Johann Friedrich Jerusalem

Johann Friedrich Jerusalem
Abt Jerusalem. Stich vermutlich von Daniel Chodowiecki.

Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (* 22. November 1709 in Osnabrück; † 2. September 1789 in Braunschweig), auch „Abt Jerusalem“ genannt, war ein deutscher protestantischer Theologe.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jerusalem wuchs als Sohn eines evangelischen Pastors in Osnabrück auf. Nach dem Tod des Vaters 1726 studierte er Theologie in Leipzig und Wittenberg, wo er 1731 die Magisterprüfung ablegte. Es folgte ein zweijähriger Aufenthalt in Holland. Jerusalem kehrte 1734 nach Deutschland zurück, wo er bis 1737 eine Hofmeisterstelle in Göttingen bekleidete. Nach mehrjährigem Englandaufenthalt nahm er eine Hauslehrerstelle in Hannover an und folgte 1742 einem Ruf an den Braunschweiger Hof. Dort war er Hofprediger und Erzieher des Erbprinzen Karl Wilhelm Ferdinand. Im Jahre 1752 erfolgte die Berufung zum Abt von Riddagshausen. Jerusalem war seit 1742 mit Martha Christina, geb. Pfeiffer, verwitwete Albrecht, verheiratet. Von den fünf Kindern ist der Sohn Karl Wilhelm zu trauriger Berühmtheit gelangt. Nach seinem Selbstmord 1772 diente er Goethe als Vorlage zum Roman „Die Leiden des jungen Werthers“. Jerusalem liegt in der Klosterkirche Riddagshausen bei Braunschweig begraben.

Leistungen

Jerusalem war Initiator und Mitbegründer des 1745 gegründeten Collegium Carolinum, Vorläufer der heutigen Technischen Universität Braunschweig. Als wichtiger Berater Herzog Karls I. hatte er starken Einfluss auf die Bildungspolitik des Herzogtums.

Jerusalem ist einer der wichtigsten deutschen Aufklärungstheologen. Er gilt als ein Haupt der sogenannten Neologie, die sich radikal vom Dogmenbestand der herkömmlichen Theologie verabschiedete. So hat er für sein Hauptwerk "Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion" die spekulativ-universalistische Geschichtsphilosophie fruchtbar gemacht und die Heilsgeschichte der weltlichen Fortschrittsgeschichte angeglichen.

Werke

  • (Hauptwerk, unvollendet): Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion, 1768-1779, zahlreiche weitere Auflagen; 1770 franz. Übersetzung, ebenso ins Holländische und Schwedische.

Neue, kommentierte Ausgabe:

  • Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem: Schriften. Mit einer Einleitung hrsg. von Andreas Urs Sommer. (Historia Scientiarum) ISSN 1430-8320
    • Bd. 1: Briefe über die Mosaischen Schriften und Philosophie. Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion. Erster Theil. CVII + IV + 108 + XVI + 452 Seiten. Hildesheim / Zürich / New York: Olms-Weidmann, 2007 (ISBN 3-487-13220-6)
    • Bd. 2: Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion. Zweyter Theil. XVI + (4) + 386 Seiten (paginiert 1-215 und 211-386). Hildesheim / Zürich / New York: Olms-Weidmann, 2007 (ISBN 978-3-487-13221-1)
    • Bd. 3: Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion. Zweyten Theils zweyter Band oder viertes Stück. VIII + (463) Seiten (paginiert 387-850). Hildesheim / Zürich / New York: Olms-Weidmann, 2007 (ISBN 978-3-487-13222-8)
    • Bd. 4: Nachgelassene Schriften. Erster Theil: Fortgesezte Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion. Hinterlaßne Fragemente. XXVI + 641 Seiten. Hildesheim / Zürich / New York: Olms-Weidmann, 2007 (ISBN 978-3-487-13223-5)
    • Bd. 5: Nachgelassene Schriften. Zweyter und letzter Theil. VIII + 728 Seiten. Hildesheim / Zürich / New York: Olms-Weidmann, 2007 (ISBN 978-3-487-13224-2)

Literatur

  • Wolfgang Erich Müller: Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem: eine Untersuchung zur Theologie der „Betrachtung über die vornehmsten Wahrheiten der Religion“. de Gruyter, Berlin und New York 1984, ISBN 3-11-009680-3 (Theologische Bibliothek Töpelmann: Band 43).
  • Isa Schikorsky: Gelehrsamkeit und Geselligkeit. Abt Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (1709-1789) in seiner Zeit. Ausstellungskatalog, Braunschweig 1989.
  • Andreas Urs Sommer: Neologische Geschichtsphilosophie. Johann Friedrich Wilhelm Jerusalems Betrachtungen über die vornehmsten Wahrheiten der Religion. In: Zeitschrift für neuere Theologiegeschichte. Band 9, 2002, S. 169-217.
  • Horst Weigelt: Die Beziehungen Lavaters zu Abt Jerusalem und zu anderen Mitgliedern des Collegium Carolinum. In: Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren Protestantismus. Band 20, 1994, S. 173-190.
  • Friedrich Th. Koldewey: Jerusalem, Johann Friedrich Wilhelm. In: Encyklopädisches Handbuch der Pädagogik. 2. Aufl. Beyer & Mann, Langensalza 1906, S. 660 - 663.
  • Klaus Erich Pollmann (Hrsg.): Abt Johann Friedrich Wilhelm Jerusalem (1709-1789). Beiträge zu einem Colloquium anläßlich seines 200. Todestages. Braunschweig 1991.

Weblinks


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