KPDO

KPDO
Gegen den Strom, Zeitung der KPD-O, Berlin 1929

Die Kommunistische Partei-Opposition (auch KPD-Opposition; kurz KPD-O, KPDO oder KPO) war eine 1929 entstandene Abspaltung der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD).

Inhaltsverzeichnis

Entstehung 1929/30

Auf Weisung der Kommunistischen Internationale vollzog die KPD-Führung um Ernst Thälmann, Philipp Dengel und Heinz Neumann 1928 eine „ultralinke“ Wende und konzentrierte ihren Kampf auf den „Hauptfeind“ SPD (Sozialfaschismusthese). Die früheren KPD-Vorsitzenden Heinrich Brandler und August Thalheimer lehnten diesen Kurs ab. Sie kritisierten auch die Politik, eine Revolutionäre Gewerkschafts-Opposition (RGO) neben den offiziellen Gewerkschaften zu bilden, und allgemein die Unterordnung der KPD unter die KPdSU. Die interne Entwicklung in der Sowjetunion begann man erst später im Exil mit den Moskauer Prozessen zu kritisieren. Brandler und Thalheimer plädierten für den gemeinsamen Kampf von SPD und KPD gegen den Nationalsozialismus und wurden deshalb aus der KPD ausgeschlossen. Sie gründeten daraufhin die KPD-Opposition, die aber eine kleine Splittergruppe mit 3000-4000 Mitgliedern blieb. Die Mitgliedschaft rekrutierte sich aus Gewerkschaftsfunktionären, Kommunalpolitikern und Intellektuellen (bspw. Heinrich Blücher). Es gab Hochburgen in Sachsen, Thüringen - in Neuhaus am Rennweg und Oelsnitz stellte die Partei mit Otto Engert und Otto Karl Bachmann die Bürgermeister -, Hessen und Württemberg). In Oberhausen und anderswo schlossen sich aus Protest gegen die RGO-Politik der KPD etliche profilierte KPD-Gewerkschafter der KPO an. Der hohe Anteil an Intellektuellen und an erfahrenen Politikern führte dazu, dass die Anhänger der KPO insgesamt weniger aus einem Dogmatismus heraus handelten als die der KPD.

Die KPO gehörte mit einigen verwandten Gruppen u.a. in Schweden, den USA, Frankreich und der Schweiz der Internationale Vereinigung der Kommunistischen Opposition (IVKO) an, welche jedoch bis 1939/40 zerfallen war. Die KPO gab die mehrmals in der Woche erscheinende Zeitung Arbeiterpolitik, einige regionale Zeitungen und das auf einem hohen Niveau stehende Theorieorgan Gegen den Strom heraus, die IVKO publizierte im Wesentlichen unter Federführung der KPO die Zeitschrift Der Internationale Klassenkampf. Der Jugendverband KJO gab den Jungen Kämpfer heraus.

KPO und SAP 1931

Im Herbst 1931 schloss sich eine Minderheit der KPO-Mitglieder um Paul Frölich, Jacob Walcher und August Enderle einschließlich der in Kommunalparlamenten vertretenen Gruppen in Offenbach am Main um Heinrich Galm und in Geesthacht um August Ziehl der Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) an, einer Linksabspaltung der SPD, wo die ehemaligen KPO-Mitglieder auf Grund ihrer großen politischen Erfahrungen die Politik der Partei beeinflussten.

Illegalität ab 1933

Die KPO konnte 1933 zunächst weiteragieren, da man sich auf die Arbeit in der Illegalität vorbereitet hatte. Viele Mitglieder verfügten über derartige Erfahrungen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges und des KPD-Verbotes 1923/24, und anders als die KPD-Führung hatte die KPO das Ausmaß und die Brutalität der nun anbrechenden Verfolgung realistisch eingeschätzt. Dank dem Archiv der KPD über die „feindlichen Brüder“ konnte die Gestapo später die Strukturen der KPO zerschlagen. Trotzdem leisteten viele Anhänger der KPO, meistens gemeinsam mit z. T. Sozialdemokraten und anderen Kommunisten dem Nazi-Regime bis zum Ende Widerstand. Der nationalsozialistische Terror wurde ständig verschärft und intensiviert, sodass auch die KPD-O viele Opfer bringen musste. Eine unvollständige Übersicht in „Gegen den Strom“ (2001) zählte 303 Mitglieder, die von Gerichten verurteilt wurden, und 63 Tote, davon einige, die aus der Haft zwangsweise für die Dauer des Krieges wieder für wehrwürdig erklärt wurden und an den Fronten fielen.

