Kirche im kolonialen Brasilien

Kirche im kolonialen Brasilien

„Das hauptsächliche Anliegen, das mich dazu bewegte, Brasilien zu bevölkern, war, dass die Menschen in Brasilien sich zu unserem heiligen katholischen Glauben bekehrten. “

Diese programmatische Aussage Joãos III. an Tomé de Souza, den ersten Generalgouverneur in Brasilien, demonstriert deutlich, welch eine große Rolle das christliche Sendungsbewusstsein bei der Kolonisation des Landes zumindest in der offiziellen Terminologie spielte. Obwohl man sich sicherlich hüten muss, in einem edlen Missionsauftrag die größte Motivation für die portugiesische Brasilienpolitik zu sehen, ist der religiöse Aspekt bei der Besiedlung nicht zu unterschätzen. Neben der Missionierung der Ureinwohner und der Regelung des sozialen Lebens in der Kolonie ging der Einfluss des christlichen Gedankenguts bis weit in die Bereiche der Kolonialverwaltung und der königlichen Politik hinein.

Inhaltsverzeichnis

Methodische Ansätze zu einer brasilianischen Kirchengeschichte

Verschiedene Ansätze zu einer Kirchengeschichte Brasiliens bewegen sich grob eingeteilt zwischen zwei Polen. Traditionelle Ansätze beschreiben i. d. R. die Entwicklung der Kirche im Zuge der Besiedlung Brasiliens und weisen in Anlehnung an die Aussagen zeitgenössischer Kleriker auf das Verdienst der Kirche hin, den Ureinwohnern den „richtigen“ Glauben gebracht zu haben. Dieser Perspektive stellten die Vertreter der Theologie der Befreiung die Geschichte aus der Sicht der betroffenen Ureinwohner entgegen. Vor allem die Arbeit einer Gruppe um den Theologen Eduardo Hoornaert stieß eine stärker problematisierende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der brasilianischen Kirche an. Für eine ausgewogene Darstellung ist es sicherlich nötig, beide Aspekte zu beachten, da das Christentums sowohl bei der Entwicklung der kolonialen Gesellschaft als auch beim Umgang mit der indigenen Bevölkerung eine zentrale Rolle spielte.

Kirche und Mission im Prozess der Kolonisation

Beeinflussende Faktoren im Vorfeld

Um die Bedeutung der Kirche und des religiösen Gedankenguts für den Prozess der portugiesischen Kolonisation besser zu verstehen, ist es hilfreich, einige Einflüsse zu beachten, die im Vorfeld der Expansion eine zentrale Rolle spielten.

Die Reconquista

Die überseeische Expansion Portugals wurde von den Zeitgenossen vor allem als nahtlose Weiterführung der Reconquista der iberischen Halbinsel angesehen. Auch wenn die meisten sich der ökonomischen Beweggründe sicherlich im Klaren waren, schaffte die religiöse Motivation des Kampfes gegen die Ungläubigen und der Sorge um die Seelen der Heiden die nötige Rechtfertigung. Im Zuge der Verdrängung der Mauren war die Krone bemüht, in Afrika in Form von Faktoreien Fuß zu fassen, umso den Handelsweg nach Asien direkt erschließen zu können. Die Auseinandersetzung mit den Muslimen war in hohem Maße religiös motiviert, wobei es für die Praxis keinen großen Unterschied zwischen sicherlich vorhandenem Sendungsbewusstsein und der Sicherung ökonomischer Interessen gab. Dieser religiöse Zug wurde in besonderer Weise von den Ritterorden, allen voran dem Christusorden geprägt und gefördert.

