Hertingen im Markgräflerland

Hertingen im Markgräflerland
Hertingen
Ehemaliges Gemeindewappen von Hertingen
Koordinaten: 47° 43′ N, 7° 35′ O47.7247.5867349Koordinaten: 47° 43′ 26″ N, 7° 35′ 12″ O
Höhe: 349 m ü. NN
Fläche: 16,93 km²
Einwohner: 647
Postleitzahl: 79415
Vorwahl: 07635

Hertingen ist ein Ortsteil der Gemeinde Bad Bellingen im Markgräflerland. Die Ortschaft mit rund 650 Einwohnern liegt südöstlich von Bad Bellingen in einer hügeligen, von Rebbergen geprägten, Landschaft.

Inhaltsverzeichnis

Geographie

In einem weiten Talgrund östlich der nordsüdlich verlaufenden uralten Landstraße - heute B3 - liegt das Dorf Hertingen inmitten von Äckern und Wiesen.

Geschichte

Vorgeschichte

Obwohl die erste urkundliche Erwähnung (Hertingen, 1064) erst verhältnismäßig spät erfolgt, dürfte die Siedlung doch wesentlich älter sein. Vereinzelte Funde von Feuersteingeräten werden von wandernden Jägern und Sammlern der Alt-Steinzeit stammen, während ein Plattengrab, das nördlich des Dorfes entdeckt wurde, ebenso gut keltischen wie alemannischen Ursprungs sein könnte, weil für die Altersbestimmung entscheidende Beobachtungen bei der Auffindung nicht gemacht wurden.

Sichere Siedlungsspuren liefert erst die Römerzeit. So wurden zwei kleine Schmelzöfen zur Verhüttung von Bohnerz aus dem Hertinger Wald bei einer villa rustica beobachtet. Der Gutshof selbst mit einem größeren Wohngebäude und weiteren Bauten lag in der Nähe der heutigen B3. Mehrere Mosaiksteinchen lassen kostbar ausgestattete Räume vermuten, deren endgültige Freilegung noch aussteht. Die Vergüttung von Eisenerz durch die Römer im ersten oder zweiten nachchristlichen Jahrhundert könnte eine Fortführung keltischer Rohstoffnutzung sein. Der Quellenreichtum des Hertinger Tales ließ in alemannischer Zeit Hofgründungen an mehreren Stellen zu. Einig Hofnamen sind aus dem 13. und 14 Jahrhundert überliefert:

- Meierhof;
- Münchweiler Hof;
- Hummelhof;
- St.- Margareten Hof.

Sie waren im Besitz verschiedener geistlicher und weltlicher Herren.

Dreißigjähriger Krieg

Im Dreißigjährigen Krieg zerstörten schwedische und kaiserliche Truppen bei ihren Beutezügen durch die obere Markgrafschaft neben anderen Orten auch Hertingen. Vierzig Jahre später erfolgte eine Brandschatzung durch französische Soldaten. Der Wiederaufbau des schwergeprüften Dorfes vollzog sich in den folgenden Jahren weiter unten im Tal.

Französische Revolution

1813 lag russische Einquartierung in Hertingen. Die Revolutionsjahre 1848/49 brachten badische und hessische Soldaten ins Dorf, die auch an dem Gefecht auf der Scheideck bei Kandern am 20. April 1848 beteiligt waren, in dem die Revolutionäre unter Hecker eine empfindliche Niederlage hinnehmen mussten und in dessen Verlauf der Führer des regulären Militärs, Freiherr Friedrich von Gagern, den Tod fand.

Deutsch-Französischer Krieg 1870/71

Im August 1870 mussten nach der Kriegserklärung Frankreichs die hertinger Reservisten einrücken. Man befasste sich in Erinnerung an frühere Einfälle der Franzosen mit dem Gedanken, im Notfall in den Schwarzwald zu fliehen. Als französische Mobilgarden den Rhein bei Bellingen überquerten, rollten Wagen mit Kindern, Frauen, Betten, Mehlsäcken und Weinfässchen aus dem bedrohten Dorf heran. Die Kanderner Schützengesellschaft rückte, durch einen Hertinger Bürger alarmiert, heran und trieb die Eindringlinge rasch über den Fluss zurück. Die Flüchtling konnten heimkehren und es blieb in der Folgezeit am Oberrhein ruhig. Der aus Hertingen stammende Artillerist Johann (Hans) Christian Henn erhielt ein besonderes Lob: Er hatte bei der Belagerung von Straßburg das Kreuz auf dem Münsterturm krumm geschossen.

Erster Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg sind 18 Männer aus Hertingen vermisst oder gefallen.

Zweiter Weltkrieg

Im Zweiten Weltkrieg mussten die Einwohner von 3. September bis zum 24. Dezember 1939 ihre Häuser verlassen und wurden in der Bodenseegegend untergebracht. Die letzten Kriegsmonate 1944/45 brachten Beschädigungen einer Reihe von Häusern durch Artilleriebeschuss. 36 Männer kehrten aus dem großen Krieg nicht zurück.

