Kassios Longinos

Kassios Longinos

Longinos (Kassios Longinos, lateinisch Cassius Longinus; * um 212; † 272 in Emesa) war Philosoph (Platoniker) und Philologe. Die mitunter vorkommende Namensform "Kassios Dionysios Longinos" ist falsch; sie beruht auf einer Verwechslung mit einem anderen Autor (Pseudo-Longinos).

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Studium

Longinos stammte mütterlicherseits aus einer angesehenen Familie in Emesa (heute Homs in Syrien); sein Vater ist unbekannt. Schon in seiner Kindheit, als er seine offenbar wohlhabenden Eltern auf zahlreichen Reisen begleitete, und später in seinen Studienjahren lernte er den Osten des Römischen Reichs kennen. Dabei begegnete er vielen Philosophen und sonstigen Vertretern des kulturellen Lebens. Er studierte in Alexandria bei dem Philosophen Ammonios Sakkas, dem Begründer der heute als Neuplatonismus bezeichneten Strömung.

Lehrtätigkeit

Nach dem Abschluss seiner Ausbildung ließ Longinos sich in Athen nieder und begann dort platonische Philosophie und Rhetorik zu unterrichten. Die von ihm geleitete Schule wurde zur Begegnungsstätte bedeutender Gelehrter und zu einem wichtigen Zentrum des Platonismus, das mit der römischen Schule Plotins konkurrierte. Zu den Schülern des Longinos zählte in den fünfziger Jahren Porphyrios, der später nach Rom ging, wo er Schüler Plotins wurde. Longinos war wegen seiner umfassenden Bildung und seiner Fähigkeiten als Literarkritiker berühmt und war eine Autorität in Geschmacksfragen. Er wurde aber von Plotin kritisiert, weil er eigentlich nur Philologe und kein richtiger Philosoph sei.

Longinos verfasste zahlreiche Werke, die bis auf Fragmente verloren sind. Dazu gehörten Kommentare zu Werken Platons, ein Handbuch der rhetorischen Technik sowie philologische Schriften (vor allem zur Lexikographie und zur Literarkritik, insbesondere zur Homerphilologie). Seine berühmten Philologischen Vorlesungen umfassten 21 Bücher. Die Nachwirkung seiner philologischen Werke war größer und anhaltender als die der philosophischen.

Politische Aktivität

Nachdem die Heruler um 267 Athen zerstört hatten, begab sich Longinos nach Phönizien, wo er Berater der Zenobia, der Herrscherin des faktisch von Rom weitgehend unabhängigen Teilreichs von Palmyra wurde. Offenbar gehörte er zu den maßgeblichen Köpfen hinter dem Plan, aus großen Teilen des römischen Ostens einen selbständigen Staat mit Palmyra als Hauptstadt zu bilden, und stellte seine rhetorischen Fähigkeiten in den Dienst dieser Idee. Als dann der römische Kaiser Aurelian 272 die Palmyrener besiegte, wurden Zenobia und Longinos gefangengenommen und wegen Hochverrat vor Gericht gestellt. Zenobia schob die Schuld auf ihre Berater. Sie kam mit dem Leben davon, Longinos wurde hingerichtet. Der Prozess erregte großes Aufsehen. Für die spätere Tradition wurde Longinos wegen seiner Standhaftigkeit vor Gericht zum Vorbild eines Philosophen, der sich unerschütterlich zu seiner Überzeugung bekennt.

Lehre

Obwohl Longinos Schüler des Ammonios Sakkas war, wird er nicht dem Neuplatonismus, sondern dem Mittelplatonismus zugerechnet, war also konservativ. Er legte großen Wert auf Treue zur ursprünglichen Tradition Platons, dessen Geburtstag jedes Jahr in großem Stil gefeiert wurde. Er bemühte sich aber auch darum, die aristotelische Logik in das platonische Lehrgebäude zu integrieren. Der markanteste Unterschied zum Neuplatonismus Plotins betrifft die Ontologie. Er besteht darin, dass Longinos dem Nous einen höheren ontologischen Rang zuwies als Plotin und Plotins Auffassung ablehnte, wonach die Ideen innerhalb des Nous existieren. In der Seelenlehre kämpfte Longinos gegen die Auffassungen der Stoiker und der Epikureer; nachdrücklich verteidigte er die Unsterblichkeit der Seele.

Quellen

  • Jan Radicke (Hrsg.): Felix Jacoby 'Die Fragmente der griechischen Historiker' continued, Teil IV A: Biography, Fasc. 7: Imperial and undated authors, Brill, Leiden 1999, S. 326-339 (Nr. 1091). ISBN 90-04-11304-5

Literatur

Weblinks


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