Hubertus Tellenbach

Hubertus Tellenbach

Hubertus (auch Hubert) Tellenbach (* 15. März 1914 in Köln; † 4. September 1994 in München) war ein deutscher Psychiater, der in einer Studie über Melancholie die psychiatrischen Begriffe der Endogenität und des Typus melancholicus entwickelte. Daneben erforschte er unter anderem die Vaterrolle in verschiedenen Gesellschaften.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Tellenbach studierte von 1933 bis 1938 in Freiburg im Breisgau, Königsberg, Kiel und München parallel Medizin und Philosophie und promovierte in beiden Fächern. Prägend wurde dabei die Begegnung mit Martin Heidegger in Freiburg. Im Zweiten Weltkrieg war er als Truppenarzt eingesetzt und wurde gefangen genommen. Danach arbeitete er als Neurologe in München, wo er sich 1952 habilitierte. 1956 wechselte er nach Heidelberg und bekleidete dort seit 1958 eine außerordentliche Professur. In den Jahren der Studentenunruhen leitete er eine Fachgruppe Psychiatrie/Psychosomatik. Von 1971 bis zu seinem Ausscheiden aus der Klinik 1979 war er Ärztlicher Direktor der für ihn geschaffenen Abteilung Klinische Psychopathologie.

Psychiatrie und Daseinsanalyse

Im Anschluss an seine Habilitation setzte sich Tellenbach intensiv mit psychiatrischen Ansätzen auseinander, vor allem mit der Daseinsanalyse Ludwig Binswangers, Victor-Emil von Gebsattels und Eugène Minkowskis und mit der phänomenologischen Psychologie Erwin Straus’. Er verfasste Arbeiten über das abgewandelte Raum- und Zeiterleben in der Melancholie, 1961 folgte seine umfangreiche, grundlegende Monographie Melancholie. Problemgeschichte, Endogenität, Typologie, Pathogenese, Klinik, die in mehrere Sprachen übersetzt wurde. Er beschrieb darin den Typus melancholicus, die zur Melancholie veranlagte Persönlichkeit, als auf Ordnungs- und Harmoniestrukturen festgelegt, und versuchte davon ausgehend zu einem allgemeinen Begriff der Endogenität, der Krankheitsverursachung durch eine bestimmte Daseinsverfassung, zu gelangen.

1969 veröffentlichte er eine Studie über Geschmack und Atmosphäre, in der er medizinische und kulturgeschichtliche Befunde verband. Seine Einschätzung, dass die Unruhen von 1968 sich als Reaktion der Studenten auf ihre Erfahrung mit ausweichend-unverbindlichen Vätern erklären ließen, führte zur Einrichtung einer Arbeitsgruppe, die die Vaterrolle in verschiedenen Gesellschaften untersuchte. Ihre Ergebnisse wurden in vier Bänden veröffentlicht.

