Jacob Gilardi

Jacob Gilardi

Die Firma Jacob Gilardi war eine der ältsten Firmen für Leonische Waren in Deutschland. Sie war von 1689 bis 2006 in Allersberg, Mittelfranken, ansässig. Bis heute existiert am Allersberger Marktplatz ein markantes Palais der Barockzeit.

Inhaltsverzeichnis

Familien Heckel und Gilardi: 1689-1892

Die Firma Gilardi wurde von Johann Georg Heckel im Jahre 1689 gegründet und von dem Mailänder Giacomo (Jacob) Gilardi, der Heckels Witwe Sybilla nach dessen Tod heiratete, ab 1708 weitergeführt. Gilardi ließ 1723 das nach ihm benannte Palais sowie die dazugehörige Fabrik von Gabriel de Gabrieli bauen.[1] Die Firma Gilardi war zu dieser Zeit eine der bedeutendsten leonischen Manufakturen und exportierte ihre Waren weltweit. 1756 wurde ihr die Reichsritterschaft zuteil.[2] Nachkommen der Gilardis, die Familie Siegert, führten die Firma noch bis zur Insolvenz im Jahre 1892.

1894 bis heute: Familien Geiershoefer und Schulenburg und danach

Im Jahre 1894 wurde die Firma von der Familie Geiershoefer aus Nürnberg erworben. Unter der Leitung von Otto Geiershoefer, der die Firma 1904 von seinem Bruder Anton als Alleineigentümer übernahm, wurde vor allen Dingen Christbaumschmuck aus leonischen Drähten hergestellt. Als Otto Geiershoefer 1936 starb, ging die Firma in den Besitz seiner Witwe Else über und deren Sohn Erik wurde Geschäftsführer.

Im nationalsozialistischen Deutschland wurde die Familie Geiershoefer, die jüdischer Abstammung ist, 1938 im Zuge der Arisierung von der Kreisleitung der NSDAP zwangsenteignet. Diese veräußerte die Firma an den Weissenburger Nazi Hermann Gutmann. Erik Geiershoefer konnte mit seiner Frau Magda und Tochter Susanne nach England fliehen, seine Mutter Else wurde in das Ghetto Lodz verschleppt, wo sie umkam.[3] Nach dem Ende des Zweiter Weltkrieges kehrte Erik Geiershoefer 1946 mit seiner Familie nach Allersberg zurück und begann mit dem Wiederaufbau des Betriebes und der teilweise schwer zerstörten Gebäude. Die Firma war bald wieder auf den großen Messen in Nürnberg, Leipzig und Frankfurt vertreten, lieferte in alle Welt und beschäftigte über 50 Mitarbeiter.

Als Erik Geiershoefer 1971 starb, übernahmen seine Tochter Susanne und deren Mann Helmut Schulenburg die Geschäftsführung. Das Sortiment der Firma bestand nun größtenteils aus Girlanden und Dekorationen aus PVC. ‘Großmutters Christbaumschmuck’ wurde weiterhin, vor allem in Heimarbeit, hergestellt. Auch wurden viele Tonnen Stanniol-Lametta jährlich abgepackt und Metalltopfreiniger hergestellt. In den Jahren 1978/79 erfolgte eine zweite umfassende Restaurierung des Gilardihauses unter Mitarbeit des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege. Seit 1996 wohnt die Familie Schulenburg in England, von wo aus sie die Firma, bis deren Schließung im Jahre 2006, weiterführte. Die Gebäude wurden an die Gemeinde verkauft.

Heute bemüht sich der Förderverein Gilardi-Anwesen Allersberg gemeinsam mit der Gemeinde um eine angemessene zukünftige Nutzung des über 3.000 Quadratmeter großen Grundstücks. Die Umbauten sollen 2013 beginnen, rund fünf Jahre dauern und etwa 7,5 Millionen Euro kosten.[4]

Die Gilardistraße erinnert an den ehemaligen Eigentümer der Firma.

Literatur

  • 'Dokument 192: Erik und Magda Geiershoefer aus Allersberg schildern wie NSDAP-Funktionäre ihren Besitz vereinnahmen.' In Susanne Heim (Bearbeiter): Die Verfolgung und Ermordung der europäischen Juden durch das nationalsozialistische Deutschland 1933-1945. Bd. 2: Deutsches Reich 1938-August 1939. Oldenbourg Wissenschaftsverlag, München 2009, - 864 S. - ISBN 978-3-486-58523-0
  • Daniel Rehm: Else Geiershoefer - Ein Schicksal in schwerer Zeit. In 125 Jahre St. Gertrud, Hamburg. Geschichtswerkstatt St. Gertrud, Hamburg 2010, - 130 S.
  • Ralf Rossmeissl und Konrad Bedal: "Glanz & Glitzer", Lametta - Christbaumschmuck aus Roth & Allersberg. In Schriften und Kataloge des Fränkischen Freilandmuseums. Bd. 39. Verlag Fränkisches Freilandmuseum, Bad Windsheim 2002, - 176 S. - ISBN 3-926834-53-6
  • Robert Unterburger: Lebensbilder aus acht Jahrhunderten - 100 Persönlichkeiten aus dem Landkreis Roth. Verlag Dr. Faustus, Büchenbach 2001, - 219 S. - ISBN 3-9801169-9-9

Einzelnachweise

  1. Seite des Fördervereins Gilardi-Anwesen Allersberg, abgerufen am 6. September 2011
  2. Angabe auf der Seite der Marktgemeinde Allersberg, abgerufen am 6. September 2011
  3. Genealogische Seite des Museum of Jewish Heritage in New York, abgerufen am 6. September 2011
  4. nach Angaben der Gemeinde vom September 2011

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