Jan Tomasz Gross

Jan Tomasz Gross

Jan Tomasz Gross (* 1. August 1947 in Warschau) ist ein US-amerikanischer Historiker und Soziologe polnisch-jüdischer Herkunft.


Inhaltsverzeichnis

Leben

Jan Tomasz Gross wurde am 1. August 1947 als Sohn von Hanna geb. Szumańska und Zygmunt Gross, eines Holocaustüberlebenden und PPS-Mitglied, der von Polen versteckt und so gerettet wurde, geboren.[1]

Gross studierte Physik an der Universität Warschau und wurde infolge der März-Unruhen 1968 in Polen von der Uni verwiesen und fünf Monate inhaftiert. Es kam auch zu antisemitischen Übergriffen und Massenentlassungen von Juden. Fast alle Juden verließen daraufhin das Land. Aufgrund seiner jüdischen Abstammung (väterlicherseits) durfte er ausreisen und lebt seit 1969 in den USA, deren Staatsbürgerschaft er später erwarb.[2] 1975 promovierte er in Soziologie an der Yale University, wo er anschließend auch lehrte. 1992 wechselte er auf einen Lehrstuhl für Politikwissenschaft in New York.

Von 1994 bis 1998 war er Chefredakteur der Zeitschrift East European Politics and Societies, später begründete er die Vierteljahrsschrift Aneks mit. Seit 2003 lehrt er Geschichte in Princeton. Gross verfasste eine Reihe von Arbeiten zur Geschichte Polens im Zweiten Weltkrieg.

Der Verdienstorden der Republik Polen wurde ihm 1996[3] verliehen, für Verdienste um die Verständiguing zwischen Polen und anderen Nationen. Er war außerdem Senior Fulbright Research Fellow, John Simon Guggenheim Memorial Foundation Fellow und Rockefeller Humanities Fellow.

Seit 2003 hat Gross eine Geschichts-Professur an der Princeton University inne.

Kontroversen in Polen

International bekannt wurde er durch sein Buch Nachbarn aus dem Jahre 2001, in dem er für eine breitere Öffentlichkeit erstmals die pogromartige Ermordung der jüdischen Einwohner der Gemeinde Jedwabne durch ihre polnischen Mitbürger im Jahre 1941 beschrieb. Das Buch löste eine hitzige Debatte vor allem in Polen aus und führte zu einer teilweisen Umprägung des weit verbreiteten Geschichtsbildes, dass die Polen immer nur Opfer gewesen seien.

In seinem Buch „Fear: Anti-Semitism in Poland After Auschwitz” (deutsch: „Angst. Antisemitismus in Polen nach dem Krieg. Geschichte eines moralischen Niedergangs”) beschreibt er den polnischen Antisemitismus in den Jahren 1945–46. Er konzentriert sich vor allem auf das Pogrom von Kielce am 4. Juli 1946, in dem 42 Personen ermordet wurden, beschreibt aber auch andere Orte, an denen Juden nach dem Krieg umgebracht wurden, zum Beispiel Krakau.[4][5]

Titel und Inhalte des englischen Originals und der polnischen bzw. deutschen Übersetzung unterscheiden sich angeblich teils mehr als nötig. In der polnischen Version, bei der der Autor davon ausgegangen sei, dass die Leser die Geschichte ihres Heimatlandes kennen, würde im ersten Kapitel besonders herausgestellt, dass der polnischen Bevölkerung die Verbrechen der Einsatzgruppen wohlbekannt waren, da teils direkt vor ihren Augen begangen. In einem Gespräch mit Deborah Lipstadt bei YIVO am 8. Mai 2008 habe Gross angegeben, er würde dies nun anders handhaben.

Das polnische Parlament reagierte auf das Buch mit der Verabschiedung der sog. „Lex Gross” im Jahr 2006. In dem erweiterten Paragrafen 132a des Strafgesetzbuches werden seitdem jedem bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe angedroht, der „öffentlich die polnische Nation der Teilnahme, Organisation oder Verantwortung für kommunistische oder nationalsozialistische Verbrechen bezichtigt.”[6]

Werke

  • Jan T. Gross: Polish Society Under German Occupation - Generalgouvernement, 1939-1944. Princeton, NJ: Princeton University Press 1979
  • Jan T. Gross: W czterdziestym nas matko na Sybir zesłali .... London: Aneks 1984
  • Revolution from Abroad (1988)
    • dt.: Und wehe, du hoffst ...: Die Sowjetisierung Ostpolens nach dem Hitler-Stalin-Pakt; 1939-1941, Freiburg (u.a.) 1988
  • Jan T. Gross: Upiorna dekada, 1939-1948. Trzy eseje o stereotypach na temat Żydów, Polaków, Niemców i komunistów. Kraków: Universitas 1998
  • Jan T. Gross: Studium zniewolenia. Kraków: Universitas 1999
  • "Lato 1941 w Jedwabnem. Przyczynek do badan nad udzialem spolecznosci lokalnych w eksterminacji narodu zydowskiego w latach II wojny swiatowej," in Non-provincial Europe, Krzysztof Jasiewicz ed., Warszawa - London: Rytm, ISP PAN, 1999, pp. 1097-1103
  • Jan T. Gross: The Politics of Retribution in Europe: World War II and Its Aftermath. Princeton, NJ: Princeton University Press 2000
  • Jan T. Gross: Neighbors: The Destruction of the Jewish Community in Jedwabne, Poland. Princeton, NJ: Princeton University Press 2001, ISBN 0-14-200240-2
    • dt.: Nachbarn: der Mord an den Juden von Jedwabne, München 2001
    • poln.: online
  • Jan T. Gross: Revolution from Abroad. The Soviet Conquest of Poland’s Western Ukraine and Western Belorussia.. Princeton: Princeton University Press 2003, ISBN 0-691-09603-1
  • Jan T. Gross: Wokół Sąsiadów. Polemiki i wyjaśnienia (auf Polish). Sejny: Pogranicze 2003, ISBN 8386872489
  • Jan T. Gross: Fear: Anti-Semitism in Poland After Auschwitz. Random House 2006, ISBN 0-375-50924-0[1]
    • Angst. Antisemitismus in Polen nach dem Krieg. Geschichte eines moralischen Niedergangs. Über das Pogrom von Kielce
    • Original: Fear: Anti-Semitism in Poland After Auschwitz. Random House, 2006 (ISBN 978-0-375-50924-7 engl. - nicht auf dt.)
    • Poln: Strach: Antysemityzm w Polsce tuż po wojnie. Historia moralnej zapaści. Krakau, 2008 (ISBN 978-83-240-0876-6)

Siehe auch die Artikel der englischsprachigen Wikipedia:

  • en:Neighbors: The Destruction of the Jewish Community in Jedwabne, Poland
  • en:Fear: Anti-Semitism in Poland after Auschwitz

Weblinks

Fußnoten

  1. Oko w oko z tłuszczą, Rzeczpospolita, (polnisch)
  2. Seite zu Jan T. Gross bei der Princeton University
  3. Bucerius Institute for Research of Contemporary German History and Society, University of Haifa, Israel
  4. Marta Kijowska: Schocktherapie statt Rekonvaleszenz. In Neue Zürcher Zeitung vom 26. Januar 2008
  5. Kollaboration durch Nichtstun. St. Galler Tagblatt, 25. Jan. 2008
  6. Alice Bota: Ganz ohne Scham. Ein Buch wirft Polen vor, nach Kriegsende 1500 Juden getötet zu haben., in: Die Zeit, Ausgabe Nr. 5 vom 24. Januar 2008, S. 9

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