- Idilia Dubb
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Idilia Dubb, eine schottische Touristin aus Edinburgh, soll im Jahr 1851 auf einem der Türme der Burg Lahneck tragisch ums Leben gekommen sein.
Inhaltsverzeichnis
Vorgeschichte
Die 17-jährige Idilia Dubb war – nach der kursierenden Geschichte – mit ihren Eltern und zwei Geschwistern 1851 auf einer Rheinreise, die sie auch nach Koblenz führte. Nach der Übernachtung im Hotel, wanderten die Dubbs am folgenden Tag nach Lahnstein, wo sie im Wirtshaus an der Lahn in zwei Zimmern übernachteten. Allein unternahm Idilia dann später einen Ausflug zur damaligen Burgruine Lahneck, um kurz vor der geplanten Abreise noch eine Zeichnung von ihr anzufertigen, da es ihr Berufswunsch war, eine bekannte Malerin zu werden. Sie kletterte den überwucherten Burgweg hoch und stieg auf einen Turm der Burg Lahneck. Gerade als sie oben angekommen war, stürzte die Holztreppe, die wenige Jahre zuvor von Naturfreunden wegen der schönen Aussicht ins Lahntal hinein errichtet worden war, unter ihr ein. Aus rund 20 Metern Höhe sah sie keine Möglichkeit mehr, vom Turmplateau nach unten zu kommen. Idilia versuchte, sich bemerkbar zu machen, doch niemand nahm sie wahr, so dass sie auf dem Turmplateau verdurstete.
Im Jahr 1860 sollten Bauarbeiter einen Turm der Burg Lahneck wegen Baufälligkeit reparieren und entdeckten auf dem Turm ein Skelett. Die Identität der menschlichen Überreste war geklärt, als in einer Mauerscharte Idilia Dubbs Tagebuch entdeckt wurde. Auf halb vermoderten Seiten hatte Idilia ihre letzten Tage auf dem Turmplateau festgehalten.
Diese Geschichte wurde – zusammen mit den letzten Seiten des Tagebuchs – in zwei Nummern des Adenauer Kreis- und Wochenblatts am 26. Oktober und 2. November 1863 veröffentlicht[1]. Bis vor kurzem galten die Artikel als Beleg für die Authentizität der Geschichte. 2002 erschien außerdem im C. Bertelsmann Jugendbuchverlag eine übersetzte Veröffentlichung des angeblichen Originaltagebuches. Als Herausgeberin wird in dieser deutschsprachigen Ausgabe eine angebliche Freundin Idilias mit Namen Genevieve Hill genannt. Verschiedene – vor allem neuere – Recherchen deuten darauf hin, dass diese beiden einzigen Belege ohne Wert sind.
Die Fakten
Das Buch des Bertelsmann Verlages
In dieser Veröffentlichung existieren zwei Tagebücher: das erste größere enthält die Geschichte der Rheinreise bis zum Ausflug Idilias zur Burg Lahnstein, das zweite die letzten Seiten, ähnlich wie sie im Adenauer Kreis- und Wochenblatt zitiert wurden.
Der erste Band ist klar als Fiktion eines evtl. weitaus kleineren Tagebuches zu bezeichnen. Die ansonsten genauen Beschreibungen der Landschaft und Zeit wie z.B. Nennung der Namen vom Pfarrer, Fährmann, Wirtshäusern in Oberlahnstein sowie den zwei baufälligen Türmen der Ruine Johanniskirche an der Lahnmündung[2] - die nur der Idilia Dubb bekannt gewesen sein konnten - enthalten trotzdem einige Fehler und Unkorrektheiten. Genannt sei hier nur die Erwähnung einer Eisenbahn, wie sie an dieser Rheinstrecke als Lahntalbahn erst 1858 - also erheblich später - gebaut wurde. Dem zweiten Tagebuchband im Buch lässt sich an Fakten wenig entnehmen, es fällt aber auf, dass das Buch anfangs die Version des Adenauer Kreis- und Wochenblatts wortwörtlich abdruckt, dann aber am Ende des Buches davon etwas abweicht. Die beiden einzigen Abbildungen, die von diesem zweiten Band veröffentlicht wurden, erscheinen zweifelhaft. Der Zustand des Einbands auf dem ersten Foto[3] passt nicht zur Beschreibung des aufgefundenen Tagebuches – er ist zu gut erhalten. Das Foto[4] des aufgeschlagenen Buches mit den letzten Seiten enthält eine Datierung nach Tagen sowie den Begriff "meine Geliebten, mein Vater, meine Mutter, ...". Erstere Worte finden sich in der Erstveröffentlichung im Wochenblatt nicht, wobei aber "my beloved" im Buch falsch als "mein Geliebter" in der deutschen Ausgabe übersetzt wird, was zur Liebesgeschichte des ersten Tagebuchbandes passt.
Die beiden Artikel
In der Einleitung wird erwähnt, dass es zahlreiche Veröffentlichungen in regionalen Zeitungen sowie einen Abdruck der letzten Seiten des Tagebuches in der Times gegeben habe. Vielfältige Recherchen konnten dies bisher nicht verifizieren. Auch die Namen der Familienmitglieder und der genannten Freundinnen erscheinen weder im Geburts- noch im Todesregister Edinburghs, die in der offiziellen Regierungsquelle zu genealogischen Daten Schottlands zugänglich sind.
