Kabelsteuerung

Kabelsteuerung
Eines der ersten digitalen Fly-by-wire-Systeme 1972 in einer Vought F-8 der NASA

Fly-by-Wire [ˌflaɪbaɪˈwaɪɹ], FBW, sinngemäß Fliegen per Kabel (elektrisch) ist eine Signalübertragungstechnik für die Flugsteuerung von Luftfahrzeugen.

Im Unterschied zur klassischen Steuerung, bei der die Steuerbewegungen des Piloten durch Stahlseile, Schubstangen oder Hydrauliksysteme an die Steuerflächen oder Rotoren übertragen werden, sitzen bei Fly-by-Wire Sensoren (z. B. Potentiometer) an den Steuerelementen (Steuerknüppel, Pedale, usw.).

In der Regel wird vorausgesetzt, dass die per Draht übermittelten Steuerbefehle von einem Flugcomputer stammen. Hierdurch wird der Pilot zusätzlich unterstützt und von Routineaufgaben befreit.

Inhaltsverzeichnis

Konzept

Die Bewegungen des Piloten an den Steuerelementen (z. B. am Sidestick) werden beim Fly-by-Wire in elektrische Signale umgewandelt, die dann von Servomotoren oder von Hydraulikzylindern, die mittels elektrischer Ventile angesteuert werden, wieder in Bewegungen der Steuerflächen umgesetzt werden. Dies ist notwendig, da bei großen oder schnellen Luftfahrzeugen die durch den Piloten aufzubringende Kraft zum Bewegen der Steuerflächen unzumutbar groß bzw. aufwändige Kraftübersetzungen unwirtschaftlich wären.

Der wesentliche Unterschied von Fly-by-Wire im Gegensatz zu servounterstützten Systemen (wie z. B. der Servolenkung im Auto) ist die vollständige mechanische Entkopplung von Steuerelement (Steuerknüppel) und Stellmotor. Die Steuersignale werden rein elektrisch übertragen. Eine Erweiterung des Fly-by-Wire-Konzeptes besteht darin, die Steuersignale vor Ausführung durch einen Flugkontroll-Computer laufen zu lassen, der sie beispielsweise auf Plausibilität überprüfen kann und die Einhaltung gewisser Grenzwerte überwacht, damit die Maschine nicht abstürzt oder auseinanderbricht (durch zu starke positive oder negative G-Kräfte). Darüber hinaus ermöglicht das Fly-by-Wire eine automatische und damit sehr viel schnellere Reaktion auf Flugbahn- und Fluglageänderungen, wie sie beispielsweise durch Turbulenzen hervorgerufen werden.

Geschichte

Die Entwicklung entsprechender Systeme begann, als man durch Servoaktoren eine Möglichkeit sah, die aufwändigen und schwierig zu wartenden Stangen, Seilzugsysteme und Hydrauliken durch leichtere elektrische Systeme zu ersetzen. Die Pionierarbeit dazu wurde bei Raketensystemen geleistet, die durchweg elektrische Lenksysteme aufwiesen.

Die Anfänge von Fly-by-Wire reichen bis in den Zweiten Weltkrieg zurück. Dort wurde im Jahre 1943 der C-1-Autopilot im B-17E-Bomber eingesetzt. Der C-1-Autopilot war eine sehr simple Form des Fly-by-Wires und ermöglichte ausschließlich einen stabilen Geradeaus-Flug. Er basierte auf analogen elektrischen Signalen, die von den Sensoren an die Aktuatoren übertragen wurden.[1]

Am 30. August 1952 startet ein Prototyp des Avro Vulcan zu seinem Erstflug. Der Militärjet war das erste Flugzeug, in dem ein vollständiges Fly-by-Wire-System eingesetzt wurde. Die Servoventile der Stellsysteme wurden hierbei mit analogen elektrischen Signalen angesteuert.

Am 25. Mai 1972 startete die NASA mit einer modifizierten Vought F-8 „Crusader“ das erste Flugzeug mit digitalem Fly-by-Wire, das auf Basis des Bordrechners der Mondlandefähre des Apolloprogramms (Apollo Guidance Computer) arbeitete.

Ein weiteres wichtiges Datum der Entwicklungsgeschichte ist der 22. Februar 1987. An diesem Tag fand der Erstflug des Airbus A320 statt. Als erstes Verkehrsflugzeug verzichtete die A320 auf ein vollausgeprägtes mechanisches Backup-System. Eine mechanische Notsteuerung, bestehend aus Ansteuerung des Seitenruders und der Höhenrudertrimmung, war jedoch vorhanden.[2]

