Invalidenversicherung (Schweiz)

Invalidenversicherung (Schweiz)

Die schweizerische Invalidenversicherung (IV) ist eine staatliche und obligatorische Sozialversicherung. Sie gehört zur 1. Säule des Drei-Säulen-System in der Schweiz. Ihr Ziel ist es, Versicherten bei Eintritt von Invalidität mittels Eingliederungsmassnahmen in den Arbeitsmarkt oder finanziellen Leistungen die Existenzgrundlage zu sichern. Das Bundesgesetz über die Invalidenversicherung (IVG), das sich auf die Artikel 111 und 112 der Bundesverfassung stützt, enthält die gesetzlichen Grundlagen für die Invalidenversicherung.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung und Geschichte

Im Jahr 1925 stimmte das Schweizer Stimmvolk einer Volksinitiative für eine Invaliditäts-, Alters- und Hinterlassenenversicherung (AHV) die einen neuen Verfassungsartikel zur Schaffung einer Alters- und Invalidenversicherung zu.

Auf den 1. Januar 1960 trat das Bundesgesetz über die Invalidenversicherung in Kraft. Seither wurde es in den Jahren 1967, 1986, 1991, 2003 und 2008 in grösserem Umfang revidiert. Letztmals wurde es mit der 5. IV-Revision [1] überarbeitet, welche per 1. Januar 2008 in Kraft getreten ist. Hauptmerkmale der Revision waren die Abschaffung der laufenden Zusatzrenten für verheiratete Rentenbezüger sowie die Einführung neuer Instrumente zur raschen und nachhaltigen Wiedereingliederung von arbeitsunfähigen Personen. Auf den 1. Januar 2012 soll das erste Massnahmenpaket der 6. IVG-Revision in Kraft treten [2]. Die Botschaft zum 2. Massnahmenpaket unterbreitete der Bundesrat dem Parlament im Mai 2011.[3]

Am 27. September 2009 haben Volk und Stände der "Eidgenössische Abstimmung über die befristete Zusatzfinanzierung der Invalidenversicherung" zugestimmt. Der Normalsatz der Mehrwertsteuer beträgt damit von 2011 bis 2017 befristet 8,0 %, der reduzierte Satz 2,5 % und der Sondersatz für Beherbergungsdienstleistungen 3,8 %.[4][5]

Organisation

Das IVG ist ein Bundesgesetz, die Durchführung und der Vollzug obliegt jedoch den einzelnen Kantonen. Dafür hat jeder Kanton eine entsprechende IV-Stelle geschaffen[6] Aufgrund der kantonalen Praxis bei der Durchführung sowie infolge unterschiedlicher Ausübung des Ermessensspielraums beim Vollzug kann es im Einzelfall kantonale Unterschiede bei der Anspruchsberechtigung geben. Die Invalidenversicherung weist weitgehend die gleiche Struktur wie die AHV auf, mit der sie auch organisatorisch eng verbunden ist.

Versicherte und Beiträge

Die Versicherungspflicht und die Beitragspflicht ist identisch mit jener der Alters- und Hinterlassenenversicherung. Die Beitragshöhe beträgt 1,4 % des Lohnes, wobei mindestens die Hälfte wieder vom Arbeitgeber übernommen wird.

Leistungen

Eingliederungsmassnahmen

Die IV hat den Auftrag Invalide und von Invalidität bedrohte Personen wieder in den Arbeitsprozess einzugliedern. Dazu stehen ihr eine Reihe von Eingliederungsmassnahmen zur Verfügung. Dies können Umschulungen sein, aber auch Weiterbildungskurse, Einarbeitungszuschüsse, Berufspraktika oder Hilfsmittel. Der Anspruch hängt vom konkreten Einzelfall ab und von der Auswirkung der entsprechenden Massnahme auf die Erwerbsfähigkeit.

Renten

Eine Rente wird nur ausrichtet wenn nach Abschluss der Eingliederungsmassnahmen eine mindestens 40%ige Invalidität vorliegt.[7] Der Invaliditätsgrad bemisst sich, indem das Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) mit dem Einkommen, welches mit Invalidität nach Abschluss allfälliger Eingliederungsmassnahmen zumutbarerweise noch erzielt werden kann (Invalideneinkommen), verglichen wird. Die daraus resultierende Erwerbseinbusse in Prozent entspricht dem Invaliditätsgrad (100 /Erwerbseinbusse xValideneinkommen = Invaliditätsgrad).