Der Christusorden

Der Christusorden war ein vom portugiesischen König gegründeter Nachfolger der Tempelritter. Die Mitglieder betrachteten es als ihre Aufgabe, den katholischen Glauben überall auf der Welt zu verbreiten. Legitimes Mittel dazu war der Krieg gegen die „Heiden“, herrschte doch die weit verbreitete Meinung, die Unterwerfung der Indios sei ein notwendiger Schritt zu ihrer Bekehrung. Der Christusorden entwickelte sich schnell zu einer Hauptinstanz was die portugiesische Mission anging. Vom Papst bekam er das Recht auf die gesamte kirchliche Gerichtsbarkeit, sowie das volle Investiturrecht für alle Ämter in den neugeschaffenen Diözesen. Im Gegenzug zur Missionierungsarbeit Portugals bestätigte der Papst den Anspruch des Landes auf alle bereits entdeckten und noch zu entdeckenden Gebiete in der neuen Welt. Als der König schließlich Großmeister des Ordens wurde, gerieten Mission und Kirche in den eroberten Gebieten vollständig in die Abhängigkeit von der Krone.

Das Padroado Real

Der Höhepunkt des königlichen Machtgewinns in dieser Frage war jedoch das Padroado Real aus dem Jahr 1551. Damit sicherte der Papst dem König die Großmeisterwürde auf ewig zu und stellte die gesamte Kirche in den Kolonien unter seine Gewalt. Der König wurde damit zu einer Art Laienpapst für die neuen Gebiete, der alle Ämter und Pfründen vergab. Sogar die Verwaltung des Kirchenzehnts oblag der Krone. Als Gegenleistung verpflichtete sich der König, den Glauben in den Gebieten auszubreiten, den Aufbau der kirchlichen Einrichtungen zu übernehmen und den Klerus zu bezahlen. Vor allem die Verwaltung des Kirchenzehnts und die Übernahme aller Finanzierungsaufgaben machten den Klerus schnell vollständig von der Krone abhängig. Rom war durch diese Entwicklung der Einfluss auf die Missionskirchen so gründlich entzogen, dass sich die Kurie 1622 genötigt sah, mit der Propaganda fide stärker zu versuchen, in das kirchliche Geschehen in den Kolonien einzugreifen. Die totale Abhängigkeit der Missionskirche von der Krone hatte entsprechend tiefgreifende Auswirkungen auf ihre Entwicklung, die im Folgenden aufgezeigt werden.

Die Ausbildung der kirchlichen Strukturen

Die Entwicklung der Diözesen

Die Entwicklung der ganzen Struktur einer Landeskirche ging in Brasilien insgesamt nur sehr schleppend voran. In den ersten Jahrzehnten kümmerte sich die Krone äußerst wenig um den Ausbau der Kirche in der Kolonie. Lange Zeit gehörte ganz Brasilien zu dem Bistum Funchal auf Madeira. Mit der Errichtung des Generalgouvernements in Brasilien 1551 wurde auch das erste Bistum in Salvador (Bahia) errichtet. Erst 1677 wurden zwei weitere Bistümer in Olinda (Pernambuco) und Rio de Janeiro eingerichtet, während Bahia zum Erzbistum erhoben wurde. Insgesamt lässt sich feststellen, dass die Diözesen dem allgemeinen Ausbau der Kolonie folgten. Die Situation der Kirche spiegelte das geringe Interesse der Krone an der Kolonie im 16. und 17. Jh. wider. Auch Kirche und Mission konnten hier keine zusätzliche Dynamik herein bringen.

Die Kleriker

Bedingt durch diese schlechte Entwicklungslage hatte der offizielle Klerus keinen besonderen Einfluss auf die tatsächliche Glaubenspraxis in dem Land. Bestärkt wurde diese Entwicklung noch dadurch, dass manche der höchsten Kleriker, die oft eo ipso auch schon etwas älter waren, die lange Reise in die „unzivilisierte Kolonie“ gar nicht erst antraten, sondern eine Vertreter schickten. So fielen die meisten geistlichen Aufgabe in der Gesellschaft vor allem dem niederen Klerus zu. Dieser hatte meistens eine relativ feste, oft auch finanzielle Verbindung mit einem Gutsbesitzer und kümmerte sich um alle Angelegenheiten im Einflussgebiet eines Guts oder einer kleineren Ortschaft, die kirchlich geregelt werden mussten, wie Hochzeiten, Taufen, Messen, etc. Ihnen oblag auch die schulische Erziehung der Kinder der Herrschaften und die christliche Erziehung der Sklaven. Ein sehr strittiges Thema der Zeit war die Frage nach Klerikern aus der indigenen Bevölkerung. Während es im Lager der missionarischen Orden immer wieder positive Stimmen dazu gab, konnte sich die Idee jedoch nie wirklich durchsetzen. Einzelne Beispiele für Indianer oder selbst Mestizen lassen sich höchsten in den niederen Rangstufen finden. Einer der Gründe liegt sicherlich darin, dass es in Brasilien in der Kolonialzeit nie eine Hochschule als Ausbildungsstätte für höhere Kleriker gab. Doch die Quellenlage dazu ist nur sehr marginal und es gibt auch wenige ernsthafte Forschungsansätze.

