Ultramontanismus

Ultramontanismus
Detail mit dem Schriftzug „Ultramontanen“ in der Kölnischen Zeitung vom 8. Nov. 1881 (siehe auch Bild unten)

Mit dem Begriff Ultramontanismus wird eine politische Haltung des Katholizismus in deutschsprachigen Ländern und den Niederlanden bezeichnet, die sich ausschließlich auf Weisungen von der päpstlichen Kurie, also aus dem von dort aus gesehen „jenseits der Berge“ (lateinisch ultra montes – gemeint sind die Alpen) liegenden Vatikan, stützt.

Inhaltsverzeichnis

Begriffsbildung

1840 brachte Heinrich Heine die in dem Begriff enthaltene Kritik polemisch auf den Punkt: „Pfaffen haben kein Vaterland, sie haben nur einen Vater, einen Papa, in Rom.“[1]

Die Auffassung, Katholiken müssten in Konfliktfällen „papsttreu“ sein, setzte sich im frühen 19. Jahrhundert durch, vor allem im Verlauf des Kölner Kirchenstreits, nachdem die deutsche Reichskirche in den Jahrhunderten zuvor oft ihre Eigenständigkeit gegenüber Rom betont hatte. Der Ultramontanismus stellte zu jener Zeit die herrschende Strömung im Katholizismus dar. Als Schlagwort wurde „ultramontan“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auch im so genannten Kulturkampf gebraucht.

Die komplette Titelseite der Lokalausgabe der Kölnischen Zeitung von 8. November 1881 besteht aus Wahlaufrufen gegen die Ultramontanen.

Für die liberalen Wähler der „III. Classe“ in Köln etwa war die Ultramontane Partei bei den Stadtverordnetenwahlen noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das zentrale Problem; 1879 hatten sie die Papsttreuen besiegt, aber als die Wahl 1881 anstand, flammte ein Zeitungskrieg auf, an dem sich die Nähe der Ultramontanen zum kölnischen Klerus und zum Antisemitismus zeigte. Die Liberalen riefen am 8. November 1881 über die ganze Breite der Titelseite der lokalen Ausgabe der Kölnischen Zeitung (Kölner Stadt-Anzeiger) zu Geschlossenheit gegen die Ultramontanen auf; die hätten nämlich bei einer anderen Wahl „in dicken Lettern an den Erzbischof Welchers in der Volkszeitung geschrieben: Köln ist für Rom wieder erobert! Das ist deutlich genug. Recht deutlich drückt sich wieder das ultramontane Schmutzblatt, der Rheinische Merkur, aus. Da soll nun dem liberalen Gemeinderat endlich der Garaus gemacht werden und der Einfluß und die Überhebung des Judenthums gebrochen werden. Nur ultramontane Stadtverordnete! Das ist die Parole leider geworden“[2].

Seit 1870 vertrat in Deutschland die Zentrumspartei diese politische Richtung. Kurz nach Gründung des Zentrums begann auch die Auseinandersetzung zwischen dem protestantisch-preußisch dominierten Deutschen Reich (unter Reichskanzler Otto von Bismarck) und der katholischen Kirche. Nach der Gründung der CDU 1945 und ihrer nicht konfessionell ausgerichteten Linie verlor der Ultramontanismus stark an politischem Einfluss[3][4].

Auch in Frankreich und Belgien wurde der Begriff verwendet; hier stand er in allgemeinerer Form für eine Frontstellung gegen den in Kirche und Religion aufkommenden Liberalismus.

Ein Vordenker des Ultramontanismus war Joseph Marie de Maistre.

Siehe auch

Literatur

  • Victor Conzemius: Art. Ultramontanismus. In: Theologische Realenzyklopädie. Band 34, 2002, S. 253–263.
  • Gisela Fleckenstein, Joachim Schmiedl (Hrsg.): Ultramontanismus. Tendenzen der Forschung. Bonifatius, Paderborn 2005, ISBN 3-89710-306-0 (Einblicke 8).
  • Jürgen Strötz: Der Fels der Kirche. Ultramontane Kirchenlehre im 19. Jahrhundert, dargestellt am Beispiel des Eichstätter Bischofs Franz Leopold Freiherrn von Leonrod (1827–1905). Kovač, Hamburg 2003, ISBN 3-8300-1108-3 (Studien zu Religionspädagogik und Pastoralgeschichte 4).

Weblinks

 Wikisource: Rom am Rhein – in Die Gartenlaube (1867), Heft 2, 5, 9

Einzelnachweise

  1. Heinrich Heine: Über Ludwig Börne. Viertes Buch
  2. Stadt-Anzeiger zu Nr. 310 der Kölnischen Zeitung, 8. November 1881
  3. Das Kreuz der Christdemokraten mit dem Papst Berliner Zeitung, 6. Februar 2009, S. 2
  4. Kirchenstreit in der Union. Kardinal Meisners Helfer mischen die CDU auf Spiegel online am 25. Dezember 2009

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