Howard S. Becker

Howard S. Becker

Howard Saul Becker (* 18. April 1928 in Chicago, Illinois) ist ein US-amerikanischer Soziologe und Kriminologe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Howard S. Becker wurde 1951 an der University of Chicago im Fach Soziologie promoviert. Er publizierte im Bereich der Jugendsoziologie, der Kriminalsoziologie (besonders zum Labeling Approach), der Kunstsoziologie sowie über qualitative Methoden des Faches.
Sein Buch Outsiders ist ein Klassiker der Kriminalsoziologie. Als bedeutender Beitrag für die zeitgenössische Kunstsoziologie gilt sein Werk Art Worlds.

Kriminalsoziologische Bedeutung

Becker gilt in der Kriminalsoziologie beziehungsweise in der Soziologie Abweichenden Verhaltens neben Edwin M. Lemert als Klassiker des Labeling Approach (Etikettierungstheorie). Laut Becker schaffen gesellschaftliche Gruppen abweichendes Verhalten dadurch, dass sie Regeln aufstellen, durch die Verhalten dann zu abweichenden Verhalten wird. Berühmt und viel zitiert ist seine knappe Definition: Abweichendes Verhalten ist das Verhalten, das Menschen so bezeichnen (Original: deviant behavior is behavior that people so label).[1]

Diejenigen, die Regeln setzen oder Regeln durchsetzen, nennt Becker Moralische Unternehmer, in der deutschen Kriminologie häufig als Moralunternehmer übersetzt.

Outsiders erschien erstmals 1963 in New York und wurde auf der begrifflichen Basis des Symbolischen Interaktionismus formuliert. Das bedeutet auch, dass es sich bei Labeling-Aktionen nicht ausschließlich um einseitige Prozesse handelt, wie es in radikalisierten Versionen des Labeling Approach (besonders bei Fritz Sack) vertreten wird, wogegen Becker und besonders Lemert Vorbehalte äußerten.

Kunstsoziologische Bedeutung

Beckers kunstsoziologische Analyse ist theoretisch ebenfalls dem Symbolischen Interaktionismus verpflichtet. Er begreift Kunst nicht als Werk eines einzelnen Schöpfers, sondern als eine Aktivität, die kollektiv (interaktiv) ausgeübt wird. Ausgangspunkt ist die soziale Konstruktion von Kunstwelten (Art Worlds). Darunter versteht er Netzwerke von Individuen, die in elaborierten Formen arbeitsteilig miteinander kooperieren, um ein Kunstwerk hervorzubringen und dem Publikum zu vermitteln. Ihr kollektives Handeln benötigt materielle und andere Ressourcen und wird durch Konventionen strukturiert. Als Demonstrationsobjekt dient ihm der Abspann eines Hollywoodfilms mit seiner Aufzählung von vielfältigen Funktionen und Personen. Generell unterscheidet Becker zwischen dem künstlerischen und dem unterstützenden Personal. Eine Kunstwelt kann lokal begrenzt (z. B. eine kleine Experimentierbühne) oder weltweit vernetzt sein (z. B. der moderne Kunstbetrieb).

Art Worlds erschien erstmals 1982; zum 25. Jahrestag erschien 2008 eine erweiterte Ausgabe mit einem längeren Interview mit dem französischen Soziologen Alain Pessin. Die britische Soziologin Victoria D. Alexander wertet Beckers Art Worlds als a very important contribution in the sociology of art.[2] Anders als in der angelsächsischen Welt ist in Deutschland die bisherige Rezeption des Buches begrenzt.[3]

Werke (Auswahl)

  • 1961: Boys in White.
  • 1963: Outsiders.
    • Deutsche Ausgabe: Außenseiter. Zur Soziologie abweichenden Verhaltens. 1973.
  • 1982: Art Worlds. 25th Anniversary edition 2008.
  • 1986: Writing for Social Scientists.
    • Deutsche Ausgabe: Die Kunst des professionellen Schreibens. Ein Leitfaden für die Geistes- und Sozialwissenschaften. 1994.
  • 1997: Tricks of the Trade: How to Think about Your Research While You're Doing It.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Howard S. Becker: Außenseiter. Zur Soziologie abweichenden Verhaltens, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag 1981, S. 8.
  2. Victoria D. Alexander: Sociology of the Arts: Exploring Fine and Popular Forms. Blackwell, Oxford 2003, S. 68.
  3. Eine deutsche Übersetzung seines Aufsatzes Art as Collective Action aus dem American Sociological Review (38. Jg./1974, S. 767-776) enthält der von Jürgen Gerhards herausgegebene Sammelband Soziologie der Kunst (Westdeutscher Verlag, Opladen 1997, S. 23-40).

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