Karl Ludwig von Haller

Karl Ludwig von Haller
Karl Ludwig von Haller

Karl (auch: Carl) Ludwig von Haller (* 1. August 1768 in Bern; † 20. Mai 1854 in Solothurn) war ein Schweizer Staatsrechtler, Politiker, Publizist und Nationalökonom in Bern.

Karl Ludwig von Haller wurde bekannt durch sein Werk Restauration der Staatswissenschaften (1816–1834). Dort fordert er in der Zeit nach dem Wiener Kongress von 1815, die nach seinem Buch den Namen Restaurationszeit erhielt, das Wiedererstarken der Fürstenmacht und deren Legitimation und wurde somit zum Vertreter des extremen Konservatismus.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Haller entstammte einer alteingesessenen und angesehenen Berner Patrizierfamilie, er war der Enkel Albrecht von Hallers (1708–1777). 1786 trat er in den Staatsdienst des Kantons Bern ein, für den er bald auch diplomatisch tätig wurde. Wenig später betätigte er sich ebenfalls als Publizist und Schriftsteller; 1798 redigierte er nach der französischen Invasion in der Schweiz für ein Jahr die oppositionellen «Helvetischen Annalen». 1799 floh Haller nach Süddeutschland und Österreich, wo er als Mitglied der Kanzlei des Erzherzogs Karl von Österreich-Teschen (1771—1847) in Wien tätig war.

1806 kehrte er nach Bern zurück und wurde aufgrund seiner Publikationen, obwohl er niemals ein Universitätsstudium absolviert hatte, an die dortige Akademie (der Vorläuferin der Universität Bern) als Professor für allgemeines Staatsrecht, vaterländische Geschichte und Kameralistik berufen. 1814 gab Haller die Professur auf und widmete sich nach der Wahl in den Grossen Rat der Stadt Bern der Ausarbeitung seines theoretischen Hauptwerks «Restauration der Staats-Wissenschaft oder Theorie des natürlich-geselligen Zustands der Chimäre des künstlich-bürgerlichen entgegengesezt», das in sechs Bänden zwischen 1816 und 1834 erschien. Im Oktober 1820 konvertierte Haller heimlich zum Katholizismus; seine Konversion wurde aber bald bekannt, und er verteidigte sich 1821 in einer vielgelesenen Broschüre. Noch im selben Jahr ging Haller, dessen Stellung im reformierten Bern unhaltbar geworden war, nach Paris, wo er sich als Publizist der ultra-royalistischen Presse betätigte. 1824 wurde er «Publiciste attaché au Ministère des Affaires étrangères». Im Mai 1830 zum Professor an der École des Chartes berufen, musste er nach der Julirevolution das Land verlassen, kehrte in die Schweiz zurück und lebte fortan in Solothurn, wo er 1833 in den Großen Rat gewählt wurde und zu den Anführern der ultramontanen Partei zählte. Bis zu seinem Tod war er als konservativer Publizist und Schriftsteller tätig.

Werk

Hallers politisches Denken, das er mit vielen Wiederholungen und zuweilen ermüdender Umständlichkeit in seinem Hauptwerk und in vielen kleineren Schriften entwickelte, geht von der Grundthese aus, dass der «Naturzustand» unter den Menschen nicht durch einen Herrschafts- oder Gesellschaftsvertrag beseitigt worden sei, sondern unvermindert andauere und alle politischen Verhältnisse unmittelbar bestimme. Alle Rechtsverhältnisse seien nach Haller privatrechtlicher Natur; ein sich hiervon abhebendes Staatsrecht könne es nicht geben. Das «Naturgesetz» der Herrschaft des Stärkeren über den Schwächeren sei gottgewollt, jeder Herrscher sei Statthalter Gottes und regiere von Gottes Gnaden. Dennoch sei das Recht des Herrschers kein absolutes Recht: Der Stärkere sei durch Gottes Gesetz zur Unterstützung und zum Schutz der Schwachen verpflichtet und besitze auch nicht das Recht, gegen die göttliche Moral- und Wertordnung zu verstossen. Daher ist der gegen Haller vielfach erhobene Vorwurf, er habe einem «krassen Machtnaturalismus» den Weg gebahnt, unzutreffend. Gegen jeden Herrscher, der gegen Gottes Gesetze verstösst, habe der Untertan, so Hallers Lehre, ein Widerstandsrecht.

