Kathedrale Saint-Julien

Kathedrale Saint-Julien
Die Kathedrale. Gut zu erkennen ist der Chor, der ganz in der Tradition von Bourges liegt.

Die Kathedrale Saint-Julien du Mans in Le Mans ist dem heiligen Julian geweiht und gehört zu den wenigen Bauwerken, die in der Tradition der Kathedrale von Bourges liegen. Bourges hatte 1195 eine eigene Bauschule in Konkurrenz zu Chartres entwickelt, der aber nur wenige Kathedralen gefolgt waren. Eine davon ist der große Chor von Le Mans.

Dieser fünfschiffige, mit doppeltem Umgang versehene Chor besitzt ein ungewöhnliches Strebewerk, das auf den ersten Blick aussieht wie ein hochkompliziertes Skelettsystem. Hier wird im Bereich des Chorhauptes der einzelne Strebepfeiler aufgesplittet, d. h. zwei zusammengehörige Strebepfeiler vereinen sich mit ihren Bögen auf dem Weg zum Obergaden des Schiffes, so dass im Endeffekt nur ein Bogen an der Mauer ansetzt. Diese aufwändige und komplizierte Konstruktion ermöglicht im Chorinneren Lichtverhältnisse, die zu den faszinierendsten der gesamten Gotik zählen. Durch die Technik dieses Aufsplittens konnten die Pfeiler viel weiter nach außen weg geschoben werden, als wenn sie jeweils nur alleine stünden. Und dadurch war es möglich, zwischen ihnen Kapellen einzuziehen, die zusätzlich Licht hereinlassen und auch zwischen diesen Kapellen konnten in den verbleibenden Wandstücken Fenster eingesetzt werden. Dadurch ist eine beeindruckende Staffelung von Lichtschichten entstanden.

St-Julien wurde 1217 begonnen, genauer gesagt wurde der Chor in diesem Jahr begonnen. Es gibt nämlich als weitere Eigentümlichkeit dieser Kirche ein romanisches Langhaus (1135–1158), an das der Chor angebaut wurde.

Der Grundriss der Kathedrale, auf dem der Übergang vom romanischen auf den gotischen Teil gut zu erkennen ist.

Inhaltsverzeichnis

Romanisches Langhaus

Das Langhaus ist allerdings nicht rein romanisch, die Gewölbe sind frühgotisch. Ursprünglich war es flachgedeckt, nach mehreren Bränden wurde es aber ab 1137 mit einem neuen Obergaden und einer frühgotischen normannischen Rippenwölbung ausgestattet – ungefähr im selben Jahr, als in St-Denis der Grundstein der ersten gotischen Kirche gelegt wurde. Die Reihe der ehemals gleichförmigen Bogen des Untergeschosses wurde allerdings durch neue Zwischenpfeiler gestört, die die Rippen aufnehmen und die dadurch den Raumeindruck veränderten. Die Joche zeigen aber immer noch einen dreizonigen Wandaufriss mit einem aufgeblendeten, alternierend durch Fenster geöffneten Triforium. Hier im romanischen Teil des Langhauses herrscht noch die Betonung des Volumens von Mauern und Pfeilern.

Die Kapitelle im Langhaus weisen als große Seltenheit noch Farbreste auf, die zumindest andeutungsweise den ursprünglichen Zustand deutlich machen, als solche Bauteile durchgehend bemalt waren. Überhaupt ist die plastische Ausstattung dieses englisch beeinflussten Baues hervorragend. Das Zickzackband der Normannen, die auch in Nordfrankreich vertreten waren, bestimmt die Gestaltung von Gesimsen und Bogenverzierungen.

Gotischer Chor

Inneres des Chores

In Richtung Chor kommt dann innerhalb der Kirche ein radikaler Bruch. Die gesetzte Romanik stößt übergangslos an hoch gesteigerte Gotik. Das romanische Langhaus kommt im unteren Teil des Querhauses an und muss von einem zusätzlichen Maßwerkfenster überhöht werden, um die Gewölbehöhe zum Querhaus, die zehn Meter höher liegt, auszugleichen.

Das ist nicht die einzige Unregelmäßigkeit, die während des Baues gelöst werden musste. Ein Blick in die Gewölbezone zeigt, dass hier an zwei Stellen Brüche kaschiert wurden. Dabei ist eine Skurrilität entstanden, ein Minigewölbe in der Mitte. Nach Vollendung des Chores 1245 wurde er an die bestehende Vierung angeschlossen, die damals niedriger war und erst im 14. Jahrhundert zur Höhe des Chores hochgezogen wurde. Zur Zeit des Chorneubaus stand dort eine massive Mauer, die den wesentlich höheren Neubau gegen ein Absinken auf den niedrigeren Nebenbau geschützt hat. Diese Mauer hat man später abgerissen, als auch das Querhaus fertig war und man anstelle der Mauer ein neues, extrem schmales Gewölbe eingezog.

Das Wandsystem im Hoch-Chor ist im Gegensatz zu Bourges zweiteilig, da die Arkaden bis zu den Fenstern hochgezogen sind, also eine außerordentliche Höhe erreichen. Der Chorumgang dagegen ist dreigeschossig mit eigener Fensterzone und eigenem Triforium, wie es dem Bourgeser System entspricht. Die Fenster des Chor-Umgangs sind aus der Zeit um 1230/40 und zeigen noch Einflüsse von Chartres, während die jüngeren Fenster des Obergadens bereits das Vorbild der Sainte-Chapelle in Paris aufnehmen.

Die einzelnen Zonen des optischen Grundes sind auf verschiedene Raumschichten verteilt, so dass der erste Umgang im Vergleich zum zweiten das basilikale Motiv des Kernraumes wiederholt. Die Lichtintensität nimmt daher nach oben hin zu.

Siehe auch

Literatur

  • Günther Binding: Was ist Gotik? Eine Analyse der gotischen Kirchen in Frankreich, England und Deutschland 1140 – 1350. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2000.
  • Werner Schäfke: Frankreichs gotische Kathedralen. DuMont, Köln 1994.

Weblinks


48.0092150.1987897Koordinaten: 48° 0′ 33,2″ N, 0° 11′ 55,6″ O


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