Kellertheater

Kellertheater

Kellertheater sind Theaterräume, die verhältnismäßig wenige Zuschauer aufnehmen können und oft Studiobühnen sind.

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Die ersten Kellertheater entstanden in Wien in den 1930er-Jahren, als sich junge Theaterschaffende und Schauspieler, die in der Zeit hoher Arbeitslosigkeit ohne Aussicht auf ein Engagement an einer großen Bühne und unzufrieden mit der konventionellen Spielplangestaltung alternative Arbeitsmöglichkeiten schufen.[1]

Als Erfinder des Kellertheaters gilt der aus Horodenka in Galizien stammende Jude Elias Jubal (Benno Neumann), ein ehemaliger Max Reinhardt-Seminarist, der 1928 die erste Kellerbühne in Wien gründete und 1934 im Souterrain des Hôtel de France das Theater für 49 am Schottentor begründete. Mit seinem Theater nützte Jubal eine Lücke im österreichischen Theatergesetz, das eine – schwer zu erhaltende – Konzession erst für Theater mit über 50 Plätzen forderte.[2] Dieser Trick löste eine Welle von Neugründungen kleiner Theater aus, die zu einem Auffangbecken für junge Talente wurden und auch jungen, unbekannten Autoren eine Plattform boten und einen oft avantgardistischen Spielplan boten. Dazu gehörten das Moderne Theater am Schwarzenbergplatz und das Theater am Neubau.[1] Die Insel wurde vom späteren Direktor des Wiener Volkstheaters Leon Epp am Parkring im Palais Erzherzog Eugen eröffnet.[3]

Der aus Berlin emigrierte Piscator-Schüler Ernst Lönner gründete mit seinem Kleinen Theater in der Praterstraße ebenfalls eine Avantgardebühne, die jedoch nicht in einem Keller lag, sondern in der Praterstraße 60.[4]

Deutsche Kabarettisten, die nach Hitlers Machtergreifung nach Wien emigriert waren, gründeten mit jungen österreichischer Autoren wie Peter Hammerschlag, Gerhart Hermann Mostar, Hans Weigel und Rudolf Weiss kleine Theater, die sich zumeist in den Kellern von Wiener Kaffeehäusern befanden. Diese Kellertheater spielten hauptsächlich politisches Kaberett und wurden unter der Bezeichnung Kleinkunstbühnen zusammengefasst. Dort wurde auch Jura Soyfer zu einem der bedeutendsten österreichischen Dramatiker seiner Zeit.

Die erste Bühne dieser Art war der Liebe Augustin im Café Prückl am Lueger-Platz, gegründet 1931 unter der Leiterin Stella Kadmon. Im November 1933 entstand die Literatur am Naschmarkt, für die Jura Soyfer sein Stück Der Lechner Edi schaut ins Paradies schrieb. Im März 1934 wurde das ABC zunächst unter dem Namen Brettl am Alsergrund im Café City in der Porzellangasse eröffnet, ein Jahr später übersiedelte es ins Café Arkaden in der Universitätsstraße. Für das ABC schrieb Soyfer Der Weltuntergang, Astoria, Vineta und Broadway Melodie 1492.

Das Kabarett Simpl in Wien wurde bereits 1912 eröffnet, und wurde eines der beliebtesten Kellertheater in Wien. In den 1920er- und 1930er-Jahren wurde es zu einem kabarettistischen Revuetheater unter Karl Farkas und Fritz Grünbaum, das diese bis zwei Tage vor dem Anschluss am 10. März 1938 bespielten.

Nachkriegszeit

Nach dem Zweiten Weltkrieg folgten eine Reihe von Neugründungen, von denen manche Kellertheater kurzlebige Unternehmungen waren, andere konnten sich im Lauf der Jahre etablieren, darunter das Ateliertheater am Nachmarkt von Veit Relin, das Theater der Courage von Stella Kadmon, Experiment am Liechtenwerd von Conny Hannes Meyer oder Die Tribüne im Café Landtmann, gegründet 1953. Für viele der Schauspieler, Regisseure und Bühnenbildner der Nachkriegsgeneration boten diese Kellertheater die erste Chance auf künstlerische Entfaltung. Manchmal spielten auch arrivierte Schauspieler in den Kellertheatern. Viele Dramen emigrierter Autoren erlebten ihre Wiener Erstaufführung nach dem Krieg in den Kellertheatern.

In Polen gründete Jerzy Grotowski 1959 das Teatr 13 Rzędów, das Theater der 13 Reihen in Opole, das 1965 nach Wrocław (Breslau) umzog und sich zu einem wahren „Theaterlaboratorium“ und Forschungsinstitut für schauspielerische Methoden entwickelte.