Exil und Zerfall

Die Führung der KPO um Brandler und Thalheimer flüchtete ins Exil, einige Mitglieder kämpften in den Reihen der POUM-Miliz im Spanischen Bürgerkrieg, 2 Fachleute arbeiteten im dortigen Flugzeugbau. Anfang 1937 wurden alle Freiwilligen der KPD-O als Konterrevolutionäre verhaftet; sie kamen erst frei, als die Wärter vor den siegreichen faschistischen Truppen flüchteten und die Gefängnistore sich öffneten. Einige der Häftlinge waren vorher dank Intervention des ILP-Führers Fenner Brockway freigekommen. Im Exil wurde die KPO ständig von dänischen Genossen und anfangs auch vor allem von der US-amerikanischen Independent Communist Labor League um Jay Lovestone materiell unterstützt. 1938/39 führte die Frage, ob Sowjetunion und Komintern noch reformierbar seien, zum Bruch zwischen Lovestone und der KPO. Auseinandersetzungen führten zur Abspaltung einer Minderheit als Gruppe Marxisten-Internationalisten um die Leitungsmitglieder Erich Hausen und Hans Tittel. Nach Kriegsbeginn 1939/40 wurde die Auslandsleitung in Frankreich interniert. Trotz erhöhter Schwierigkeiten arbeitete ein Berliner Komitee im Reich weiter. Die politische Eigenständigkeit der KPD-O zeigte sich in folgenden Problemkomplexen: 1. Faschismus-Analyse, Ablehnung der Sozialfaschismus-These, Forderung nach Einheitsfront 2. Ablehnung der Spaltung der freien Gewerkschaften und der anderen überparteilichen proletarischen Massenorganisationen, Kampf um die politische Gewinnung ihrer Mitglieder für den Kommunismus 3. Innerparteiliche Demokratie in der KPD, „Reform der Komintern an Haupt und Gliedern“, politische Selbständigkeit und finanzielle Unabhängigkeit der Parteien in der Komintern 4. Kritische Solidarität mit der Sowjetunion August Thalheimer hatte 1928 eine marxistische Faschismus-Analyse erarbeitet, die in die Plattform der KPD-O einging. Der Faschismus ist eine Herrschaftsform des Kapitalismus, die dessen soziale Macht sichert, aber den Staatsapparat übernimmt, um die Interessen und Ziele der Bourgeoisie mit aller Härte durchzusetzen. Seine Massenbasis sind deklassierte Elemente aller Klassen, die er mit pseudosozialistischen Versprechungen zu mobilisieren versucht.

