Ammonios Sakkas

Ammonios Sakkas

Ammonios Sakkas († 242 oder 243 in Alexandria in Ägypten) war ein Philosoph in der platonischen Tradition und Gründer einer Schule, aus deren Lehren die heute mit dem modernen Begriff Neuplatonismus bezeichnete Richtung des Platonismus entstanden ist. Sein griechischer Beiname Sakkas (σακκᾶς sakkâs) geht nach einer (gegnerischen) christlichen Überlieferung darauf zurück, dass er in seiner Jugend Getreidesäcke schleppte; wahrscheinlicher ist aber Bezugnahme auf ein grobes, sackartiges Philosophengewand (σάκκος sákkos, vgl. lateinisch saccus cilicinus).[1]

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nach einem von dem Kirchenschriftsteller Eusebius von Caesarea überlieferten Zitat aus der verlorenen Streitschrift des Neuplatonikers Porphyrios gegen die Christen stammte Ammonios aus christlichem Elternhaus, wandte sich aber schon in seiner Jugend vom Christentum ab, als er die (platonische) Philosophie kennenlernte. Eusebius weist diese Behauptung nachdrücklich zurück; er versichert, Ammonios sei bis zu seinem Tode Christ geblieben. Dies ist wahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass Eusebius den von Porphyrios gemeinten Ammonios mit einem gleichnamigen christlichen Schriftsteller verwechselte.[2] In der Forschung wird aber auch die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass Ammonios das Christentum nicht gänzlich aufgab, sondern – allerdings außerhalb der Kirche – daran festhielt und es mit dem Platonismus zu harmonieren versuchte.[3]

Ammonios scheint nur in Alexandria gelehrt zu haben. Er starb entweder, kurz bevor sein bedeutendster Schüler Plotin 242 oder 243 Alexandria verließ, oder bald nach dessen Abreise.[4]

Lehre

Die Hauptquelle für Ammonios’ Lehre ist Porphyrios, ein Schüler Plotins. Aus Pophyrios’ Angaben geht hervor, dass Plotin an dem, was er bei Ammonios gelernt hatte, festhielt. Daher ist davon auszugehen, dass die Philosophie des Ammonios in den Grundzügen derjenigen Plotins entsprach. Allerdings ist unklar, ob die plotinische Lehre vom Einen als höchstem Prinzip oberhalb des Seienden auf Ammonios zurückgeht. Einzelheiten seiner Philosophie sind nicht zuverlässig rekonstruierbar. Anscheinend beruhte seine Wirkung mehr auf seiner philosophisch-philologischen Methode als auf bestimmten Lehrsätzen; in seiner Schule wurde, wie Matthias Baltes meint, „keine Philosophie gelehrt, sondern philosophiert“.[5]

Seine Deutung des Verhältnisses zwischen Platon und Aristoteles war durch ein Streben nach Harmonisierung gekennzeichnet; er war der Auffassung, dass die beiden Philosophen in ihren wichtigsten Lehrmeinungen übereinstimmen. Grundsätzlich wollte er sich mit dem Nebeneinander der unterschiedlichen Schulmeinungen nicht abfinden, da er es für unvereinbar mit dem Wissenschaftscharakter der Philosophie hielt. Er strebte eine Philosophie „ohne innere Zwietracht“ an, also eine stimmige Universalphilosophie, welche die nach seiner Überzeugung nur an der Oberfläche bestehenden Gegensätze zwischen den Schulrichtungen aufhebt. Zur Ebene der Gemeinsamkeit meinte er vorstoßen zu können, indem er die Fragen und Gedankengänge der einzelnen Philosophen bis zu ihrer Wurzel verfolgte. Gerade ein vertieftes Verständnis der Besonderheiten sollte zum Erfassen der gemeinsamen Wahrheit führen.[6]