Bei Personen die vor dem Eintritt der Invalidität nicht erwerbstätig waren, wird der Invaliditätsgrad aufgrund der Einschränkung im Haushalt ermittelt. Dazu ist eine Abklärung im Haushalt der versicherten Person notwendig, bei der die Abklärungsmitarbeiter der IV-Stellen den Aufgabenbereich, wie er vor Eintritt der Invalidität war, detailliert erheben. Aufgrund der Ergebnisse der Abklärung im Haushalt und einer vertrauensärztlichen Beurteilung des Berichts wird der Invaliditätsgrad festgelegt.

Bei teilerwerbstätigen Personen erfolgt die Bemessung des Invaliditätsgrads nach der sogenannt gemischten Methode. Dabei werden zwei Invaliditätsgrade errechnet. Einer für den Teil Erwerb und einer für den Teil Haushalt. Diese werden dann entsprechend Ihrem Anteil miteinander verrechnet.

Berechnung der IV-Rente

Die Höhe einer IV-Rente von drei Faktoren abhängig; vom Grad der Invalidität, von der Anzahl geleisteter Beitragsjahre und vom durchschnittlichen Jahreseinkommen. Die maximale IV-Rente beträgt im Jahr 2011 Fr. 2320 pro Monat. Bei einem Invaliditätsgrad von 40-49% wird eine Viertelsrente, von 50-59% eine halbe Rente, von 60-70% eine Dreiviertelsrente und von 70%-100% eine ganze Rente ausgerichtet. Nachdem die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad ermittelt hat, erfolgt die Berechnung und Auszahlung der Rente durch die AHV-Ausgleichskasse.

Bezüger von IV-Renten, deren Rente zusammen mit anderen Versicherungsleistungen und einem allfälligen Erwerbseinkommen nicht für den Lebensunterhalt ausreicht, werden mit Ergänzungsleistungen unterstützt.

Weitere Leistungen

Die IV finanziert auch Hilfsmittel, Hilflosenentschädigungen und medizinische Kosten durch Geburtsgebrechen wie zum Beispiel angeborene Herzfehler. Die medizinischen Kosten für Geburtsgebrechen werden nur übernommen, wenn sie in der Geburtsgebrechenverordnung (GGV)[8] aufgeführt sind. Die Leistungen werden zudem nur bis zum Erreichen des 20. Lebensjahr ausgerichtet. [9]. Auch für Hilfsmittel gibt es eine entsprechende Verordnung mit Anhang[10], in der die Anspruchsvoraussetzungen definiert werden und sämtliche Hilfsmittel aufgelistet sind. Diese werden leihweise oder zu Eigentum abgegeben. Die Dauer des Anspruchs ist nicht beschränkt solange die Voraussetzungen weiterhin erfüllt sind.

Statistik zu den Leistungen

Die Invaldienversicherung zählte 2010 450’000 LeistungsbezügerInnen (250’000 Männer und 200’000 Frauen). Von diesen hatten rund 420’000 ihren Wohnsitz in der Schweiz. 2010 wurden 280’000 Invalidenrenten ausbezahlt. Drei Viertel davon waren ganze IV-Renten. Hauptursache für die IV-Renten waren Krankheiten, insbesondere psychische Erkrankungen (191’000 Personen) sowie Geburtsgebrechen (29’000) und Unfälle (21’000). [11]

Finanzierung

Die Finanzierung erfolgt hauptsächlich über einkommensabhängige Beiträge der Versicherten. Weitere Finanzierungsquellen sind Beiträge des Bundes, Einnahmen aus der Alkohol- und Tabaksteuer, der Mehrwertsteuer und Erträge aus der Spielbankenabgabe.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Informationen über die 5. IV-Revision
  2. Informationen über die 6. IV-Revision/
  3. Medienmitteilung zur 6. IV-Revision, 2. Massnahmenpaket: letzter Schritt zur nachhaltigen Sanierung der Invalidenversicherung, BSV, 13. Mai 2011
  4. Abstimmung 27.09.09: IV-Zusatzfinanzierung durch befristete MwSt-Erhöhung
  5. Abstimmungsergebnisse
  6. http://www.admin.ch/ch/d/sr/831_20/a54.html
  7. Artikel 28 im IV-Gesetz
  8. Verordnung über Geburtsgebrechen
  9. Artikel 13 des eidgenössischen IV-Gesetz
  10. http://www.admin.ch/ch/d/sr/831_232_51/index.html
  11. http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/news/publikationen.Document.143813.pdf IV-Statistik 2010, S. 1

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