weitere Übersetzungen ins Deutsche.
Die Übersetzerin Swetlana Geier (1923–2010) arbeitete an einer Neuübersetzung von Dostojewskis Werk, das im Ammann Verlag erschienen ist. Bisher liegen vor: Aufzeichnungen aus dem Kellerloch (1962; überarbeitete Ausgabe 1984; Neuausgabe 2003 als Teil der Anthologie Russland lesen, als eigener Band 2006), Verbrechen und Strafe (1994), Der Idiot (1996), Böse Geister (1998), Der Großinquisitor (2001), Die Brüder Karamasow (2003), Ein grüner Junge (2006), Der Bauer Marej (2008) und Der Spieler (2009). Seit 2010 sind bei Ammann vergriffene Titel dieser Übersetzung beim S. Fischer Verlag zu haben.
Werke
Gesamtausgaben in deutscher Übersetzung
- Sämtliche Werke. Unter Mitarbeit von Dmitri Mereschkowski hrsg. von Arthur Moeller van den Bruck, übertragen von E. K. Rahsin. 22 Bände (in 23 Bänden) und sieben Ergänzungsbände, München: Piper, 1921-1923 sowie 1925-1928:
- Erste Abteilung: Band 1 bis 10 (10 / 1 und 2)
- Zweite Abteilung: Band 11 bis 22
- Ergänzungsbände: Lebenserinnerungen der Gattin Dostojewskis; Dostojewski am Roulette; Das Tagebuch der Gattin Dostojewskis; Der unbekannte Dostojewski; Raskolnikoffs Tagebuch; Die Beichte eines Juden in Briefen an Dostojewski; Die Urgestalt der Brüder Karamasoff. Dostojewskis Quellen, Entwürfe und Fragmente erläutert von W. Komarowitsch, mit einer einleitenden Studie von Sigm. Freud (1929).
- Volksausgabe des Gesamtwerks (16 Bände), Berlin: Büchergilde Gutenberg, o.J. [1929]
- Band 1: Erniedrigte und Beleidigte (Übersetzer: Gregor Jarcho) / Band 2: Aufzeichnungen aus einem toten Haus (Gregor Jarcho) / Band 3/4: Schuld und Sühne (Werner Bergengruen) / Band 5/6: Der Idiot (Klara Brauner) / Band 7/8: Die Dämonen (Gregor Jarcho) / Band 9/10: Ein Werdender (Korfiz Holm) / Band 11/12: Die Brüder Karamasoff (Reinhold von Walter) / Band 13: Arme Leute. Kleine Romane und Erzählungen (Gregor Jarcho) / Band 14: Weiße Nächte. Kleine Romane und Erzählungen (Gregor Jarcho) / Band 15: Das Dorf Stepantschikowo. Kleine Romane und Erzählungen (Gregor Jarcho) / Band 16: Der Spieler (Erich Boehme).
Einzelausgaben
- Arme Leute (Бедные люди) (1845)
- Der Doppelgänger (Двойник. Петербургская поэма) (1846)
- Herr Prochartschin (Господин Прохарчин) (1846)
- Eine Novelle in neun Briefen (Роман в девяти письмах) (1847)
- Die Wirtin (Хозяйка) (1847)
- Weiße Nächte (Белые ночи) (1848)
- Polsunkov (Ползунков) (1848)
- Weihnachtsbaum und Hochzeit (Мальчик у Христа на ёлке) (1848)
- Der ehrliche Dieb (Честный вор) (1848)
- Der eifersüchtige Gatte (Чужая жена и муж под кроватью) (1848)
- Die fremde Frau und der Mann unter dem Bett (Чужая жена и муж под кроватью) (1848)
- Das schwache Herz (Слабое сердце) (1849)
- Nettchen Neswanowa (Неточка Незванова) (1849)
- Ein kleiner Held (Маленький герой) (1857)
- Onkelchens Traum (Дядюшкин сон) (1859)
- Das Gut Stepantschikowo und seine Bewohner (Село Степанчиково и его обитатели) (1859)
- Aufzeichnungen aus einem Totenhaus (Записки из мертвого дома) (1860)
- Erniedrigte und Beleidigte (Униженные и оскорбленные) (1861)
- Eine dumme Geschichte, auch Eine garstige Anekdote (Скверный анекдот) (1862)
- Winterliche Aufzeichnungen über sommerliche Eindrücke (Зимние заметки о летних впечатлениях) (1863)
- Aufzeichnungen aus dem Kellerloch, auch Aufzeichnungen aus dem Untergrund (Записки из подполья) (1864)