Kellertheater heute

Heute dienen die Kellertheater vor allem der Aufführung von zeitgenössischen Werken, die an den großen Theatern wenig gespielt werden.

Zeitgenössische Kellertheater sind etwa Kellertheater Frankfurt, Innsbrucker Kellertheater, Kellertheater Hamburg, Linzer Kellertheater, Neues Kellertheater Wetzlar, Kellertheater Bremgarten, Kellertheater Winterthur, Sulzbacher Kellertheater.

Literatur

  • Brigitte Dalinger: „Verloschene Sterne“. Geschichte des jüdischen Theaters in Wien. Picus-Verlag, Wien 1998, ISBN 3-85452-420-X.
  • Elisabeth Epp: Glück auf einer Insel. Leon Epp – Leben und Arbeit. Verlag Braunmüller, Wien 1974, ISBN 3-7003-0083-2.
  • Hilde Haider-Pregler, Beate Reiterer (Hrsg.): Verspielte Zeit. Österreichisches Theater der dreißiger Jahre. Picus-Verlag, Wien 1997, ISBN 3-85452-402-1.
  • Ulrike Mayer: Theater für 49 in Wien 1934–1938. Dissertation, Universität Wien 1994.

Einzelnachweise

  1. a b Ulrike Oedl: Das Exilland Österreich zwischen 1933 und 1938. PDF Auch in: Österreichische Literatur im Exil. Salzburg 2002
  2. Ulrike Mayer: Theater für 49 in Wien 1934–1938. Dissertation, Wien 1994)
  3. Siehe Elisabeth Epp unter Literatur
  4. Paulus Manker: Der Theatermann Gustav Manker. Spurensuche. Wien 2010

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Kellertheater Frankfurt — Eingang des Theaters in der Mainstraße Das Kellertheater Frankfurt ist eine Bühne in Frankfurt am Main. Es befindet sich seit 1980 in der Mainstraße 2. Geführt wird es von der Junge Bühne Frankfurt e. V. und ist seit 1975 im Vereinsregister… …   Deutsch Wikipedia

  • Kellertheater Katakömbli — Das Kellertheater Katakömbli ist ein Theater an der Kramgasse 25 in der Berner Altstadt. Es gehört seit den 1960er Jahren zur Kleinkunstszene von Bern und bringt jeweils von Anfang Oktober bis Mitte Mai Theaterstücke, Musik , Film und andere… …   Deutsch Wikipedia

  • Jytte-Merle Böhrnsen — (* 5. Januar 1984 in Hamburg) ist eine deutsche Schauspielerin. Bereits mit sieben Jahren stand Böhrnsen auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. 2001 bis 2002 absolvierte sie ein Jahr am Lee Strasberg Theatre Institute in New… …   Deutsch Wikipedia

  • Jytte Merle Böhrnsen — (* 5. Januar 1984 in Hamburg) ist eine deutsche Schauspielerin. Bereits mit sieben Jahren stand sie auf der Bühne des Deutschen Schauspielhauses in Hamburg. 2001 bis 2002 absolvierte sie ein Jahr am Lee Strasberg Theatre Institute in New York.… …   Deutsch Wikipedia

  • TeAtrum VII — teAtrum VII: Logo teAtrum VII Produktion Die Möwe , 2007 (Naxoshalle) …   Deutsch Wikipedia

  • Brämgarte — AG dient als Kürzel für den Schweizer Kanton Aargau und wird verwendet, um Verwechslungen mit anderen Einträgen des Namens Bremgarten zu vermeiden. Bremgarten …   Deutsch Wikipedia

  • Cafe Landtmann — Café Landtmann im Palais Lieben Auspitz Das Café Landtmann, vom Dach des Burgtheaters fotografiert Das Café Landtmann ist ein …   Deutsch Wikipedia

  • Franz Landtmann — Café Landtmann im Palais Lieben Auspitz Das Café Landtmann, vom Dach des Burgtheaters fotografiert Das Café Landtmann ist ein …   Deutsch Wikipedia

  • Liste deutschsprachiger Theaterbühnen — Die Liste deutschsprachiger Theaterbühnen dient der möglichst vollständigen Erfassung größerer und kleinerer Aufführungshäuser für das deutsche Sprechtheater und das Kabarett. Die Liste wird alphabetisch nach Staaten und Ländern, dann Städten und …   Deutsch Wikipedia

  • Museen in Frankfurt am Main — Die Alte Oper am Opernplatz in Frankfurt am Main Das Angebot an Kultur in Frankfurt am Main ist äußerst vielseitig. Rund 20 Bühnen, 30 freie Theatergruppen und über 60 Museen sowie Ausstellungshäuser werben um ihr Publikum, und das nicht nur in… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”