Kanalarbeiter

Kanalarbeiter

Als Kanalarbeiter wurde eine einflussreiche Gruppierung von Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion in den Jahren 1957 bis 1982 bezeichnet. Ihre Einstellung galt als eher konservativ und gewerkschaftsnah. Im Jahr 1982 vereinigten sich die „Kanalarbeiter“ mit dem Seeheimer Kreis, nachdem schon seit den 1970er Jahren Mitglieder des „Fritz-Erler-Kreises“ wie Helmut Schmidt oder Georg Leber häufig zu Gast bei ihren Zusammenkünften waren.[1]

Geschichte

Die Kanalarbeiter gingen Mitte der 1950er Jahre aus einer losen Gruppe von Bundestagsabgeordneten hervor, die sich anfangs regelmäßig in einem Bonner Lokal namens „Rheinlust“ (heute steht an dieser Stelle das Haus der Geschichte), in späteren Jahren im „Kessenicher Hof“ trafen. Unter der Führung der SPD-Abgeordneten Egon Franke und Karl Herold fand ein regelmäßiger Stammtisch statt, an dem auch einige Journalisten teilnahmen.

Zu einem festeren Zusammenschluss und zur Prägung des Namens „Kanalarbeiter“ kam es erst im Jahre 1957, als die „Rheinlust“-Runde gemeinsam gegen zu kleine Portionen im Restaurant des Bundeshauses protestierte. Die Mitglieder verspeisten unter großer Beachtung selbst mitgebrachte Würstchen in der Bundestagskantine, von der sie sich lediglich das Besteck ausliehen. Auf die Frage eines Journalisten, was diese Aktion bedeute, antwortete Karl Herold: „Wir sind die Gewerkschaft der Kanalarbeiter.“ Mit dem selbstironischen Namen Kanalarbeiter wollten die Mitglieder der Gruppierung andeuten, dass sie zwar wenig innerhalb der SPD-Bundestagsfraktion zu sagen, wohl aber in den Wahlkreisen und in den unteren Parteigliederungen schwierige Überzeugungsarbeit zu leisten hatten. Der Kantinenprotest war zunächst die erste politische Aktion der „Kanaler“, die um 1968 aus etwa 90 Abgeordneten, meist sogenannten „Hinterbänklern“ bestand.[2]

Literatur

Einzelnachweise

  1. Der freie Wirtschaftsjournalist Hans Henning Zencke schrieb dazu: Noch am Abend desselben Tages, an dem er zum Bundeskanzler gekürt wurde, war Helmut Schmidt im Mai 1974 bei seinen Kanalern im »Kessenicher Hof«. Er wußte, weshalb.
  2. Walter Henkels: Lokaltermin in Bonn. Pabel-Moewig, Rastatt 1987, ISBN 3-8118-4859-3, S. 147

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