- KHM 35
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Der Schneider im Himmel ist ein Märchen (Typ 800 nach Aarne und Thompson). Es ist in den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm an Stelle 35 enthalten (KHM 35). Wilhelm Grimm veröffentlichte es zuerst 1818 kürzer in der Zeitschrift Wünschelruthe.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Gott geht spazieren. Nur Petrus bleibt da. Er darf niemand einlassen, doch erbettelt sich ein Schneider, hinter der Tür zu sitzen. Als Petrus weg ist, sieht er sich um und setzt sich auf Gottes Stuhl. Er sieht die Welt und wirft zornig den Fußschemel auf eine diebische Wäscherin. Dann versteckt er sich wieder. Als Gott den Verlust bemerkt, lässt er den Schneider kommen, der ihm erzählt. Gott rügt seine Anmaßung und schickt ihn weg. Der Schneider geht nach Warteinweil zu den frommen Soldaten.
Herkunft
Die Fassung beruht in der Erstauflage auf einer in Freis Gartengesellschaft Nr. 61 und einer in Kirchhofs Wendunmuth 1, Nr. 230, aber der 4. Auflage mehr auf Wickrams Rollwagenbüchlein (Kap. 110). Grimms Anmerkung nennt noch Varianten bei Hans Sachs Der Schneider mit dem Panier, Wolfs Deutsche Sagen und Märchen Nr. 16 Jan im Himmel, Ernst Meier Nr. 35 und eine Erwähnung bei Möser in seinen vermischten Schriften 2, 332 u. 2.235. Fischart im Flohschatz (Dornavius 390) fasst Petrus' Jähzorn auf:
- wie man von Sanct Peter saget,
- der, als er Herr Gott war ein Tag
- und Garn sah stehlen eine Magd,
- wurf er ihr gleich ein Stuhl zum Schopf,
- erwies also sein Peterskopf;
- häts solcher Gestalt er lange getrieben,
- es wär kein Stuhl im Himmel blieben
Altmeistergesangbuch 3 in Wolfs Zeitschrift für deutsche Mythologie 2,2 zeigt den Schneider als Feindbild:
- der nŭ den himel hāt irkorn
- der geiselet uns bî unser habe,
- ich fürhte sĕre und wird im zorn,
- den flegel wirft er uns her abe.
Vergleiche aus Grimms Märchen
- Einlass am Himmelstor: KHM 81 Bruder Lustig, KHM 82 De Spielhansl, KHM 167 Das Bürle im Himmel
- Aufschneider im Himmel: KHM 104 Die klugen Leute, KHM 112 Der Dreschflegel vom Himmel, KHM 178 Meister Pfriem
Grimms Anmerkung zu De Spielhansl erklärt auch den Ort Warteinweil, den Petrus den Soldaten einräumen musste, weil sie weder im Himmel noch in der Hölle aufgenommen werden (S. 143 im Anmerkungsband).
Interpretation
Das Märchen parodiert laut Eugen Drewermann unsere Haltung des Moralisierens und der Besserwisserei und zeigt so den praktischen Sinn der Beschäftigung mit Märchen: Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet. (Bergpredigt, Mt 7,1)
Literatur
Primärliteratur
- Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Vollständige Ausgabe. Mit 184 Illustrationen zeitgenössischer Künstler und einem Nachwort von Heinz Rölleke. S. 213-215. Düsseldorf und Zürich, 19. Auflage 1999. (Artemis & Winkler Verlag; Patmos Verlag; ISBN 3-538-06943-3)
- Grimm, Brüder. Kinder- und Hausmärchen. Ausgabe letzter Hand mit den Originalanmerkungen der Brüder Grimm. Mit einem Anhang sämtlicher, nicht in allen Auflagen veröffentlichter Märchen und Herkunftsnachweisen herausgegeben von Heinz Rölleke. Band 3: Originalanmerkungen, Herkunftsnachweise, Nachwort. S. 76-77, 457. Durchgesehene und bibliographisch ergänzte Ausgabe, Stuttgart 1994. (Reclam-Verlag; ISBN 3-15-003193-1)
Enzyklopädie des Märchens
- Neumann, Siegfried: Petrusschwänke. In: Enzyklopädie des Märchens. Band 10. S. 814-824. Berlin, New York, 2002.
Interpretation
- Drewermann, Eugen: Lieb Schwesterlein, laß mich herein. Grimms Märchen tiefenpsychologisch gedeutet. München 1992. S. 13. (dtv-Verlag; ISBN 3-423-35056-3)
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