Katholische Arbeitertochter vom Land

Katholische Arbeitertochter vom Land

Katholische Arbeitertochter vom Land ist eine auf Ralf Dahrendorf zurückgehende Formel, mit der in der Bundesrepublik Deutschland ab Mitte der 1960er Jahre die Bildungsbenachteiligung aufgrund einer besonderen Mehrfachunterdrückung bezeichnet wurde.

Inhaltsverzeichnis

Bildungsbenachteiligung in der Nachkriegszeit

Vor allem in der Arbeiterklasse galt bis in die 1970er Jahre oftmals, dass Frauen nicht studieren müssen, "da sie ja sowieso heiraten". Der Soziologe Ralf Dahrendorf stellte in seiner Untersuchung "Bildung ist Bürgerrecht" 1966 zur Identifikation der bildungsbenachteiligten Gruppe fest: „Hier stoßen wir auf die drei großen Gruppen der Landkinder, der Arbeiterkinder und der Mädchen, zu denen mit gewissen Einschränkungen als vierte katholische Kinder kommen“ [1] Erst mit der Feststellung der Bildungskatastrophe in den 1960er Jahren, die zu einer leichten Öffnung von Gymnasium, Abitur und Studium für Arbeiterkinder führte, und mit der in Folge des Feminismus eintretenden Emanzipation von Frauen verbesserte sich auch die Situation für Arbeitertöchter im Bildungswesen.

Während noch in den 1970er Jahren „Katholische Arbeitertochter vom Land“ eine Formel für die Mehrfachbenachteiligung war, wird heute eher vom „Türkischen Jugendlichen aus dem Problemviertel[2] oder vom „Migrantensohn[3] gesprochen. Geblieben ist als Merkmal für Bildungsbenachteiligung die Herkunft aus niedrigen sozialen Schichten.

Medien

In der preisgekrönten Literaturverfilmung Teufelsbraten von Ulla Hahns Roman Das verborgene Wort wird der Bildungsaufstieg einer Arbeitertochter in einer provinziellen Kleinstadt im Rheinland der 1950er Jahre nachgezeichnet. In dem katholischen Elternhaus stehen die Eltern dem Bildungshunger der Tochter skeptisch gegenüber und empfinden die Tischmanieren und das Hochdeutsch der Tochter als Abwertung ihrer Lebensweise.

Siehe auch

Literatur

  • Viyan C. Adair, Sandra L. Dahlberg (Hrsg.): Reclaiming Class. Women, Poverty, and the Promise of Higher Education in America, Philadelphia 2003 ISBN 1-59213-022-4
  • bell hooks: where we stand: Class Matters, New York 2000 ISBN 0-415-92913-X
  • Hannelore Bublitz: Ich gehörte irgendwie so nirgends hin: Arbeitertöchter an der Hochschule. Focus, Gießen 1980, ISBN 3-88349-208-6.
  • Ralf Dahrendorf (1966): Bildung ist Bürgerrecht. Hamburg: Nannen-Verlag
  • Erika Haas: Arbeiter- und Akademikerkinder an der Universität. Eine geschlechts- und schichtspezifische Analyse. Campus, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-593-36223-6.
  • Ulla Hahn: Das verborgene Wort Dtv Juni 2003 ISBN 342313089X
  • Anne Schlüter (Hrsg.): Arbeitertöchter und ihr sozialer Aufstieg. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und sozialer Mobilität. Deutscher Studienverlag, Weinheim 1992, ISBN 3-89271-327-8.
  • Anne Schlüter (Hrsg.): Bildungsmobilität. Studien zur Individualisierung von Arbeitertöchtern in der Moderne. Deutscher Studienverlag, Weinheim 1993, ISBN 3-89271-417-7.
  • Gabriele Theling: Vielleicht wäre ich als Verkäuferin glücklicher geworden: Arbeitertöchter & Hochschule. Westfälisches Dampfboot, Münster 1986, ISBN 3-924550-18-2.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rainer Geißler: Die Metamorphose der Arbeitertochter zum Migrantensohn. Zum Wandel der Chancenstruktur im Bildungssystem nach Schicht, Geschlecht, Ethnie und deren Verknüpfungen. [1]
  2. Beate Hock / Gerda Holz (Hg.): Erfolg oder Scheitern? Arme und benachteiligte Jugendliche auf dem Weg ins Berufsleben. Fünfter Zwischenbericht zu einer Studie im Auftrag des Bundesverbandes der Arbeiterwohlfahrt [2] S. 9
  3. Rainer Geißler: Die Metamorphose der Arbeitertochter zum Migrantensohn. Zum Wandle der Chancenstruktur im Bildungssystem nach Schicht, Geschlecht, Ethnie und deren Verknüpfungen, in: Peter A. Berger, Heike Kahlert (Hrsg.): Institutionalisierte Ungleichheiten. Wie das Bildungswesen Chancen blockiert, Juvenat Verlag Weinheim und München 2005, S. 71–100 ISBN 3-7799-1583-9

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