Von Bedeutung für die weitere Entwicklung des deutschen Konservatismus wurde Hallers Lehre vom Patrimonialstaat. Danach entsteht jeder Staat aus der Familie: Weil nur die unabhängigen Familienhäupter freie Landeigentümer sein könnten, entwickelten sich aus ihrer Herrschaft mit der Zeit die Monarchie als «naturgemässe» Staatsform. In den weiteren Bänden seines Hauptwerkes entwickelte Haller eine Typologie der verschiedenen Staatsgattungen; er unterscheidet hier neben dem Patrimonialstaat die Militärstaaten, die Priesterstaaten, womit die reine Theokratie gemeint ist, sowie die Republik. Hallers Theorie wurde vor allem infolge seiner Verkennung der Tatsache des modernen Staates von den meisten zeitgenössischen politischen Denkern und Juristen als schon im Ansatz veraltet abgelehnt; zu seinen schärfsten Kritikern zählte Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770–1831). Andererseits gingen von Haller starke und wichtige Anregungen auf fast alle führenden konservativen Politiker, Denker und Publizisten seiner Epoche aus, so etwa auf Carl Ernst Jarcke, Ernst Ludwig von Gerlach und Carl Wilhelm von Lancizolle. Er verfügte über vielfältige Kontakte und Verbindungen in ganz Europa und kann gewissermaßen als Zentrum einer «Internationale der Ultras» in der Ära der Restauration zwischen 1815 und 1848 angesehen werden.

Werke

  • Restauration der Staats-Wissenschaft oder Theorie des natürlich-geselligen Zustands der Chimäre des künstlich-bürgerlichen entgegengesezt
  • Freymaurerey und ihr Einfluss auf die Schweiz. Schaffhausen: Hurter 1840;

Literatur

  • Emil BlöschHaller, Karl Ludwig von. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 10, Duncker & Humblot, Leipzig 1879, S. 431–436.
  • Albert Portmann-Tinguely: HALLER, Karl Ludwig von. In: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon (BBKL). Band 17, Herzberg 2000, ISBN 3-88309-080-8, Sp. 587–614.
  • Kurt Guggisberg: Carl Ludwig von Haller. Frauenfeld/Leipzig 1938
  • Herbert R. Liedke: The German Romanticists and Carl Ludwig von Hallers Doctrines of European Restauration. In: The Journal of English and Germanic Philology. 1958
  • Dijon de Monteton, Charles Philippe: Die Entzauberung des Gesellschaftsvertrags. Ein Vergleich der Anti-Sozial-Kontrakts-Theorien von Carl Ludwig von Haller und Joseph Graf de Maistre im Kontext der politischen Ideengeschichte. Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-631-55538-5
  • Christoph Pfister: Die Publizistik Karl Ludwig von Hallers in der Frühzeit. 1791-1815. Bern: Herbert Lang; Frankfurt/M.: Peter Lang 1975.
  • Ewald Reinhard: Carl Ludwig von Haller - Ein Lebensbild aus der Zeit der Restauration. Köln 1915
  • Ewald Reinhard: Carl Ludwig von Haller, der «Restaurator der Staatswissenschaft». Münster 1933
  • Ewald Reinhard: Der Streit um Carl Ludwig von Hallers «Restauration der Staatswissenschaft». In: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft. 1955, S. 115-130
  • Ronald Roggen: Restauration - Kampfruf und Schimpfwort. Eine Kommunikationsanalyse zum Hauptwerk des Staatstheoretikers Karl Ludwig von Haller (1768–1854). Dissertation Freiburg/Schweiz 1999.
  • Wilhelm Hans von Sonntag: Die Staatsauffassung Carl Ludwig von Hallers, ihre metaphysische Grundlegung und ihre politische Formung. Jena 1929

Weblinks


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