Schriften

  • Aufgabe und Entwicklung im Menschenbild des jungen Nietzsche. Würzburg-Aumühle: Triltsch 1938.
  • Melancholie. Zur Problemgeschichte, Typologie, Pathogenese und Klinik. Mit einem Geleitwort von V. E. von Gebsattel. Berlin, Göttingen, Heidelberg: Springer 1961. Untertitel der 2., erweiterten Auflage 1974: Problemgeschichte, Endogenität, Typologie, Pathogenese. In der 3. Auflage 1976 und der 4. Auflage 1983, die jeweils nochmals erweitert wurden: Problemgeschichte, Endogenität, Typologie, Pathogenese, Klinik. ISBN 3-540-11255-3.
  • Hiob und das Problem der Selbstübersteigung. Einübung im Transzendieren als Prinzip einer psychotherapeutischen Melancholie-Prophylaxe. Stuttgart: Hippokrates 1963.
  • Der Oralsinn als Ausdrucksfeld endogen-psychotischer Abwandlungen. In: Zentralblatt f. d. ges. Neurologie und Psychiatrie. 173/1963.
  • Der Oralsinn und das Atmosphärische. In: Jahrbuch für Psychologie, Psychotherapie und medizinische Anthropologie. 12/1965.
  • Geschmack und Atmosphäre. Medien menschlichen Elementarkontaktes. Salzburg: Otto Müller Verlag 1968.
  • (Herausgeber:) Das Vaterbild in Mythos und Geschichte. Ägypten, Griechenland. Altes Testament, Neues Testament. Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1976.
  • (Herausgeber:) Das Vaterbild im Abendland. Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1978.
    • Bd. 1: Rom, Frühes Christentum, Mittelalter, Neuzeit, Gegenwart.
    • Bd. 2: Literatur und Dichtung Europas.
  • (Herausgeber:) Vaterbilder in Kulturen Asiens, Afrikas und Ozeaniens. Religionswissenschaft, Ethnologie. Stuttgart u. a.: Kohlhammer 1979.
  • Psychiatrie als geistige Medizin, München: Verlag für angewandte Wissenschaft 1987, ISBN 3-922251-97-8.
  • Schwermut, Wahn und Fallsucht in der abendländischen Dichtung, Hürtgenwald: Pressler, 1992, ISBN 3-87646-072-7.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Hubertus Tellenbach — est un psychiatre allemand né 15. Mars 1914 à Cologne, mort Septembre 1994 à Münich, il est particulièrement connu pour ses études sur la Mélancolie et la Dépression. Il a aussi été lié au mouvement de Daseinsanalyse et à la psychopathologie… …   Wikipédia en Français

  • Tellenbach — ist der Name von Gerd Tellenbach (1903–1999), deutscher Historiker und Mediävist Hubertus Tellenbach (1914–1994), deutscher Psychiater Karl Tellenbach (1877–1931), ab 1910 als Stadtoriginal Dällebach Kari in Bern bekannt Michael Tellenbach (1950) …   Deutsch Wikipedia

  • Hubert Tellenbach — Hubertus (auch Hubert) Tellenbach (* 15. März 1914 in Köln; † 4. September 1994 in München) war ein deutscher Psychiater, der in einer Studie über Melancholie die psychiatrischen Begriffe der Endogenität und des Typus melancholicus entwickelte.… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Biografien/Te — Biografien: A B C D E F G H I J K L M N O P Q …   Deutsch Wikipedia

  • Dépression (psychiatrie) — Pour les articles homonymes, voir Dépression. Dépression Classification et ressources externes …   Wikipédia en Français

  • Yves Pélicier — est un psychiatre français (1925 1996). Biographie Cette section est vide, insuffisamment détaillée ou incomplète. Votre aide est la bienvenue ! Bibliographie Yves Pelicier, Guide psychiatrique pour le praticien, Paris, Éditions Masson et… …   Wikipédia en Français

  • Mélancolie — par Domenico Fetti (ca. 1622). Le terme mélancolie recouvre plusieurs significations qui relèvent de son histoire dans la médecine, la psychiatrie, la psychanalyse et la philosophie ainsi qu en littérature. La mélancolie est aussi un tableau… …   Wikipédia en Français

  • Mann — männlicher Mensch; Herr; Kerl (umgangssprachlich); Angetrauter; Ehegatte; Ehemann; Gatte; Gemahl * * * Mann [man], der; [e]s, Männer [ mɛnɐ] und (als Mengenangabe nach Zahlen) : 1. erwach …   Universal-Lexikon

  • Daseinsanalyse — Die Daseinsanalyse ist eine der Psychoanalyse nahestehende psychiatrische und psychotherapeutische Richtung, die der phänomenologischen Methode folgt und sich philosophisch vor allem an Martin Heidegger orientiert. Die Daseinsanalyse wird wegen… …   Deutsch Wikipedia

  • Selbstbeobachtung — Die Selbstbeobachtung, auch Introspektion genannt, bezeichnet die Betrachtung, Beschreibung und Analyse des eigenen Erlebens und Verhaltens durch nach innen gerichtete Beobachtung. Sie ist zusammen mit der Selbstwahrnehmung für die eigene… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”