Humanisierung des Arbeitslebens

Humanisierung des Arbeitslebens

Der Begriff Humanisierung des Arbeitslebens (HdA) entbehrt bislang einer eindeutigen und übereinstimmenden Definition. Er fand 1974 mit dem staatlichen „Forschungsprogramm zur Humanisierung des Arbeitslebens“ und der Debatte um die Qualität des Arbeitslebens offiziell Eingang in die politische Terminologie. Im Mittelpunkt stand dabei die Auseinandersetzung mit der tayloristisch-fordistischen Organisation von Arbeit.

Inhaltsverzeichnis

Phasen

Erste Etappe

In der ersten Etappe in den 1970er Jahren ging es um die Kritik an unmenschlichen Arbeitsbedingungen und Arbeitsformen (Symbol: Fließbandarbeit). Von wissenschaftlicher Seite wurde diese Kritik vor allem von einer politisch und gesellschaftstheoretisch aufgeladenen Industrie- und Arbeitssoziologie getragen, die relativ eng mit gewerkschaftlicher Programmatik und mit den politischen Reformansätzen der damaligen Sozialdemokratie verknüpft war. Ziel war vor allem die Ausweitung von Partizipationsmöglichkeiten der Beschäftigten, wobei die Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte bei Einführung neuer Arbeitsverfahren und Technologien auf Basis des Betriebsverfassungsgesetzes als Hebel diente.

Zweite Etappe

In einer zweiten Etappe, die in etwa die 1980er Jahre umfasst, wurde die Krise des Taylorismus offensichtlicher und es entwickelte sich in der Arbeitswissenschaft und auch bei den Gewerkschaften eine regelrechte Gestaltungseuphorie. Sie erreichte ihren Höhepunkt mit den Mitte der 80er Jahre propagierten neuen Produktionskonzepten, die auf eine Vereinbarkeit von Rationalisierung und Humanisierung durch Arbeitsstrukturierung bauten und ihren Niederschlag einerseits in arbeitswissenschaftlichen Projekten zur Sicherstellung der Schädigungslosigkeit und Beeinträchtigungslosigkeit der Arbeit, andererseits in großen Branchenprojekten zur Einführung neuer Arbeitsstrukturen z.B. in der Bekleidungs- oder Gießereiindustrie fanden. Aus heutiger Sicht vernachlässigten die arbeitswissenschaftlichen Projekte die Dynamik der technischen Entwicklung vor allem im Bereich der Informationstechnologie, während die Arbeitsstrukturierungsprojekte zu früh kamen und als nicht nachhaltig angesehen werden müssen.[1]

Dritte Etappe

In einer dritten Etappe, seit Anfang der 1990er Jahre, erreichte die programmatische Abkehr von tayloristischen Arbeitsmethoden ihren Höhepunkt. Die neuen Management-Konzepte (insbesondere Schlanke Produktion), die Leitbilder moderner Arbeit und damit auch wesentliche Teile der betrieblichen Realität folgten zunehmend Prinzipien der Taylorismuskritik: flexible und selbstbestimmte Arbeitszeiten, Gruppenarbeit, Jobenrichment, Enthierarchisierung, Selbstorganisation, Mitarbeiterbeteiligung etc. Vertraute Koordinaten der Organisation von Arbeit – Hierarchie, Kontrolle, Fremdrationalisierung, Fremdbestimmung, eingeschränkte Subjektivität, Trennung von Arbeits- und Lebenswelt etc. – und die hieran gewonnenen Bewertungskriterien wie Belastung und Restriktivität, Dispositionsspielräume etc. gerieten ins Wanken. Diese Projekte widmeten sich verstärkt dem Dienstleistungssektor, doch verfehlten sie wegen ihres weitgehend einzelbetrieblichen Ansatzes (und z.T. auch ihrer arbeitswissenschaftlichen Fixierung auf Einzelarbeitsplätze)[2] den Trend der zunehmenden Verwandlung von Arbeit in Kommunikation und wurden von der Entwicklung der Kommunikationstechnik und Vernetzung überholt.

Finanzierung

Finanziert wurde das Programm aus Mitteln des damaligen „Bundesministers für Forschung und Technologie“ (BMFT), heute „Bundesministerium für Bildung und Forschung“ (BMBF), das mit dem Programm den engen Rahmen der traditionellen Technologieforschung 1974 erstmals sprengte. 1989 wurde es zum Programm ''Arbeit und Technik'' umgestaltet, wobei die Programmatik in Richtung auf die Stärkung der Innovationskraft der deutschen Wirtschaft verändert wurde. Dabei wurden die sozial- und arbeitspolitischen Förderziele geschwächt.[3]

Organisatorisch wurde das Programm über einen zur „Deutschen Forschungs- und Versuchsanstalt für Luft- und Raumfahrt“ (DFVLR), heute „Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt“ (DLR), gehörenden Projektträger abgewickelt.

Literatur

  • Salfer, Peter; Furmaniak, Karl: Das Programm "Forschung zur Humanisierung des Arbeitslebens". Stand und Möglichkeiten der Evaluierung eines staatlichen Forschungsprogramms. Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt– und Berufsforschung. 1981, Heft 3, Pages: 237-245
  • Pöhler, Willi; Peter, Gerd: Erfahrungen mit dem Humanisierungsprogramm. Von den Möglichkeiten und Grenzen einer sozial orientierten Technologiepolitik; Köln: Bund-Verlag, 1982
  • Peter, Gerd; Zwingmann, Bruno (Hrsg.): Humanisierung der Arbeit. Probleme der Durchsetzung; Köln: Bund-Verlag, 1982

Einzelnachweise

  1. Hofmann, Andrea; Wassermann, Petra (1998): Befangen im Möglichen. Über die Schwierigkeiten, Zukunftschancen für die deutsche Bekleidungsindustrie und ihre Beschäftigten zu entwickeln. Frankfurt, S. 2, 5, 146
  2. Hellige, H. D.: Normativ gesteuerte Technikgenese als Komplexitäts-und Kooperationsproblem. Vortrag beim artec-Jubiläums-Workshop Gute Arbeit? Gute Umwelt? Gute Technik? http://www.artec.uni-bremen.de/team/hellige/Hellige-NormativGesteuerteTechnikgenese.pdf Universität Bremen, 11. Oktober 2001
  3. Bieneck, H. (2009): Humanisierung des Arbeitslebens - Ein sozial- und forschungspolitisches Lehrstück. München: GRIN (auch als E-Book ISBN 978-3-640-68200-3).

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