Ilan Halimi

Ilan Halimi

Ilan Halimi (* 11. Oktober 1982; † 13. Februar 2006) war ein französischer Jude marokkanischer Herkunft.[1] Er wurde am 21. Januar 2006 von einer Gruppe muslimischer Einwanderer über einen Zeitraum von drei Wochen zu Tode gefoltert. Der Mord verursachte einen öffentlichen Aufschrei der Empörung in Frankreich.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ilans Mutter Ruth Halimi wuchs in Casablanca (Marokko) auf. Die Familie lebt in Paris. Ilan arbeitete zuletzt als Handyverkäufer. Ruth Halimi veröffentlichte ein Buch, in welchem sie das 24-tägige Martyrium ihres Sohns schilderte.[2]

Ablauf des Verbrechens

Am 21. Januar wurde der 23jährige Halimi von einer 17jährigen französisch-iranischen Frau, Yalda, zu einem Komplex in den Pariser Banlieues, den Pariser Vororten, gelockt. Dort wurde Halimi von einer Jugendgang überwältigt und für 24 Tage gefangen gehalten. Während dieser Zeit folterten ihn seine Entführer, indem sie ihn mit Messern stachen und sein Gesicht und seinen Körper mit Zigaretten verbrannten. Sie wollten unter anderem ein Lösegeld von 450.000 Euro von seiner Familie erpressen.

Halimi war nackt und festgebunden. Einmal kippten seine Entführer entflammbare Flüssigkeiten auf ihn und entzündeten sie. Nachbarn, Freunde und Bekannte wußten davon, bewachten das Opfer, einige kamen vorbei und sahen den Folterungen zu oder beteiligten sich sogar daran, wie der Prozess ergab. Niemand von ihnen informierte die Behörden.

Am 13. Februar wurde Halimi in der Nähe einer Eisenbahnstrecke in einem Pariser Vorort gefunden. Er war nackt mit Handschellen an einen Baum gefesselt. Seine Haut war zu 80% mit Säure verätzt (vermutlich um Spuren seiner Entführer zu vernichten). Er hatte zahlreiche Stichwunden. Ein Ohr sowie ein Zeh waren ihm abgetrennt worden. Auf dem Weg zum Krankenhaus erlag Halimi seinen Verletzungen.

In den folgenden Tagen nahm die französische Polizei 21 Verdächtige in Verbindung mit dem Verbrechen fest, unter ihnen die Frau, die als Lockvogel gedient hatte. Der mutmaßliche Anführer der Gruppe, Youssouf Fofana, floh in das Land seiner Eltern, die Elfenbeinküste, wo er am 23. Februar festgenommen wurde. Fofana wurde am 4. März 2006 nach Frankreich ausgeliefert.

Die Entführer

Ein Großteil der Gruppe, die Halimi entführte und sich "die Barbaren" nannte, war muslimisch. Die bisher Festgenommenen sind hauptsächlich arbeitslose Kinder von Immigranten aus afrikanischen Staaten. Insgesamt sind 21 Menschen verdächtigt, von denen 14 in Haft sind. Von ihnen sind 11 wegen Entführung und Mord angeklagt.

Judenhass als Motiv

Dem damaligen Innenminister Nicolas Sarkozy zufolge gaben Mitglieder der Gruppe zu, dass ihr Glauben an den allgegenwärtigen „jüdischen Reichtum“ sie dazu brachte, es auf verschiedene Juden abzusehen;[3] schließlich traf es Halimi. Ihre Wahl stand jedoch in Kontrast zu den tatsächlichen Verhältnissen der Familie Halimi, die in einem derselben Vororte wohnte wie die Entführer. Berichten zufolge fand die Polizei bei der Festnahme eines Beschuldigten islamisch-fundamentalistische und pro-palästinensische Literatur. Halimis Onkel Rafi berichtete Reportern, dass in einigen Anrufen der Entführer bei der Familie des Opfers antisemitische Koranverse rezitiert wurden; etwa jene, die Juden als Affen und Schweine betiteln oder Juden als Feinde Allahs diffamieren. Begleitet wurde das Ganze von den Schreien des Gefolterten, die aus dem Hintergrund zu hören waren.[4]