Kirche

Evangelische Kirche Hertingen

Eine Kapelle, die dem hl. Petrus geweiht war, wird 1130 erwähnt. Sie gehörte zu „Klein-Hertingen“, eine Hofgruppe, die sich in der Nähe der heutigen B3 befand. In der Kapelle wurden noch nach der Einführung der Reformation (1556) von den Mönchen der Propstei Bürgeln Messen gelesen, und 1859 hieß ein Gewann in dieser Gegend „St-Peter“. Im 14. Jahrhundert hatte die Kapelle den Rang einer Pfarrkirche, erscheint aber 1493 nur noch als Kapelle und Filiale der Kirche von (Groß-)Hertingen. Sie stand auf dem heutigen Friedhof. Auch diese zweite Siedlung rund um Gottesacker und Kirche lag höher am Hang als der heutige Ort. Ein wackliger Turm, ein gebrechlicher Dachstuhl, vor allem aber die ungenügende Größe der Kirche veranlassten Pfarrer und Vogt sowie den „Gerichtsmann“ Friedrich Zollikofer, 1761 eine bewegte Klage an den Markgrafen zu schicken und um die Erbauung einer neuen Kirche zu bitten. Sie sollte vor allem in der Mitte des neuen Dorfkerns liegen, da bei schlechtem Wetter der Weg hinaus zum Friedhof für Kinder und alte Leute zu weit sei. Aber es dauerte mehr als zwei Jahrzehnte, ehe dem Wunsch entsprochen wurde. Die alte Kapelle befand sich auf dem heutigen Friedhof.

Die Mühle

Um 1800 klapperte eine Mühle im Tal, die 1718 als Lehnsmühle der Herrschaft Rötteln im Besitz der Herren von Rotberg bzw. Leutrum erscheint, später (um 1800-1811) aber in Privatbesitz auftaucht und noch 1930, da schon teilweise mit Elektrizität betrieben und zur Walzmühle umgebaut, arbeitete.

Johann Peter Hebel

Johann Peter Hebel wohnte in Hertingen und war dort Vikar.

Jakob Michael Reinhold Lenz

Der aus Livland stammende Schriftsteller Jakob Michael Reinhold Lenz (1751-1792) lebte von Januar 1779 bis in den Sommer des Jahres in Hertingen, wohin ihn Johann Georg Schlosser zur Behandlung seines beeinträchtigten Geisteszustandes gesandt hatte. Wahrscheinlich ist, dass er sich in der Behandlung des Chirurgen Johann Georg Kaspar Zollikofer (1737-1799) befand, der in Hertingen ein Haus unterhielt, in dem gemütskranke Menschen untergebracht wurden, wie der Hertinger Heimatforscher Hubert Gilgin vermutet. Die Lage dieses Hauses in dem Ort ist nicht mehr feststellbar. Im Sommer 1779 wurde Jakob Lenz von seinem Brueder Carl Lenz in Hertingen abgeholt, der mit ihm nach Livland reiste.

Bauwerke

  • Evangelische Kirche in der Dorfmitte
  • Altes Feuerwehrhaus (heute Arche genannt)
  • Bürgersaal, der von den Bürgern selbst erbaut wurde
  • Eine teilweise erhaltene Mühle

Regelmäßige Veranstaltungen

Grasbahnrennen am Markgräflerring

Einmal im Jahr stellen die Hertinger Bürger (und auch Helfer aus Umgebung) ein internationales Flutlicht-Grasbahnrennen auf die Beine. Die Helfer arbeiten alle ehrenamtlich.

Hebelschoppen

Ebenfalls einmal im Jahr, meist anfangs Herbst, treffen sich Freunde und Liebhaber der alemanischen Sprache zum „Hebelschoppen“ in Hertingen. Hier lebt im Andenken an Johann Peter Hebel der alte landestypische Dialekt wieder auf.

Literatur

  • Dorfchronik von Hertingen - Johannes Helm
  • Werner Schär: Hertingen - Aus seiner Geschichte; Hrsg. Ühlin Schopfheim 1966; Auszug aus: „Das Markgräflerland“ - Beiträge zu seiner Geschichte und Kultur; 28. Jahrgang- Heft 1, 1966
  • Willi Werth: Römische Eisenverhüttung im „Hebelhof“ Hertingen, Basler Geographische Hefte Nr. 15, Basel 1977; Separatdruck aus Regio Basiliensis XVIII/1 (1977)
  • Helmut Fehse/Günter Henn/Ursel Tanner: „Ortsfamilienbuch Hertingen 1565-2009“, Hrsg. Gemeinde Bad Bellingen 2009.

Weblinks


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