Rezeption

Ammonios hat keine Schriften hinterlassen, aber durch seine Schüler die Entwicklung des Platonismus nachhaltig beeinflusst.[7] Sein berühmtester Schüler war Plotin, der zwischen 232 und 242 bei ihm studierte, bevor er nach Rom übersiedelte und dort seine eigene Schule gründete. Ein anderer Ammonios-Schüler namens Origenes wurde lange mit dem berühmten christlichen Schriftsteller Origenes identifiziert, der tatsächlich platonisch beeinflusst war. Die moderne Forschung hat aber gezeigt, dass der Ammonios-Schüler Origenes nicht der Christ, sondern ein gleichnamiger nichtchristlicher Platoniker war.[8] Allerdings ist es möglich, dass der Christ Origenes ebenfalls an Lehrveranstaltungen des Ammonios teilnahm, ohne dem engeren Schülerkreis anzugehören.[9] Ein weiterer Schüler des Ammonios war der berühmte Philosoph und Grammatiker Longinos, der später seinerseits in Athen eine Schule gründete.

Aus den Angaben des Porphyrios[10] geht hervor, dass nach dem Tod des Ammonios drei seiner Schüler, Plotin, Herennios (Erennios) und Origenes, vereinbarten, seine wissenschaftliche Hinterlassenschaft nicht zu „enthüllen“. Diese Abmachung wurde aber später erst von Herennios, dann auch von Origenes gebrochen; daher betrachtete schließlich auch Plotin die Vereinbarung als hinfällig.[11] Der Zweck der Vereinbarung ist unklar; möglicherweise ging es dabei um Vertraulichkeit eines Kernbestandteils der Lehre, der nach dem Vorbild von Platonsungeschriebener Lehre“ als nicht zur Veröffentlichung geeignet befunden wurde.[12]

Literatur

Anmerkungen

  1. Schwyzer (1983) S. 81–84; Schroeder (1987) S. 520f.
  2. Schwyzer (1983) S. 19–21; Goulet (1989) S. 166; Christoph Bruns: War Origenes wie Plotin Schüler des Ammonios Sakkas? Ein quellenkritischer Beitrag zu seiner Verortung im Bildungsmilieu Alexandriens. In: Jahrbuch für Religionsphilosophie 7, 2008, S. 191–208, hier: 202–204.
  3. Karl-Otto Weber: Origenes der Neuplatoniker, München 1962, S. 36–39; Baltes (2001) Sp. 324.
  4. Zur Chronologie siehe Richard Goulet: Le système chronologique de la Vie de Plotin. In: Luc Brisson u.a.: Porphyre, La Vie de Plotin, Band 1: Travaux préliminaires et index grec complet, Paris 1982, S. 187–227, hier: 206f.; Denis O'Brien: Plotin et le vœu de silence. In: Luc Brisson u.a.: Porphyre, La Vie de Plotin, Band 2, Paris 1992, S. 419–459, hier: 422–425.
  5. Baltes (2001) Sp. 330.
  6. Weber (1962) S. 52–62; Baltes (2001) Sp. 327–329.
  7. Dörrie (1978) S. 469–471.
  8. Zur Unterscheidung zwischen dem Platoniker Origenes und dem gleichnamigen Christen siehe Schwyzer (1983) S. 22–39; Dörrie (1978) S. 465–467; Schroeder (1987) S. 494–509; Bruns (2008) S. 191–196.
  9. Schroeder (1987) S. 507f. Eine Übersicht über die einschlägigen Hypothesen bietet Gilles Dorival: Origène d'Alexandrie. In: Richard Goulet (Hrsg.): Dictionnaire des philosophes antiques, Bd. 4, Paris 2005, S. 807−842, hier: 810−813.
  10. Vita Plotini 3,24–35.
  11. Schwyzer (1983) S. 15–17; Dörrie (1978) S. 463f.
  12. Siehe dazu Marie-Odile Goulet-Cazé: L'arrière-plan scolaire de la Vie de Plotin. In: Luc Brisson u.a. (Hrsg.): Porphyre, La vie de Plotin, Band 1: Travaux préliminaires et index grec complet, Paris 1982, S. 257–261; Thomas A. Szlezák: Plotin und die geheimen Lehren des Ammonios. In: Helmut Holzhey und Walther Ch. Zimmerli (Hrsg.): Esoterik und Exoterik der Philosophie, Basel 1977, S. 52–69.

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