Der soziale Einfluss des Katholizismus

Als Folge der schwachen Kirchenstrukturen war des geistliche Leben in Brasilien oft dezentral an den lokalen Herrenhäusern und Plantagen orientiert, die allerdings eingerechnet ihrer Sklaven nur wenig hinter den geringen Einwohnerzahlen der Städte zurückblieben. Es entwickelte sich eine besondere Form des Katholizismus, die streng auf die gesellschaftliche Ordnung ausgerichtet war. Wie das königliche Padroado im Großen war der Gutsherr der Kirchenpatron im Kleinen, unter dessen Auftrag Priester und Kapläne arbeiteten. Diese Stellung als quasi oberste Kirchenherren nutzten die Gutsbesitzer, um ihren Status als Oberhaupt sakral zu überhöhen und eine Art religiöse Legitimität zu verschaffen. Bei den Plätzen in der Kirche unterschied man streng zwischen der Herrenfamilien, den Mestizen und den indigenen und später schwarzen Sklaven. Auch bei der Verleihung der Sakramente wurden die Herrschaften deutlich bevorzugt. Das gesellschaftliche Leben fand in großen Teilen in katholischen Bruderschaften statt, die wiederum nach Hautfarbe und gesellschaftlichem Stand voneinander abgegrenzt waren. Den unterdrückten Opfern dieses Systems predigte man, dass ihre Leiden denen des Erlösers zu vergleichen seien, wobei sich anscheinend niemand daran störte, das ihre Urheber fromme Katholiken waren. So bestätigte die Religion die Herrschaft der Weißen und leitete die Farbigen dazu an, sich dieser „heiligen“ Ordnung zu unterwerfen. Die Kirche, die in dieser Weise ein politisches Instrument war, hat entsprechend wenig missionarisch gewirkt. Durch ihre starke Vereinnahmung für die Kolonialherren fehlte ihr die Dynamik einer aktiven Missionskirche. In seinem einflussreichen Werk „Herrenhaus und Sklavenhütte“ schreibt der Historiker Freyre: „... hinsichtlich der Impulse, die die Kirche am Anfang entwickelt hatte, um in Brasilien Herrin des Landes zu werden, unterlag diese schließlich dem Herrenhaus“ Ein weiterer Ausdruck dieses Kirchenzustandes waren die vielfältigen ökonomischen Aktivitäten der Kleriker. Weil sie viele Abgaben auch in Form von Naturalien einzogen, entwickelte sich die Kirche schnell zu einem Umschlagplatz für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Geldgeschäfte, vor allem mit Darlehenvergaben kamen dazu, so dass Hoornaert schreibt: „The spacious corridors of some convents were like Banking Halls“. Die Legitimation dieses Vorgehens lag zunächst darin, dass die Kirchen und Missionen so z.T. selbst für ihren Unterhalt aufkommen konnten. Doch hat sich diese Tätigkeit oft auch verselbständigt, so dass der Umgang mit der indigenen Bevölkerung entsprechend darunter gelitten hat. Allgemein lässt sich also feststellen, dass der katholische Glaube eine große soziale und ökonomische Rolle bei der Entwicklung der Kolonie spielte. Diese Rolle war jedoch z.T. zweckentfremdet und einer Missionierung der Einheimischen, wie es João III. noch besonders betonte, oft auch abträglich. Die Übertragung der kirchlichen Strukturen Europas auf Brasilien bewährte sich wenigstens in der Anfangszeit der Kolonialkirche nicht. Verschiedene Versuche, dieses Problem zu beheben, scheiterten auch am Machtkampf zwischen Rom und Lissabon. Daher war es für eine geistliche Eroberung Brasiliens nötig, jemand anders mit dieser Aufgabe zu betrauen. Das entsprechende Personal fand sich vor allem in dem geistlichen Klerus der Ordensmitglieder.

