Kammerknechtschaft

Kammerknechtschaft

Als Kammerknechtschaft bezeichnet man den im 12. Jahrhundert ausgebildeten und im 13. Jahrhundert formalisierten Rechtsstatus der Juden als "Besitz" des Kaisers.

Er ist nach dem Vorbild des unter Heinrich IV. im Jahre 1090 durch kaiserliches Privileg geschaffenen Rechtsstatut zur Regelung der Rechte der Wormser Juden juristisch ausgestaltet.

Mit diesem Wormser Privileg bezeichneten Rechtsakt wurde ein bahnbrechendes Rechtsstatut geschaffen, das im Positiven wie im Negativen für Jahrhunderte das Verhältnis zwischen Juden und Christen prägen sollte und sich auf folgende Rechte erstreckte:

  • Schutz von Leben und Eigentum,
  • Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung,
  • Freiheit der Religionsausübung,
  • Recht zur Beschäftigung christlichen Hauspersonals,
  • Autonomie der Gemeinde in innerjüdischen Rechtsangelegenheiten und
  • Festlegung einer verbindlichen Verfahrensordnung für Streitigkeiten zwischen Juden und Christen.

Friedrich II. dehnte das Privileg der Wormser Juden im Jahre 1236 auf alle Juden seines Jurisdiktionsbereichs aus und führte damit die Kammerknechtschaft der deutschen Juden im gesamten Reich ein, die jedoch nach seinem Tod infolge des Zusammenbruchs der kaiserlichen Zentralgewalt im Interregnum mehr und mehr auf die Territorialfürsten überging. Er nannte in diesem Privileg die Juden „Kammerknechte“ (servi camerae nostri) und verwendete damit den von der Kirche geprägten Ausdruck der „Judenknechtschaft“ (perpetua servitus iudaeorum), der von Papst Innozenz III. 1205 geprägt wurde und von Gregor IX. 1234 im Liber extra in das Kanonische Recht aufgenommen wurde. Im Privileg von 1236 wird den Juden der Schutz des Eigentums zugesichert und die Freiheit des Handels, vor allem der Finanzgeschäfte. Sie waren von den öffentlichen Gerichten ausgenommen und hatten eine eigene Gerichtsbarkeit, wodurch sie die Möglichkeit hatten, in Teilbereichen jüdisches Recht anzuwenden. Diese Rechte waren teuer. König Sigismund verlangte im 15. Jahrhundert von jedem Juden ein Drittel seines Einkommens. Außerdem sah das Privileg Beschränkungen der Rechtsfähigkeit der Juden vor. Sie hatten beispielsweise kein Waffenrecht. Solche Beschränkungen der Rechtsfähigkeit waren im Mittelalter Außenstehenden gegenüber üblich.

Dieselben Grundsätze wurden über das Haus Habsburg im weltlichen Judenrecht von Böhmen, Polen, Schlesien und Ungarn überliefert, wo sie teilweise noch bis ins 18. Jahrhundert wirksam waren.

Dabei stand der königlich legitimierte Geltungsanspruch der Privilegien stets in Konkurrenz zu kirchlichen und territorialherrschaftlichen Bemühungen um eine rechtliche Schlechterstellung der Juden.

Literatur

  • J. F. Battenberg: Kammerknechtschaft. In: Lexikon des Mittelalters. Band 5: Hiera-Mittel bis Lukanien. Metzler, Stuttgart 1999, ISBN 3-476-01742-7, Sp. 891.
  • Friedrich Battenberg: Das Europäische Zeitalter der Juden. Zur Entwicklung einer Minderheit in der nichtjüdischen Umwelt Europas. Band 1: Von den Anfängen bis 1650. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1990, ISBN 3-534-11381-0, S. 101–110.
  • Dietmar Willoweit: Vom Königssschutz zur Kammerknechtschaft. In: Karlheinz Müller (Hrsg.): Geschichte und Kultur des Judentums. Eine Vorlesungsreihe an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Schöningh, Würzburg 1988, ISBN 3-87717-041-2, (Quellen und Forschungen zur Geschichte des Bistums und Hochstifts Würzburg 38), S. 71–90.

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