Juri Sergejewitsch Rytcheu

Juri Sergejewitsch Rytcheu

Juri Sergejewitsch Rytcheu (zur Verdeutlichung der korrekten Aussprache häufig Juri Rytchëu geschrieben, russisch: Ю́рий Серге́евич Рытхэ́у, wiss. Transliteration Jurij Sergeevič Rytchėu, * 8. März 1930 in Uelen, Tschukotka, russischer Ferner Osten; † 14. Mai 2008 in Sankt Petersburg, Russland) war ein russisch- und tschuktschischsprachiger tschuktschischer Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Schaffen

Der Sohn eines Jägers ging zunächst in die regionale Hauptstadt Anadyr, wo er Mitarbeiter der Zeitung „Sowjetskaja Tschukotka“ wurde. 1949 begann er das Universitätsstudium in Leningrad, wo er u.a. Werke Puschkins und anderer russischer Klassiker in die Tschuktschische Sprache übertrug. 1953 erschien sein erster Sammelband unter dem Titel „Ljudi naschego berega“ („Menschen von unserem Ufer“). Mit „Tschukotskaja Saga“ („Чукотская сага“/Tschuktschische Saga) erschien 1956 sein erster Roman. Zahlreiche weitere Werke folgten bis zum Ende der 80er-Jahre. Rytcheu wohnte zeitweise in Sankt Petersburg, überwiegend aber in Anadyr.

Er war der einzige Vertreter der sogenannten Nationalliteraturen der indigenen Völker des russischen Nordens, der es geschafft hatte, auch international eine gewisse Bekanntheit zu erlangen, während die meisten anderen indigenen Literaten, wie etwa Tschuner Taksami, Vladimir Sangi, Jeremej Aipin, Juwan Schestalow heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Rytcheus Romane wurden in mehrere Sprachen übersetzt und teils verfilmt. Die deutschen Übersetzungen seiner Romane sind im Zürcher Unionsverlag erschienen.

Literarisches Werk

Vor der Perestroika

Bis zur Perestroika zeichnete sich Rytcheu, wie die meisten Vertreter der staatlich geförderten „Nationalliteraturen“, vor allem durch weitgehende Regimetreue und ideologische Zuverlässigkeit aus. Diese Frühwerke sind fast ausschließlich in russischer Sprache erschienen und nie übersetzt worden. Das Sujet seiner Werke aus den 70er-Jahren, die stark vom sozialistischen Realismus geprägt sind, stellt zumeist die „lange Reise“ der indigenen Völker des Nordens aus der „Rückständigkeit“ in die sowjetische Zivilisation dar und gehört damit in ein Genre, das im Wesentlichen vom sowjetischen Staat gefordert und gefördert wurde.

Seine Werke sollten vorwiegend der Demonstration des Fortschritts dienen, den die Jäger, Fischer und Rentiernomaden der Arktis dank der weisen Führung der kommunistischen Partei erreicht hätten. Ein weiteres Thema besteht in der Demonstration des Sowjetpatriotismus, da die in seinen Büchern auftretenden tschuktschischen und Eskimo-Helden sich unermüdlich an dem Schutz ihrer Heimat gegenüber den als gewalttätig, fluchend und vergewaltigend dargestellten US-Amerikanern beteiligen. Schamanen werden in diesem Zusammenhang häufig als amerikanische Agenten dargestellt.[1]

Seit der Perestroika

In den 80er-Jahren änderte sich der Tonfall seiner Werke, zunächst indem Rytcheu etwa die Figur des Schamanen zur positiven Figur erhob und es wagte, das Wort „Zivilisation“ erstmals in Anführungszeichen zu setzen[2] und später, indem er während und nach der Perestroika wie viele andere Nationalschriftsteller auch, offene Kritik übte, indem er etwa die Behandlung der indigenen Völker als „stillen Genozid“ anklagte.

Werke (Auswahl)

  • Polarfeuer, 2007
  • Gold der Tundra 2006
  • Der Mondhund, Novelle 120 S., 2005
  • Der letzte Schamane, 2004
  • Die Reise der Anna Odinzowa
  • Im Spiegel des Vergessens
  • Unter dem Sternbild der Trauer
  • Die Suche nach der letzten Zahl
  • Teryky, Deutsch: Übersetzt von Waltraud Ahrndt, mit Illustrationen von Franz Zauleck,Verlag Volk und Welt, Berlin 1989 ISBN 3-353-00513-7; weitere Ausgaben in deutscher Sprache im Unionsverlag, Zürich, letzte in 2003 ISBN 3-293-20257-8
  • Traum im Polarnebel
  • Unna 2005
  • Wenn die Wale fortziehen

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Vgl. Yuri Slezkine: Arctic Mirrors. Russia and the Small Peoples of the North. Cornell University Press 1994. ISBN 0-8014-2976-5 Yuri Slezkine unterzieht u.a. Rytcheu aber auch viele andere Vertreter der sog. Nationalliteraturen einer kritischen und spannenden Analyse.
  2. Ю. Рытхэу: Современные Легенды. Ленинград (Советский писатель) 1980

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