Die Tätigkeit der Orden in Brasilien

Die Evangelisation der neuen Welt lag überwiegend in den Händen von religiösen Orden, so dass hier zunächst die Tätigkeit der Bettelorden kurz skizziert werden soll. Dann folgt eine ausführlichere Darstellung der Aktivitäten der Jesuiten, der einflussreichste und stärkste Orden in Brasilien.

Die Bettelorden in Brasilien

Die Franziskaner

Von den nach Brasilien zur Missionierung eingetroffenen Bettelorden war der Franziskanerorden der einflussreichste und wichtigste. Im Jahre 1500 wurde die erste Messe auf brasilianischem Boden von Franziskanern zelebriert. 1510 folgte die Errichtung der ersten Kapelle. Bis zum Jahre 1585 blieb es bei einzelnen Franziskanern, die hier und da ohne Planung und Koordination im brasilianischen Küstenstreifen untern den Portugiesen und den Indianern wirkten. Erst als der Donatario von Pernambuco schriftlich von König Philipp II. die Entsendung von Franziskanern nach Brasilien forderte, entwickelte sich die ihre Expansion in Brasilien. Sie begannen dann ab 1585 ihre Aktivitäten mit Olinda als Zentrum. In den folgenden Jahren entstanden Klöster in Salvador (1587), in Igaracu (1588), Paraiba und Vitoria (1589) und Rio de Janeiro (1607). Bis Mitte des 17. Jahrhunderts hatten sie es auf mehr als 20 Klöster gebracht. Zwei Kustodien wurden errichtet: in Olinda und Rio de Janeiro. Die Aktivitäten der Franziskaner waren bei weitem nicht so kräftig wie die der Jesuiten. Im spanischen Amerika waren die Franziskaner die ersten, die mit der systematischen Missionsarbeit unter den Indianern begonnen hatten, in Brasilien waren es die Jesuiten. Das Verhältnis beider Orden zueinander war konfliktreich und entzündete sich weitestgehend an der Indianerfrage. Die Franziskaner fügten sich nicht in die Debatte um die Freiheit der Indianer ein. Im Gegenteil sie beteiligten sich viel mehr an den „gerechten Kriegen“ gegen die Indianer, wie z.B. die Kampagne gegen die Caetén im Jahre 1560.

Benediktiner

Dieser Orden kommt 1581 in Bahia an. Von da aus verbreiten sie sich in Rio de Janeiro, Olinda, Paraiba, São Paulo, São Vicente, Santos und Sorocaba, sowie Jundiai. Der Orden hatte nicht viele Missions-Siedlungen verwaltet, der Angelpunkt ihrer Aktivitäten lag in den Klöstern. Sie unterhielten eine beträchtliche Zahl an Sklaven, die als Sklaven der Heiligen bezeichnet wurden. Im 17. Jahrhundert litt der Orden unter den Folgen der Holländerinvasion, konnte seine Aktivitäten jedoch vor allem im Süden des Landes verstärken17.

Karmeliten

Die Karmeliten erreichen Brasilien im Jahre 1580. Sie haben ihr Zentrum in Olinda. 1586 dehnten sie ihre Wirksamkeit auf Salvador aus, wo sie kurz darauf auf geschenktem Grund und Boden eines der größten Klöster des Kontinents errichteten. Weitere Aktivitäten folgten in folgende Städte: Pernambuco, Paraiba, Maranhao, Para, Bahia, Rio de Janeiro, Santos, Santa Catarina, São Paulo, Minas Gerais. Sie konnten sich steigernder Beliebtheit erfreuen und reiche Stifter finden, was dazu führte, dass sie ihre Kirchen üppig schmücken und mit Kleinodien füllen konnten. Der Orden unterhielt eine große Zahl an afrikanischen Sklaven. Insgesamt spielten die Karmeliten eine geringe Rolle bei der Missionierung in Brasilien. Sie hatten einen Festen Tagesplan und mussten eine Aufnahmeprühfung ablegen.