Der französische Premierminister Dominique de Villepin erklärte, dass das „abscheuliche Verbrechen“[5] antisemitisch sei und Antisemitismus in Frankreich nicht akzeptiert werde.[4]Im Prozess wetterte Fofana gegen das "Weltjudentum".[6]

Reaktionen in Frankreich

Der Fall fand in den französischen Medien und in der französischen Öffentlichkeit ein enormes Echo. Sechs französische Vereinigungen riefen zu einer Massendemonstration gegen Rassismus und Antisemitismus in Paris am 26. Februar 2006 auf. Nach Polizeiangaben nahmen 33.000 Menschen daran in Paris teil sowie tausende weitere im ganzen Land. Es waren auch Personen des öffentlichen Lebens wie Nicolas Sarkozy, Jean-Marie Lustiger und Lionel Jospin anwesend. Der rechte Politiker Philippe de Villiers wurde von linken Demonstranten ausgebuht und musste die Demonstration unter Polizeischutz verlassen.[7]

Prozess gegen die Täter und Strafverfolgung des Lockvogels Yalda

Am 29. April 2009 begann der Prozess gegen die Mörder Halimis vor dem Pariser Geschworenengericht. Entgegen dem Wunsch der Mutter des Opfers wurde der Prozess nicht öffentlich geführt.[8] Der Anführer der Bande, Youssouf Fofana, erhielt lebenslange Haft, andere Mitglieder der Bande erhielten jahrelange Haftstrafen, darunter die damals 17-jährige Yalda Sorour Arbabzadeh, welche als Lockvogel gedient hatte. Sie erhielt 9 Jahre Haft.

Arbabzadeh kam Ende 2010 wieder in die Schlagzeilen, weil der Direktor des Versailler Frauen-Gefängnisses, in dem sie einsaß, Florent Goncalves, eine Affäre mit ihr begann, worauf ein Untersuchungsverfahren gegen ihn eröffnet wurde. Für Arbabzadeh, die von ihm erhebliche Privilegien erhielt, gibt es nunmehr wenig Aussicht auf vorzeitige Entlassung.[9]

Am 25. Oktober 2010 wurde vor dem Jugend-Schwurgericht des Départements Val-de-Marne das Revisions-Verfahren im Fall Halimi eröffnet.[10]

Literatur

  • Elsa Vigoureux: L'Affaire du gang des barbares. Flammarion, Paris 2010 ISBN 2081240270 In franz. Sprache

Medienberichte

  • Stefan Ulrich: Yalda, der Lockvogel. ... 22jährige (löst) durch ihre Liaison mit einem Gefängnisdirektor einen Skandal aus. SZ, #11. 14. Januar 2011, S. 12 [11]

Auf Englisch:

Auf Französisch:

Zum Gedenken an Ilan Halimi

Weblinks

L'Affaire du gang des barbares In franz. Sprache, ausführlich, Literaturangaben

Einzelnachweise

  1. Townhall.com::The rising tide of anti-Semitism::By Suzanne Fields
  2. taz, 30. April 2009 (Prozessbericht)Provokationen zum Auftakt
  3. http://www.timesonline.co.uk/article/0,,13509-2054882,00.html
  4. a b Nidra Poller: The Murder of Ilan Halimi. The Wall Street Journal. Abgerufen am 23. März 2007.
  5. Sebastian Rotella: Anti-Semitism Is Alleged in French Torture-Killing. The World S. A.3. The Los Angeles Times. Abgerufen am 23. März 2007.
  6. SZ aaO. 2011
  7. „Demonstrationen gegen Antisemitismus in Frankreich“, NZZ, 27. Feb. 2009
  8. http://www.netzeitung.de/politik/ausland/1341879.html
  9. Stefan Ulrich: Yalda, der Lockvogel. Süddeutsche Zeitung 14. Januar 2011 & L'amour fou d'un directeur de prison pour une détenue. Le Figaro 13. Januar 2011.
  10. Le Nouvel Observateur: „Procès du "gang des barbares" : les débats ne seront pas publics“
  11. mit Gerichtszeichnung: Portrait der "Yalda", sowie Einzelheiten zu den Umständen, warum sie Iran verließ, unter welchen Umständen sie danach in Paris lebte und u.a. Opfer einer Gruppenvergewaligung wurde. Online siehe Anmerkung



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