Hundertwasserhaus

Hundertwasserhaus
Hundertwasserhaus 2007
Fassade des Hundertwasserhauses

Das Hundertwasserhaus ist eine von 1983 bis 1985 erbaute Wohnhausanlage der Gemeinde Wien und befindet sich an der Ecke Kegelgasse 34–38 und Löwengasse 41-43 im 3. Wiener Gemeindebezirk Landstraße.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Der österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser hat sich seit den 1950er Jahren mit Architektur beschäftigt. Er begann sein Engagement mit Manifesten, Essays und Demonstrationen. Bekannt wurde insbesondere sein Verschimmelungsmanifest. 1972 zeigte er in der Eurovisions-Sendung Wünsch Dir was Architekturmodelle, mit denen er seine Ideen der Dachbewaldung, der Baummieter und des Fensterrechts veranschaulichte und architektonische Formen wie das Hoch-Wiesen-Haus, das Augenschlitzhaus oder das Terrassenhaus entwickelte.[1] In Vorträgen auf Hochschulen und vor Architektenvereinigungen und –büros sprach Hundertwasser über sein Anliegen einer natur- und menschengerechteren Architektur.

In einem Brief vom 30. November 1977 an den damaligen Wiener Bürgermeister Leopold Gratz empfahl der damalige Bundeskanzler Bruno Kreisky, man solle Hundertwasser die Möglichkeit geben, seine Anliegen im Bereich der Architektur am Bau eines Wohnhauses umzusetzen. Leopold Gratz lud Hundertwasser daraufhin mit Schreiben vom 15. Dezember 1977 ein, ein Wohnhaus in Wien nach seinen Vorstellungen zu gestalten.[2]. Es folgte eine jahrelange Suche nach einem geeigneten Grundstück. Da Hundertwasser kein Architekt war, bat er die Stadt Wien, ihm einen Architekten beizustellen, der bereit wäre, sein Konzept in adäquate Planzeichnungen umzusetzen. Daraufhin wurde ihm Architekt Josef Krawina vermittelt.

Eine konfliktreiche Zusammenarbeit

Architekt Krawina präsentierte Hundertwasser im August und September 1979 seine Vorentwürfe sowie ein Styropor-Modell, die allerdings dem architektonischen Konzept einer geschlossenen Bauweise entsprachen und die Hundertwasser schockiert zurückwies, da sie genau der geradlinigen und nivellierenden Raster-Architektur entsprach, gegen die er stets gekämpft hatte.[3]. Hundertwasser wollte ein „Haus für Menschen und Bäume“, so wie er es Jahre zuvor bereits in seinem Text „Verwaldung der Stadt“ beschrieben hatte: In seinem Modell des „Terrassenhauses“ für die Sendung „Wünsch Dir was“ hatte er dieses Haus bereits visualisiert[4]. Es gelang Hundertwasser die Stadt Wien für sein Konzept eines begrünten Terrassenbaus zu gewinnen. Architekt Krawina stand Hundertwassers Ideen allerdings weiter eher skeptisch gegenüber, worauf sich der Künstler mit einem Schreiben an Architekt Kolowrath, den damaligen Leiter der Wiener Magistratsabteilung 19 wandte und ihn bat, den Architekten abzulösen, damit er seine eigenen Vorstellungen realisieren könne. Krawina schied daraufhin aus dem Projekt aus und Architekt Peter Pelikan, Angestellter der Magistratsabteilung 19, übernahm die Planung. Er wurde für Hundertwasser zum langjährigen Partner für zahlreiche weitere Bauvorhaben.