Orden, die keinen Zugang nach Brasilien fanden

Der Dominikanerorden war in Hispaniola ein wichtiger Orden, der seine Tätigkeit aber nicht in den portugiesischen Bereich ausdehnen konnte aufgrund der starken Konflikten, die sich mit den dortigen Jesuiten ergaben. Die Augustiner waren ein weiterer Orden, der in Hispaniola wirkten, aber keinen Zugang nach Brasilien finden konnten.

Die Jesuiten

Der Aufbau des Ordens in Brasilien

Der Jesuitenorden war als erster Orden nach Brasilien gekommen und fand in dem Land sehr schnell Eingang. Das war im übrigen spanisch dominierten Teil Südamerikas nicht der Fall. João III. betraute den Orden mit der „geistigen Eroberung“ Brasiliens. Ihr Einfluss auf die Entwicklung Brasiliens kann als sehr prägend bezeichnet werden. Es gab einen raschen Aufbau des Ordens in Brasilien, denn schon 1553 wurde die Jesuitenprovinz von Brasilien mit Sitz in Salvador unter dem ersten Provinzial Manuel de Nóbrega errichtet. Ende des 16. Jahrhunderts gab es dann schon drei Kollegien in Brasilien, nämlich in Salvador, Rio de Janeiro und São Paulo. Der Orden entwickelte sich sehr positiv. Indikator dafür ist die Zahl der Ordensmitglieder. Im Jahre der Einwanderung der Jesuiten (1549) waren es sechs, im Jahr der Vertreibung der Jesuiten aus Brasilien zählte der Orden 670 Personen. Die Jesuiten entwickelten das Aldeia-System, um die Mission zu systematisieren. Durch die Anerkennung dieses Systems durch die Krone im Jahre 1587 wurde ein Teil der indigenen Bevölkerung direkt dem Orden unterstellt, „der sich dadurch in der Kolonialgesellschaft eine institutionelle Stellung verschaffte, die seinen religiösen Charakter deutlich überstieg.“ Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag eindeutig in der Indiomission. Dadurch, dass der Orden straff organisiert und strikt auf die römische Kurie ausgerichtet war, kommt Horst Pietschmann zu dem Schluss, dass die Jesuiten eine kohärente Missionskultur ausbilden konnten. Dies umfasste ausgefeilte soziale Aktivitäten wie Gesang oder Theaterspiel. Es gab eine gut durchdachte Missionsdidaktik, über die auf verschiedenen Wegen Inhalte des christlichen Glaubens und christlicher Ethik und Lebensführung vermittelt wurden. Überhaupt ist festzustellen, dass die Jesuiten sehr rational und klar strukturiert waren. Hiermit stehen sie oft im Widerspruch zu den Bettelorden, die auch aktiv am Missionsgeschehen in Brasilien teilhaben. Unter den Jesuiten entstand eine eigene Missionsarchitektur und –malerei. Sie hatten ein sehr starkes ethnografisches Interesse an der Christianisierung und Zivilisierung der Indios. Das erklärt auch ihren Erfolg in der Mission. U.a. wurde den Kindern der indianischen Führungsschicht Lesen und Schreiben, sowie Grundzüge der Mathematik beigebracht. Überdies führten die Jesuiten europäische Handwerks- und Landwirtschaftstechniken ein und passten diese an die jeweiligen Bedingungen an. Sie zeigten reges Interesse an den Indios selbst, indem sie spezielle Fertigkeiten der Indios, ihrer Heilkunst, sowie ihre religiösen Vorstellungen in Erfahrung brachten. Dieser konzentrierte Aufbau einer systematischen Missionierung ist sicherlich durch das Aldeia-System begünstigt worden. Die Jesuiten hatten eine starke Einflussnahme auf Bildung und Wirtschaft. Sie gründeten Kollegien (Lateinschulen), wo vornehmlich den Söhnen der kolonialen Eliten, aber auch anderen Jugendlichen der Zugang zur höheren Bildung geöffnet wurde. Sie hatten einen enormen Einfluss auf die Bildung. Das lässt sich auch durch die wenigen Schulen belegen, die entweder den Jesuiten oder den Franziskanern gehörten. Damit sie ihre Kollegien finanzieren konnten, unterhielt der Orden landwirtschaftliche Güter, die nach strengen Regeln und ökonomischen Prinzipien geführt wurden. Die Forschung hat diese Besitzungen als „Mustergüter“ bezeichnet. Dadurch erlangte der Jesuitenorden im Laufe der Zeit auch einen erheblichen wirtschaftlichen Einfluss, dessen Ausmaß aber in der Forschung bis heute ungeklärt ist.