- Das Krokodil - Ein ungewöhnliches Ereignis (Крокодил) (1865)
- Schuld und Sühne, auch Rodion Raskolnikoff, Verbrechen und Strafe (Преступление и наказание) (1866)
- Der Spieler (Игрок) (1866)
- Der Idiot (Идиот) (1868)
- Der ewige Gatte (Вечный муж) (1870)
- Die Dämonen, auch Die Teufel, Die Besessenen, Böse Geister (S. Geier, Zürich: Ammann 1998) (Бесы) (1871-1872 bei Russkij Vestnik, 1873 - Einzelausgabe)
- Tagebuch eines Schriftstellers (Дневник писателя) (1873–1881)
- Bobok (Бобок) (1873)
- Die Sanfte (Кроткая) (1876)
- Der Jüngling, auch Werdejahre, Ein Werdender, Ein grüner Junge (Подросток) (1876)
- Traum eines lächerlichen Menschen (Сон смешного человека) (1877)
- Die Brüder Karamasow (Братья Карамазовы) (1880–1881)
- Der Großinquisitor (Великий инквизитор) (Teilausgabe; = 5. Buch, Kap. 5 des Romans Die Brüder Karamasow)
- Puschkin-Rede (Пушкинская речь) (1880)
Literatur
- Janko Lavrin: Fjodor M. Dostojevskij. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Berlin 2004 (27. Auflage).
- Anton Seljak: Fjodor Dostojewskij und Iwan Turgenjew: Versuch über eine Hassliebe. In: Deutsche Dostojewskij-Gesellschaft. Jahrbuch 12 (2005), S. 85–111. ISBN 3-9809877-1-X.
- Ilma Rakusa: Dostojewski in der Schweiz. 348 S., Insel Verlag 1981, ISBN 978-3-458-14841-8.
- Otto Kaus: Dostojewski – Zur Kritik der Persönlichkeit. R. Piper Verlag, München 1916.
- Horst-Jürgen Gerigk: Ein Meister aus Russland. Beziehungsfelder der Wirkung Dostojewskijs. Vierzehn Essays. Heidelberg 2010.
- Stefan Zweig: Drei Meister: Balzac, Dickens, Dostojewski. Fischer Verlag
- Kjetsaa, Geir: Dostojewskij. Sträfling – Spieler – Dichterfürst. Casimir Katz-Verlag, Gernsbach 1986 (aus dem Norwegischen übertragen von Asteid Arz, Nachdruck: VMA, Wiesbaden 1992, 499 S.)
Weblinks
Commons: Fjodor Michailowitsch Dostojewski – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienWikisource: Fjodor Michailowitsch Dostojewski – Quellen und Volltexte- Literatur von und über Fjodor Michailowitsch Dostojewski im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Werke von Fjodor Michailowitsch Dostojewski bei Zeno.org (deutsch)
- Werke von Fjodor Michailowitsch Dostojewski im Projekt Gutenberg-DE (deutsch)
- Dostojewskij-Gesellschaft
- Illustrierte Biographie Fjodor Dostojewskis
- Hanns-Martin Wietek: Brief an Fjodor Michailowitsch Dostojewski
- Hanns-Martin Wietek: Fjodor Michailowitsch Dostojewski - Vom Saulus zum Paulus
- Hanns-Martin Wietek: Dostojewskis stürmische Jahre
- Hanns-Martin Wietek: Dostojewski am Ziel seiner Träume
Einzelnachweise
- ↑ Gero von Wilpert (Hrsg.): Lexikon der Weltliteratur. München 1988, Band 1, S. 388
- ↑ Who’s who, 2. September 2010
- ↑ a b Dagmar Schreiber: Kasachstan entdecken. ISBN 3-89794-079-5, 2005, S. 389
- ↑ André Gide et Dostojewski, 22. August 2009
- ↑ Henning Ottmann: Philosophie und Politik bei Nietzsche. de Gruyter Verlag, Berlin 1999 ISBN 3-11-014770-X S. 332
Kategorien:- Fjodor Michailowitsch Dostojewski
- Autor
- Literatur (19. Jahrhundert)
- Literatur (Russisch)
- Roman, Epik
- Person (Sankt Petersburg)
- Russe
- Geboren 1821
- Gestorben 1881
- Mann
- Sämtliche Werke. Unter Mitarbeit von Dmitri Mereschkowski hrsg. von Arthur Moeller van den Bruck, übertragen von E. K. Rahsin. 22 Bände (in 23 Bänden) und sieben Ergänzungsbände, München: Piper, 1921-1923 sowie 1925-1928:
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