Johann Leo Weisgerber

Johann Leo Weisgerber
Leo Weisgerber, 1934

Johann Leo Weisgerber (* 25. Februar 1899 in Metz; † 8. August 1985 in Bonn) war ein deutscher Sprachwissenschaftler und Keltologe. Er ist der Begründer der Inhaltbezogenen Grammatik (Sprachinhaltsforschung).


Inhaltsverzeichnis

Biografie

Leo Weisgerber war der Sohn des Leiters der Elementarschule St. Vincenz in Metz, Nikolaus Ludwig Weisgerber, und seiner Ehefrau Maria, geb. Müller. Seine Mutter verlor er im Alter von fünf Jahren, seinen Vater, als er 14 Jahre alt war.

Weisgerber besuchte die Elementarschule St. Vincenz in Metz, danach die Domschule St. Arnulf und das Lyceum zu Metz, wo er 1917 die Reifeprüfung ablegte. Anschließend war er im Ersten Weltkrieg Soldat in Flandern. Nach Kriegsende fand er in seiner Heimatstadt, die inzwischen wieder französisch geworden war, keine Zuflucht mehr.

Er ging nach Bonn und begann im Herbst 1918 sein Studium an der dortigen Universität in den Fächern Indogermanistik, Vergleichende Sprachwissenschaft, Germanistik, Romanistik und Keltologie. Nach Zwischensemestern in München und Leipzig wurde er 1923 mit einer keltologischen Dissertation bei Rudolf Thurneysen, dem Begründer der deutschen Keltologie, in der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn promoviert. Bereits 1925 habilitierte er sich dort mit der Schrift Sprache als gesellschaftliche Erkenntnisform. Außerdem hatte er schon 1923 die Prüfung für das Lehramt an höheren Schulen in den Fächern Deutsch, Französisch und Vergleichende Sprachwissenschaft abgelegt.

Seit 1925 arbeitete Weisgerber an der Städtischen Oberrealschule Bonn und zugleich als Privatdozent an der Bonner Universität, wo er 1926 auch die Vertretung der Sprachwissenschaft und die Leitung des Sprachwissenschaftlichen Seminars übernahm. Außerdem war er von 1926 bis 1927 Dozent für Deutschunterricht und Volkskunde an der 1925 gegründeten Pädagogischen Akademie Bonn. 1927 erhielt er einen Ruf als Professor für Vergleichende Sprachwissenschaft und Sanskrit an die Universität Rostock.

In seine Rostocker Zeit fiel auch seine erste Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten, deren Rassentheorie er schon in seiner Habilitationsschrift abgelehnt hatte. Er wehrte sich gegen die von den Nazis betriebene Schließung der katholischen Volksschule in Rostock, die er selbst mitgegründet hatte. Das Regime wollte ihm untersagen, seine Kinder auf diese Schule zu schicken. 1938 wurde die Schule von den Nazis geschlossen. Nach heftigem Streit, besonders mit dem mecklenburgischen Gauleiter Friedrich Hildebrandt, war Leo Weisgerber froh, einem Ruf der Universität Marburg auf den Lehrstuhl für Allgemeine und Indogermanische Sprachwissenschaft folgen zu können. 1942 wechselte er zur Universität Bonn auf den Lehrstuhl für Keltologie und Allgemeine Sprachwissenschaft. Trotz ehrenvoller Rufe an die Universitäten Tübingen (1946) und München (1952) blieb er dieser Universität bis zu seiner Emeritierung 1967 treu. Zu seinen Schülern gehört Helmut Gipper, Sprachwissenschaftler an den Universitäten Bonn und Münster.

Neben seiner Universitätstätigkeit übernahm Leo Weisgerber noch eine große Zahl weiterer Aufgaben. In den Jahren 1940 bis 1944 war er im Funkhaus Rennes (Frankreich) zuständig für die Sendungen in bretonischer Sprache, in Bonn war er Mitdirektor des Instituts für geschichtliche Landeskunde der Rheinlande, er initiierte das Arbeitsvorhaben Sprache und Gemeinschaft im Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft, in dem er mit vielen Sprachwissenschaftlern aus der Bundesrepublik und der DDR sowie mit ausländischen Kollegen zusammenarbeitete. Er war Mitbegründer des Instituts für deutsche Sprache in Mannheim, gründete 1950 die Zeitschrift Wirkendes Wort, die bis heute erscheint.

Würdigung

Für seine Arbeit wurde Weisgerber mit dem Konrad-Duden-Preis der Stadt Mannheim (1960), dem Ehrendoktorat der Universität Leuven (Belgien, 1965) und dem Bundesverdienstkreuz (1975) ausgezeichnet.

Werke

Die Liste seiner Publikationen umfasst 435 Titel. Darunter sind von besonderer, auch wissenschaftsgeschichtlicher Bedeutung die Bücher:

  • Muttersprache und Geistesbildung (übersetzt ins Japanische, Koreanische und Russische) (1929)
  • Die Stellung der Sprache im Aufbau der Gesamtkultur (1934)
  • Von den Kräften der deutschen Sprache (4. Bde., 1949-1950)
  • Das Tor zur Muttersprache (1954)
  • Sprachenrecht und europäische Einheit (1959)
  • Übersetzungsfehler im Südtirol-Konflikt (1961)
  • Die vier Stufen in der Erforschung der Sprachen (1963)
  • Zweimal Sprache (1973).

Literatur

  • Peter Hartmann: Wesen und Wirkung der Sprache im Spiegel der Theorie Leo Weisgerbers. Heidelberg 1958
  • Gerhard Helbig: Die Sprachauffassung Leo Weisgerbers. In: Der Deutschunterricht 13 (1961) und 15 (1963)
  • Hans Arens: Sprachwissenschaft. Der Gang ihrer Entwicklung von der Antike bis zur Gegenwart. 2. Aufl. Freiburg/Nünchen 1969, S. 531-547
  • Helmut Gipper (Hrsg.): Sprache - Schlüssel zur Welt. Festschrift für Leo Weisgerber. Düsseldorf 1959
  • Gerhard Helbig: Geschichte der neueren Sprachwissenschaft. München 1971, S. 119-161
  • Wilhelm Köller: Philosophie der Grammatik. Stuttgart 1988, S. 251-257
  • Bernhard Weisgerber: Muttersprache und Sprachgemeinschaft. Zu Leo Weisgerbers 100. Geburtstag. In: Wirkendes Wort. Bonn 1999, S. 1-13
  • Klaus D. Dutz (Hrsg.): Interpretation und Re-Interpretation. Aus Anlaß des 100. Geburtstages von Johann Leo Weisgerber (1899-1986). Münster 2000
  • Bernhard Weisgerber: „Habent sua fata libelli“. Vortrag zur Publikation der Habilitationsschrift Leo Weisgerbers von 1924: „Sprache als gesellschaftliche Erkenntnisform“ am 26. Oktober 2008 in Kassel. In: Der Sprachdienst, 52. Jahrgang, 5. Heft, 2008, S. 264-270.

Weblinks


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