Die geographische Ausdehnung der Jesuiten

Etliche Gründungen seien an dieser Stelle angeführt : Im 16. Jahrhundert: Salvador, Porto Seguro, Vitória, Rio de Janeiro, São Vicente, São Paulo, Olinda. Im 17. Jahrhundert: Ilhéus, Paraíba, Recife, São Luís do Maranhao, Belém do Pará, Santos Im 18. Jahrhundert: Fortaleza, Paranaguá, Florainópolis, Colônia do Sacramento. Zahlreiche Missionen, die die Gesellschaft Jesu gegründet hatte, entwickelten sich zu bedeutenden Städten, wie São Paulo, Baia und Rio de Janeiro.

Einflussbereiche der Jesuiten

Die Jesuiten hatten vor allem vier sehr starke Einflussbereiche. Sie hatten sich erstens ausgiebig in der Missionierung der indigenen Bevölkerung engagiert. Hierzu erlernten sie sogar deren Sprachen. Des Weiteren prägten sie das Erziehungswesen, indem sie Kirchen, Schulen etc. gründeten. Ihr Anteil an der kulturellen Entfaltung muss ebenfalls erwähnt werden. Als letzter Einflussbereich muss die Wirtschaft genannt werden, wobei der genaue Einfluss in diesem Bereich bis heute ungeklärt geblieben ist. Als zentrales Verdienst der Jesuiten muss ihr Eintreten um den Schutz der Indios vor den Eingriffen der Kolonisten herausgestellt und gewürdigt werden.

Konflikte mit der Missionsarbeit der Orden

Im Fokus der Konflikte steht immer wieder der Jesuitenorden. Die meisten Auseinandersetzungen entstanden vor allem zwischen den Siedlern und den Jesuiten. Die Jesuiten hatten ihren Schwerpunkt auf die Indiomission gelegt. Dadurch gerieten sie ständig in Auseinandersetzungen mit den Siedlern. Begründet ist das in der mangelnden Anzahl an Arbeitskräften. Den Siedlern fehlte es aufgrund des hohen Arbeitsaufwandes schlicht und ergreifend an Arbeitern. Darum griffen sie häufig Missionen an, zerstörten diese und machten die Indios zu Sklaven. Die Jesuiten reagierten darauf, indem sie die Indios zu paramilitärischen Gruppen zusammenschlossen und sich jede Einmischung in deren Dörfern verbaten. So entwickelte sich echter lokaler Widerstand. Die Jesuiten traten mit aller Entschiedenheit für die Rechte der Indios ein, so dass sie als Vorkämpfer für die Rechte Indios entwickelten. Sie wichen von dieser Position auch nicht ab, was ihnen ständig harte Konflikte mit den Siedlern bescherte. Das führte sogar dahingehend, dass sie aus etlichen Gebieten ausgewiesen wurden (1640 aus São Paulo; 1662 aus Maranhao) und schlussendlich Brasilien im Jahre 1759 verlassen mussten. Unter der Herrschaft Jose I. (1750-77) wurde eine Polizei aus Portugal eingeschifft, die dann im wieder ausbrechenden Konflikt mit den Jesuiten dafür sorgte, dass die Jesuiten Brasilien den Rücken kehren mussten. Aber nicht nur mit den Siedlern hatten die Jesuiten ständig Auseinandersetzungen zu erdulden, auch mit den aus Portugal entsandten Bischöfen mussten ständig Konflikte bewältigt werden. Mit dem ersten Bischof in Brasilien Pedro Fernandes Sardinha kam es zu Streitigkeiten, weil ihm beinahe jegliche Versklavung der Indianer als gerecht erschien. Prien bezeichnet es als eigenartige Fügung, dass Sardinha nach einem Schiffbruch an der Küste Alagoas zusammen mit fast einhundert Besatzungsmitgliedern und Fahrgästen den menschenfressenden Caeté zum Opfer fiel. Unter dem zweiten Gouverneur Duarte da Costa war es darüber hinaus zu einem fast völligen Bruch zwischen den staatlichen und kirchlichen Autoritäten gekommen. Eine vernünftige Missionsarbeit der Jesuiten konnte somit erst unter dem dritten Gouverneur Mem da Sa beginnen, der der Arbeit der Jesuiten wohlwollend gegenüberstand. Hinzu kamen auch Konflikte, u.a. in São Paulo, mit den anderen Orden (Benediktinern, Franziskaner, Karmeliten). Das lag in der unterschiedlichen Haltung gegenüber den Indios. Die anderen Orden hatten eine weitestgehend pro-siedlerische Haltung, was unausweichlich auch hier zu Auseinandersetzungen mit den Jesuiten führen musste.