Die Ziele des deutschen Faschismus

Thalheimer arbeitet 1928 das wirkliche Programm der NSDAP klar heraus: Vernichtung aller Arbeiterorganisationen, um eine neue Aufteilung der (noch kolonialen) Erdteile durchzusetzen, notfalls mit Krieg. Im Gegensatz zu den Beschwichtigungsversuchen von Sozialdemokraten und bürgerlichen Demokraten begründet er, warum der deutsche Faschismus schlimmer, brutaler, aggressiver sein werde als der italienische. Daher forderte er die Einheitsfront aller proletarischen Organisationen, die den Faschismus aufhalten, verhindern kann. Aus der Faschismus-Analyse folgt. 1. Die Sozialfaschismus-These ist völlig falsch und politisch schädlich, weil sie die reformistisch geführte Mehrheit der Werktätigen zu Feinden der Kommunisten macht; 2. die bürgerliche Demokratie muss von der faschistischen Form kapitalistischer Herrschaft unterschieden werden - trotz der Möglichkeit und Gefahr des Übergangs, weil die bürgerliche Demokratie „der beste Kampfboden für den Sozialismus“ ist. Die Kritik an der KPdSU gilt anfangs nur der Bevormundung der Bruderparteien, ab Anfang 1929 der Verdrängung der Opponenten in der KPdSU. Sie verschärft sich mit der zunehmenden Stalinisierung der KPdSU und der Verstärkung des stalinistischen Terrors. Die KPD-O protestiert ab 1935 gegen die Volksfrontpolitik, weil diese einen Verzicht auf die revolutionären Ziele der Parteien beinhaltet. Ebenso widersetzt sie sich der Beeinflussung der spanischen Politik, weil der Verzicht auf die Fortsetzung der Revolution zur Niederlage der Revolution führen muss. Am Beginn der drei Moskauer Schauprozesse, deren vierter geheim gegen die gesamte Führung der Roten Armee geführt wird, besteht Unklarheit über die „Geständnisse“ der alten Bolschewiki. Nach einer kurzen, intensiven Debatte innerhalb der KPD-O wird gegen die Moskauer Prozesse öffentlich protestiert. Der Protest verschärft sich; 1937 wird die Absetzung der Stalin-Führung im Interesse der Erhaltung der SU und der Verteidigung gegen die wachsende imperialistische Bedrohung gefordert.

Nach 1945

Robert Siewert, 1987 von der DDR mit einer Briefmarke geehrt

Theodor Bergmann, ein damals junger Mitstreiter der KPD-Opposition, veröffentlichte 1987 das Buch „Gegen den Strom“, in dem er die Geschichte der Gruppe erzählt. In einer personellen und programmatischen Kontinuität zur KPO stehen die Gruppe Arbeiterpolitik (ARPO) und die Gruppe Arbeiterstimme, welche auch beide Literatur der KPO vertreiben. Andere sich in der Tradition der KPO verortende KommunistInnen schlossen sich nach 1990 der PDS an. Einige ehemalige KPO-Mitglieder, wie Philipp Pless, traten der SPD bei. Auf dem Gebiet der späteren DDR schlossen sich viele ehemalige KPO-Mitglieder nach 1945 der KPD bzw. der SED an. Sie waren gewillt, den Sozialismus mit aufzubauen, lehnten jedoch die sowjetische Besatzungspolitik ab. Sie wurden fast ausnahmslos um 1950 im Rahmen innerparteilicher Säuberungen von ihren Funktionen entbunden.

Der KPO gehörte auch der bekannte Kulturhistoriker Eduard Fuchs und zeitweise die Politologen Wolfgang Abendroth und Richard Löwenthal, der Literaturwissenschaftler Hans Mayer und der spätere Innensenator und zweite Bürgermeister Bremens Adolf Ehlers an.

Literatur

  • Isaac Abusch: Erinnerungen und Gedanken eines oppositionellen Kommunisten. Mainz 1994.
  • Jens Becker: Der Widerstand der KPD-O im Faschismus, Mainz 1992.
  • Theodor Bergmann: »Gegen den Strom«. Die Geschichte der KPD (Opposition), 2. erweiterte Aufl. Hamburg 2001.
  • Theodor Bergmann/Wolfgang Haible: Die Geschwister Thalheimer. Skizzen ihrer Leben und Politik. Mainz 1993.
  • Paul Elflein: Immer noch Kommunist? Erinnerungen. Hrsg. von Rolf Becker und Claus Bremer. Hamburg 1978
  • Karl Hermann Tjaden: Struktur und Funktion der "KPD-Opposition" (KPO). Meisenheim am Glan 1964.
  • Walter Uhlmann: Metallarbeiter im antifaschistischen Widerstand. Berlin 1982. (Bericht eines ehemaligen KPD-O-Mitgliedes über die illegale Betriebsarbeit in Berlin 1933-1937, als pdf-Datei hier)

Siehe auch

Weblinks


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