Karzinoid-Syndrom

Karzinoid-Syndrom
Klassifikation nach ICD-10
E34.0 Karzinoid-Syndrom
ICD-10 online (WHO-Version 2006)

Unter dem Begriff Karzinoid versteht man in der Medizin eine bestimmte Sorte von neuroendokrinen Tumoren. Die typischen Symptome, die im Rahmen von Karzinoiden auftreten, werden in ihrer Gesamtheit auch als Karzinoidsyndrom bezeichnet.

Inhaltsverzeichnis

Systematik

Karzinoid in der Wand des Dünndarms

Karzinoide sind Tumoren des so genannten neuroendokrinen Systems. Sie sind durch ihre meist niedrige Malignität gekennzeichnet, Karzinoide sind aufgrund des relativ hohen Differenzierungsgrades der Tumorzellen durch ein langsames Wachstum sowie eine gute Prognose charakterisiert. Sie können aber auch in einer bösartigen, malignen Variante auftreten.

In Abhängigkeit von der Lokalisation werden das Thymuskarzinoid, Bronchuskarzinoid, Appendixkarzinoid, Ileumkarzinoid, Rektumkarzinoid, Duodenalkarzinoid sowie das Magenkarzinoid unterschieden, wobei ca. 80 % der Tumore im terminalen Ileum bzw. Appendix lokalisiert sind.

Mittlerweile wird der Begriff Karzinoid nur noch selten verwendet, stattdessen wird heute meist von diffusen neuroendokrinen Neoplasien bzw. nach WHO-Definition von neuroendokrinen Tumoren (NET) gesprochen.

Spezielle NET-Formen sind die GEP-NET (z. B. VIPome, Gastrinome, Insulinome oder Phäochromozytome).

Pathologie

feingeweblicher Schnitt eines Kolon-Karzinoids

Karzinoide sind submukös gelegene Tumoren, die überall dort entstehen können, wo neuroendokrine Zellen vorhanden sind. Im Laufe der Tumorprogression dringen die Tumore in die Tunica muscularis ein und im weiteren Verlauf entstehen zunächst lymphogene und später auch hämatogene Metastasen. Häufig sind beim Karzinoid die Metastasen größer als der Primärtumor.

Die Symptome entstehen – im Gegensatz zu den meisten Neubildungen – nicht durch Verdrängung von gesundem Gewebe oder die konsumierende Wirkung, sondern vorrangig durch die Produktion von Gewebshormonen: Kallikrein u. a., vor allem aber Serotonin.

Symptomatik

Erster Hinweis ist oft ein anhaltender Durchfall (Diarrhoe). Typisch für Karzinoide ist die so genannte Flush-Symptomatik. Darunter ist eine plötzliche blau-rote Verfärbung von Gesicht, Hals und unter Umständen des Oberkörpers zu verstehen. Für die Lokalisationsdiagnostik ist der Flush insofern relevant, dass er für eine bereits metastasierte (in die Leber) oder primär extra-intestinale Lage des Karzinoids spricht. Bei nur intestinal (innerhalb des Magen-Darm-Traktes) gelegenen Tumoren wird das Serotonin durch die Leber abgebaut (siehe auch Pfortader-Kreislauf) und führen nicht zum Flush. Spätfolgen sind u. a. pellagraartige Dermatosen, Tachykardien (hohe Herzfrequenz), Verhaltensveränderungen und Endokardfibrosen des rechten Herzens (Hedinger-Syndrom), die zur Trikuspidalinsuffizienz und zur Pulmonalstenose (beides Formen von Herzklappenschäden) führen können.

Diagnose

Einen ersten Hinweis liefern erhöhte Chromogranin-A-Werte im Serum. Wegweisend ist zumeist der Nachweis erhöhter Serotoninspiegel in Serum bzw. von 5-Hydroxyindolessigsäure (Abbauprodukt von Serotonin) in Urin. Normale Serotoninspiegel bzw. ein negativer Nachweis von 5-HIES schließen einen Tumor jedoch nicht aus. Die Diagnose wird häufig erst spät gestellt, da Karzinoide/neuroendokrine Tumore oft lange keine Symptome verursachen. Unspezifische Beschwerden, die intermittieren können, wie Durchfälle, Verstopfung, Bauchschmerzen und Flush, werden nicht selten als Reizdarmsyndrom fehlgedeutet. Häufig sind die Tumoren daher zum Zeitpunkt der Diagnose bereits fortgeschritten und können trotz ihrer manchmal geringen Größe Metastasen gebildet haben.

Primärtumor und Metastasen werden sonographisch, mit CT, Angiographie oder Endoskopie nachgewiesen. Möglich ist auch die Octreotid-Szintigraphie, da das Karzinoid diese Rezeptoren aufweist. Mit neueren nuklearmedizinischen Nachweismethoden, vor allem mit PET (meist mit einem CT gekoppelt), wird derzeit intensiv versucht, die oft sehr kleinen Tumorherde in einem möglichst frühen Stadium zu erkennen.

Therapie

Primäre Therapie ist die operative Entfernung des Primärtumors und – wenn möglich – einzelner Metastasen. Die Behandlung mit dem Somatostatin-Analogon (Octreotid) kann die Symptomatik durch Hemmung der Hormonsekretion verbessern und wirkt wahrscheinlich auch zytostatisch auf den Tumor. Auch Therapien mit α-Interferon und Serotoninantagonisten (Methysergid) haben sich als wirkungsvoll erwiesen.

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