Die Inquisition

Die Inquisition wurde auch in Brasilien eingeführte, spielte dort aber nur eine marginale Rolle. Es fanden lediglich zwei Visitationen statt und zwar 1591 und 1618 unter Heitor Furtado de Mendonca und Marcos Teixeira. Die Gesetzgebung der Inquisition richtete sich vornehmlich an ehemalige Juden, die zum Christentum konvertiert waren, aber im Verdacht standen ihren jüdischen Glauben heimlich auszuleben. Dieser Anklagepunkt war der häufigste (21,78% aller Fälle). Weitere Vergehen waren die mangelnde Devotion von Christus oder den Heiligen (18,75%), Blasphemie (9,52%). Diese drei waren die Hauptanklagepunkte. In fast jedem zweiten Fall war eines dieser drei Grund für eine anklage bei der Inquisitoren. In die Reihe der bestrafungswürdigen Fehltritte zählten auch unehrerbietige Wörter, Bigamie, Barbarei, Sodomie, Zauberei, Hurerei, Worte gegen Kirche und Klerus, Teufelspakt, Aberglauben oder auch Beschimpfung des Heiligen Offiziums. Hauptorte der Inquisition waren Salvador, Olinda, Rio de Janeiro und Belém. Für amerikanische Neuchristen, d.h. für getaufte Indios oder afrikanischen Sklaven war die Inquisition jedoch nicht zuständig, weil man ihnen einen anderen Status als den jüdischen Neuchristen zuwies. Im Unterschied zu den Juden, so die Theorie, hatten die Einheimischen vorher noch nie etwas von Gott gehört und konnten nicht sogleich der ganzen Strenge der Inquisition unterworfen werden. Die verstärkte Arbeit der Inquisition fällt in die Zeit der portugiesisch-spanischen Personalunion und ist sicherlich auf spanischen Einfluss zurückzuführen, wo das hl. Offizium einen großen Einfluss hatte. Bezeichnender Weise ging die Errichtung eines ständigen Sitzes in Brasilien im Zuge der Auflösung der Union unter.

Literatur

  • Hoornaert, Eduardo: Kirchengeschichte Brasiliens aus der Sicht der Unterdrückten 1500 - 1800. Mettingen 1982.
  • Hoornaert, Eduardo: The Catholic church in colonial Brazil. In: Bethel, Leslie: Cambridge history of Latin america. Bd. 1.
  • Prien, Hans-Jürgen: Die Geschichte des Christentums in Lateinamerika.
  • Bernecker, Walter: Eine kleine Geschichte Brasiliens.

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