Auch die in den Artikeln enthaltenen Beschreibungen zum Aussehen des Turmes passen nicht zur Realität. Ein Turm sollte wegen Baufälligkeit abgetragen werden. Der 28 m hohe Bergfried war - im Gegensatz zu einigen wesentlich niedrigeren in den verfallenen Zwingermauern - noch fast vollständig erhalten. Er hatte aber – wie für Bergfriede üblich – keinen ebenerdigen Zugang. Die Treppen in den oberen Stockwerken sind in Gewölben im Inneren der Außenmauer angelegt, so dass sie wohl erhalten waren. Zumindest kann dort von einem Zusammenbrechen auf einen Schlag keine Rede sein.[5] Neue Bauuntersuchungen zeigen außerdem, dass der Zugang zum Turm wesentlich früher als 1860 erfolgt sein muss. Als erstes wurde beim Wiederaufbau im 19. Jahrhundert ein Gebäude zwischen Außenmauer und Bergfried neu errichtet, welches einen Zugang zu diesem erhielt. Dendrochronologische Untersuchungen weisen als Baujahr die Jahre 1853–55 aus. Außerdem hätten einige nach Jahrhunderten lose herabfallende Steine die Bauarbeiter getötet und er muss daher als allererste Baumaßnahme gesichert worden sein. Eher kommt evtl. der damals noch gut erhaltene und schlanke Nord-West-Turm hierfür in Frage, der - direkt am Abhang abseits der Burg stehend[6] - eine gute Aussicht über das Lahntal bietet und in dem sich nach dem Wochenblatt die zusammengebrochene Holzwendeltreppe befunden haben soll.[7]
Authentizität
In den bisher durchgeführten Recherchen ließen sich wenige Beweise für die Authentizität ermitteln. Somit sprechen die oben aufgeführten Fakten momentan für eine moderne Sage, die erst 1863 durch die Artikel des Adenauer Kreis- und Wochenblattes in Umlauf gebracht wurde.
Literatur
Veröffentlichungen
- Eine kritische Rezension zu dem herausgegebenen Tagebuch findet sich im ZEIT-Artikel von Karla Schneider 2003 [8].
- Eine ausführlichere Version der Fakten wurde in den Beiträgen zur Rheinkunde Nr. 58 des Koblenzer Rheinmuseums unter dem Titel Der Tod der Idilia Dubb – Wahrheit oder Legende veröffentlicht. ISSN 0408-8611
Bücher
- Der Schriftsteller Wilhelm Schäfer verarbeitet das Schicksal der Idilia Dubb in seiner Novelle Das fremde Fräulein [9]. (Das fremde Fräulein und andere Anekdoten. ISBN 3-15-007786-9)
- Idilia Dubbs Tagebuch wurde zuerst aus dem Englischen übersetzt unter dem Titel „Idilia Dubbs dagbok“ in Schweden im Jahr 2001 veröffentlicht (ISBN 9188877434, als Taschenbuch 2002, ISBN 9189646029), mit dem gleichen Titel „Idilia Dubbs dagbog“ in Dänemark 2002 (ISBN 8702011247), in Deutschland 2002 unter „Das verschwundene Mädchen“ (ISBN 3570127451) sowie 2006 als Taschenbuch (ISBN 978-3-570-30274-3), in Norwegen im Jahre 2004 unter "Idilia Dubbs dagbok" (ISBN 82-03-24435-1) , 2009 in den Niederlanden unter „Het dagboek van Idilia“ (ISBN 9789049951245), und 2010 der englische Originaltext „The Diary of Miss Idilia“ (ISBN 9781906021818).
Spielfilme
- Seit 2007 sind zwei Filmprojekte dazu in Entwicklung: Filmbit.de aus Deutschland hat mit Das Fräulein auf dem Turm eine eigenständige 110-minütige Verfilmung geplant, die sich weniger am Buch, als an den historischen Gegebenheiten orientiert – die deutsche Schauspielerin Ivonne Polizzano ist hierbei für die Hauptrolle vorgesehen. Auch beim schwedischen Sonet Film ist eine Produktion unter dem Titel Miss Idilia in Entwicklung, die allerdings stärker an das von Genevieve Hill veröffentlichte Tagebuch angelehnt ist, dessen Rechte sowie alle originalen Unterlagen Sonet-Film aufgekauft hat.
Oper
- Der Komponist Mark Moebius machte aus dem Schicksal der Idilia Dubb eine Kammeroper, die in drei Teilen die letzten Tage der Idilia Dubb vertont. Wachszenen wechseln darin mit Traumsequenzen des immer weiter ermattenden Mädchens.
Einzelnachweise
- ↑ Originale nicht nur im Aushang der Burg Lahneck, sondern auch in der Universitätsbibliothek Bonn erhalten
- ↑ Johanniskirche 1842, Nordturm hier links, Blick von Stolzenfels auf die Johanniskirche, 1842 und Johanniskirche 1854, der hier rechte Nordturm war 1844 eingestürzt und ist nun eine sichtbare Bauruine, die erst ab 1856 entfernt wurde.
- ↑ Foto des Einbands 2. Tagebuch letzte Tage: das Ausrufezeichen wurde in das weiße Papier eingeritzt, so dass dadurch der schwarzer Einbanddeckel als Ausrufezeichen durchschaut !!
- ↑ Original Tagebuch der letzten 2 Tage
- ↑ Zeichnung des inneren Bergfrieds mit oben 3 Meter hoher unüberwindbarer Mauer
- ↑ Photo: NW-Turm hier ganz rechts
- ↑ Henriette von Preuschen: Exploring Burg Lahneck,(pdf, in Englisch) und Ferdinand von Quast: Grundriss der Burg vor der Wiederherstellung im Jahr 1854; NW-Turm ist hier ganz unten rechts eingezeichnet
- ↑ ZEIT-Artikel
- ↑ http://www.lahnsteiner-altertumsverein.de/1911.html
Weblinks
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