Kirchenvolksbegehren

Kirchenvolksbegehren

Das Kirchenvolks-Begehren war eine 1995 erstmals in Österreich durchgeführte Unterschriftenaktion, die eine Erneuerung der Römisch-Katholischen Kirche forderte.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Auslöser der Aktion war der Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern gegen den damaligen Wiener Erzbischof Hans Hermann Groër. Die Initiative ging von Thomas Plankensteiner und der Plattform „Wir sind Kirche“ aus, die 1995 eine Unterschriftenaktion „für eine grundlegende Erneuerung der Kirche Jesu“ durchführten und 5 Forderungen aufstellten:

  1. Aufbau einer geschwisterlichen Kirche
  2. Volle Gleichberechtigung von Frauen in allen kirchlichen Ämtern
  3. Freie Wahl zwischen zölibatärer und nicht-zölibatärer Lebensform
  4. Positive Bewertung der Sexualität als wichtiger Teil des von Gott geschaffenen und bejahten Menschen
  5. Frohbotschaft statt Drohbotschaft

Diese Forderungen wurden vom 3. und 25. Juni 1995 von 505.154 Menschen in Österreich unterschrieben. Die Initiative Wir sind Kirche in Deutschland sammelte 1.845.141 Unterschriften. Von den Unterzeichnern signierten 1.483.340 als römisch-katholisch für eine grundlegende Erneuerung der Kirche Jesu.

Ähnliche Unterschriftenaktionen fanden in Deutschland, USA und Großbritannien statt. Im November 1996 wurde die internationale Plattform „Wir sind Kirche“ gegründet mit Organisationen, die mittlerweile in allen 5 Kontinenten vertreten sind.

Reaktionen in Österreich

Diese Aktion führte zu lebhaften Diskussionen nicht nur in Österreich und löste zahlreiche Publikationen aus, die sich mit den Forderungen des Kirchenvolks-Begehrens beschäftigten.

Der damalige Grazer Bischof Johann Weber lehnte zwar die Methode des Unterschriftensammelns ab, sah darin einen Anstoß für die Kirche „nicht sitzenzubleiben“. Der burgenländische Bischof Paul Iby meinte, dass er sich verheiratete Priester und eine Zulassung der Frauen zum Diakonat vorstellen könne. Deutliche Ablehnungen kamen hingegen von Weihbischof Andreas Laun und dem St. Pöltner Bischof Kurt Krenn.

Die Bischöfe antworteten im September 1996 mit der „Wallfahrt der Vielfalt“ nach Mariazell unter dem Motto „Streiten und Beten“, zu der 5000 Menschen kamen und bei der zahlreiche Diskussionsveranstaltungen stattfanden.

Im Oktober 1998 fand in Salzburg der „Dialog für Österreich“ statt, bei dem 300 Delegierte verschiedenster katholischer Organisationen mit den Bischöfen diskutierten. Dabei wurde u. a. mit Mehrheit für eine Weihe verheirateter Männer zum Priester und für den Diakonat von Frauen gestimmt. Diese Anliegen wurden von den Bischöfen beim folgenden „Ad-limina-Besuch“ in Rom an Papst Johannes Paul II. übergeben.

Siehe auch: Geschichte des Christentums in Österreich

Literatur

  • Peter Paul Kaspar: Das Schweigen des Kardinals und das Begehren des Kirchenvolks. Kulturverlag, Thaur u. a. 1995, ISBN 3-85400-001-4
  • Barbara Krenn: Kirchenvolksbegehren. Eine Erfolgsgeschichte der Kirchenbasis? In: Das Lexikon für Österreich in 20 Bänden. Band 9. Duden, Mannheim u. a. 2006, ISBN 3-411-17620-2
  • Andreas Laun: Kirche Jesu oder Kirche der Basis? Zum Kirchenvolksbegehren. Adamas, Köln 1996, ISBN 978-3925746734
  • Richard Picker: Heiliger Spagat. Ein Handbuch für das die Kirche begehrende Volk. Va Bene, Wien u. Klosterneuburg 2001, ISBN 3-85167-108-2
  • Mari Plankensteiner-Spiegel (Schriftleiterin): Liebe, Eros, Sexualität. "Herdenbrief" und Begleittexte. Thaur, Wien u. a. 1996, ISBN 3-85400-024-3
  • Thomas Plankensteiner: Gottes entlaufene Kinder. Zur Theologie des Kirchenvolks-Begehrens. Thaur, Wien u. a. 1996, ISBN 3-85400-033-2
  • Norbert Scholl: Frohbotschaft statt Drohbotschaft. Die biblischen Grundlagen des Kirchenvolks-Begehrens. Styria, Graz u. a. 1997, ISBN 3-222-12491-4
  • Donato Squicciarini: Beitrag für einen Dialog über die Themen des Kirchenvolks-Begehrens im Licht des II. Vatikanischen Konzils und der nachkonziliaren Dokumente. Apostol. Nuntiatur, Wien 1995

Weblinks


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