2001, zwanzig Jahre nach dem Ausscheiden des Architekten Krawina aus dem Projekt, hat die Firma H.B. Medienvertriebsgesellschaft mbH unter ihrem Geschäftsführer Harald Böhm Architekt Krawina davon überzeugen können, das „Hundertwasser-Haus“ als sein Werk einzuklagen. Nach einem acht Jahre dauernden Prozess stellte am 11. März 2010 der Oberste Gerichtshof fest, dass Josef Krawina gleichberechtigter Miturheber des Hauses ist. „Damit ist es nun verboten, Ab- oder Nachbildungen des Hauses zu verbreiten, ohne Krawina – neben Hundertwasser – als Miturheber zu nennen.“[5][6]

Charakteristik des Hauses

Das nach dem Konzept und den Ideen von Friedensreich Hundertwasser gestaltete, von Architekt Josef Krawina als Miturheber und von Architekt Peter Pelikan geplante, bunte und ungewöhnliche Haus hat in den Gangbereichen unebene Böden und ist üppig begrünt. Ungefähr 250 Bäume und Sträucher wurden im Jahr 1985 gepflanzt und sind mittlerweile durch die Pflege der Mieter und der Eigentümervertreter zu stattlichen Bäumen herangewachsen – ein echter Park auf den Dächern des Hauses.

Das Haus folgt nicht den üblichen Normen der Architektur. Hundertwassers Vorbilder sind deutlich ablesbar: unter anderem Antoni Gaudí, das Palais idéal des Ferdinand Cheval, die Watts Towers, die anonyme Architektur der Schrebergärten und jene der Märchenbücher. In dem Haus befinden sich 52 Wohnungen und vier Geschäftslokale, 16 private und drei gemeinschaftliche Dachterrassen.

Das Hundertwasserhaus war schon zur 20-Jahr-Feier des Hauses im September 2005 die viertgrößte Sehenswürdigkeit in Wien und Österreich.

„Ein Maler träumt von Häusern und einer schönen Architektur, in der der Mensch frei ist und dieser Traum wird Wirklichkeit.“

Hundertwasser

Andere Bauwerke von Hundertwasser

Der Künstler gestaltete etwa 40 Bauwerke, davon etliche Häuser, im Volksmund auch „Hundertwasserhaus“ genannt. Nur knapp 400 Meter vom Hundertwasserhaus in Wien entfernt, in der Unteren Weißgerberstraße 13, befindet sich das 1991 eröffnete und ebenfalls nach Entwürfen Hundertwassers und von Architekt Peter Pelikan geplante KunstHausWien.

Ähnliche Gebäude wurden in Zusammenarbeit von Friedensreich Hundertwasser mit den Architekten Peter Pelikan und Heinz M. Springmann unter anderem in Bad Soden am Taunus, Darmstadt (Waldspirale), Frankfurt am Main, Magdeburg (Grüne Zitadelle von Magdeburg), Plochingen (Wohnen unterm Regenturm), der Lutherstadt Wittenberg (Luther-Melanchthon-Gymnasium), Bad Blumau (Rogner Bad Blumau), Israel, der Schweiz, den Vereinigten Staaten, Osaka in Japan und Neuseeland verwirklicht.

Literatur

  • Friedensreich Hundertwasser: Das Hundertwasser-Haus. Österreichischer Bundesverlag, Wien 1985, ISBN 3-215-06160-0.
  • Robert Schediwy: Hundertwassers Häuser – Dokumente einer Kontroverse über zeitgemäße Architektur. Edition Tusch, Wien 1999, ISBN 3-85063-215-6.

Weblinks

 Commons: Hundertwasserhaus Wien – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hundertwasser Architektur, Für ein natur- und menschengerechteres Bauen. Taschen, Köln 2006, S. 70 f.
  2. Beide Briefe publiziert in: Das Hundertwasser Haus. ÖBV und Compressverlag, Wien 1985, S. 160 und 161
  3. Vgl. Abb. in: Das Hundertwasser Haus, 1985, S. 166-170
  4. Abb. in Hundertwasser Architektur, 2006, S. 73
  5. Die Presse: OGH: Hundertwasser-Haus ist auch von Josef Krawina, 16. Mai 2010
  6. OGH: 4Ob 195/09v, 11. März 2010
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