Anwendungen

Moderne Militärjets sind primär auf hohe Manövrierfähigkeit bzw. Tarneigenschaft ausgelegt. Das damit einhergehende aerodynamische Verhalten ist für den Piloten schwer oder überhaupt nicht zu kontrollieren, weshalb solche Jets grundsätzlich eine dynamische Flugsteuerung und damit Fly-by-Wire benötigen. Die amerikanische F-16 „Fighting Falcon“ hat ohne aktivierten Fluglagecomputer beispielsweise die Tendenz, mit sehr hohem Anstellwinkel in Rückenlage zu fliegen, der Eurofighter würde mit ebenso hohem Anstellwinkel nach oben ziehen. Einem menschlichen Piloten wäre es nicht möglich, das Flugzeug zu beherrschen. Aus diesem Bereich stammt eine frühere weitere Bedeutung von fly by wire: Das Fliegen wie an einem Draht. Damit ist gemeint, dass der Pilot (v. a. eines Kampfflugzeuges) nur noch sein Luftfahrzeug auf ein bestimmtes Ziel deutet, und die Elektronik alle weiteren nötigen Schritte unternimmt. Man erkannte jedoch rasch, dass es sich hierbei um kein eigenständiges Konzept handelte, sondern um die Fortführung des Konzeptes der elektronischen Steuerung.

Bei Hubschraubern dient das Zusammenspiel von Fly-by-Wire und Flugcomputer zur Entlastung des Piloten, indem z. B. automatisch das Hauptrotor-Drehmoment ausgeglichen oder die Höhe/Schwebeposition gehalten wird. Das erste Verkehrsflugzeug mit einer Fly-by-Wire-Steuerung war die Concorde, die allerdings nur in geringer Stückzahl hergestellt wurde. Die Concorde verwendet jedoch analoge elektrische Signalübertragung.[2] Das erste in hoher Stückzahl hergestellte Verkehrsflugzeug mit digitaler Fly-by-Wire-Steuerung ist der Airbus A320.[2]

Airbus A340-600 - Heckneigungskontrolle bei Start und Landung

Inzwischen sind alle Neuentwürfe von Verkehrsflugzeugen mit Fly-by-Wire ausgestattet. Das erstmals im Airbus A320 eingesetzte Airbus-System enthält so genannte „Flight Envelope Protections“. Der Flugkontroll-Computer gibt dabei einen Rahmen fest vor (Anstellwinkel, Neigung, Geschwindigkeit, Schräglage), in dem das Flugzeug bewegt werden kann. Sinn des Systems ist, gefährliche Fluglagen zu verhindern. Das Boeing System der Boeing 777 dagegen verhindert dies nicht; hier hat in jedem Fall der Pilot die Entscheidungshoheit. Für sehr lange Flugzeuge, wie den Airbus A340-600, wird in Abhängigkeit von Temperatur, Luftdruck und Geschwindigkeit sichergestellt, dass das Heck beim Starten und Landen nicht den Boden berührt (Verhinderung eines Tailstrikes).

Bei dem Airbus Fly-by-Wire-System wird im normalen Betriebszustand (Normal Law) zudem mit dem Sidestick (Steuerknüppel) keine direkte Änderung der Steuerflächenpositionen bewirkt, sondern ein indirektes Kommando erzeugt. Für Bewegungen um die Flugzeuglängsachse wird eine Rollrate kommandiert, für Bewegungen um die Flugzeugquerachse (Pitch) wird ein Vielfaches der Erdbeschleunigung kommandiert. Diese Vorgaben werden dann durch Ansteuern der Ruderflächen umgesetzt und die Fluglage ändert sich. Wird der Sidestick in der Neutralposition belassen, fliegt das Flugzeug automatisch ausgetrimmt die unbeschleunigte Trajektorie weiter, d. h. die Fluglage wird beibehalten.

Nachteile

Die mechanische Entkoppelung von Steuerelementen und Rudern macht für den Fall eines Abfallens des Hydraulikdrucks, z. B. durch Ausfallen aller Triebwerke (Treibstoffmangel), allerdings ein Notfallsystem erforderlich. Dies kann durch eine Ram Air Turbine (ausklappbare Luftschraube) realisiert werden.

Fly-by-Wire ist anfällig gegen elektromagnetische Störeinflüsse, daher müssen insbesondere die Datenübertragungskabel aufwändig abgeschirmt werden. Vor allem das Militär drängt auf die Einführung einer sichereren Übertragungstechnik. Diese könnte mit "Fly-by-Light", also mit der elektromagnetisch unempfindlichen Lichtwellenleiter-Technik, zur Verfügung stehen.

Fly-by-Wire entkoppelt den Piloten von der Flugphysik und den Kräften, die an Rudern und Klappen auftreten. Moderne Entwicklungen liefern ein künstliches Feedback, indem sie mit Aktuatoren die Kräfte an Steuerknüppeln, -hörnern und Pedalen so nachbilden, als wären die entsprechenden Geräte mit den Rudern und Klappen verbunden. Der Pilot kann so das Verhalten des Flugzeugs wieder "fühlen".

Einzelnachweise

  1. Schmitt, Vernon R. ; Morris, James W. ; Jenney, Gavin D.: Fly-by-Wire, A Historical and Design Perspective. Warrendale, 1998, ISBN 0-7680-0218-4. 
  2. a b c Moir, Ian ; Seabridge, Allan G.: Civil Avionics Systems. Professional Engineering Publishing Limited, London 2003, ISBN 1-86058-342-3. 

Siehe auch

Weblinks


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