Kleinstes gemeinsames Vielfaches

Kleinstes gemeinsames Vielfaches

Das kleinste gemeinsame Vielfache (kgV) ist ein mathematischer Begriff. Sein Pendant ist der größte gemeinsame Teiler (ggT). Beide spielen unter anderem in der Bruchrechnung und der Zahlentheorie eine Rolle.

Das kleinste gemeinsame Vielfache zweier ganzer Zahlen m und n ist die kleinste natürliche Zahl, die sowohl Vielfaches von m als auch Vielfaches von n ist.

Die englische Bezeichnung lcm (least common multiple) für das kgV ist in mathematischen Texten ebenfalls verbreitet.

Inhaltsverzeichnis

Beispiel zur kgV-Berechnung

  • Die Vielfachen von 12 sind: 12, 24, 36, 48, 60, 72, 84, …
  • Die Vielfachen von 18 sind: 18, 36, 54, 72, 90, 108, …
  • Die gemeinsamen Vielfachen von 12 und 18 sind also 36, 72, 108, …
  • und das kleinste von diesen ist 36; in Zeichen:
\operatorname{kgV}(12, 18) = 36

Berechnung über die Primfaktorzerlegung

GgT und kgV kann man über die Primfaktorzerlegung der beiden gegebenen Zahlen bestimmen. Beispiel:

3528 = 2^{\color{Red}3} \cdot 3^{\color{Red}2} \cdot 7^{\color{Red}2}
3780= 2^{\color{OliveGreen}2} \cdot 3^{\color{OliveGreen}3} \cdot 5^{\color{OliveGreen}1} \cdot 7^{\color{OliveGreen}1}

Für das kgV nimmt man die Primfaktoren, die in mindestens einer der beiden Zerlegungen vorkommen, und als zugehörigen Exponenten den jeweils größeren der Ausgangsexponenten:

\operatorname{kgV}(3528,3780) = 2^{\color{Red}3} \cdot 3^{\color{OliveGreen}3} \cdot 5^{\color{OliveGreen}1} \cdot 7^{\color{Red}2} = 52920

kgV von mehreren Zahlen

\operatorname{kgV}(m,\,\operatorname{kgV}(n,p)) = \operatorname{kgV}(\operatorname{kgV}(m,n),\,p) = \operatorname{kgV}(m,n,p)

Anwendungen

Bruchrechnung

Angenommen, wir möchten die Brüche \tfrac{17}{21} und \tfrac{44}{35} addieren. Dazu müssen diese durch Erweitern auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Man könnte natürlich einfach 21 mit 35 multiplizieren, was 735 ergibt. Der kleinstmögliche gemeinsame Nenner (der sog. Hauptnenner) ist aber \operatorname{kgV}(21,35) = 105. Die beiden Brüche werden auf diesen Nenner erweitert und dann addiert:

\frac{17}{21} + \frac{44}{35} = \frac{{\color{Red}5} \cdot 17}{{\color{Red}5} \cdot 21} + \frac{{\color{Red}3} \cdot 44}{{\color{Red}3} \cdot 35} = \frac{85}{105} + \frac{132}{105}= \frac{217}{105}

Anwendungen in weiteren algebraischen Strukturen

Das \operatorname{kgV} lässt sich nicht nur für natürliche (und ganze) Zahlen definieren. Man kann es z. B. auch für Polynome bilden. Statt der Primfaktorzerlegung nimmt man hier die Zerlegung in irreduzible Faktoren:

\begin{align}
f(x) &= x^2 + 2xy + y^2 = (x + y)^2\\
g(x) &= x^2 - y^2 = (x + y) (x - y)
\end{align}

Dann ist

\operatorname{kgV}(f, g) = (x + y)^2 (x - y).

Die Division mit Rest, die auch für Polynome existiert, erleichtert das Auffinden von gemeinsamen Teilern.

Analog zum ggT ist das \operatorname{kgV} definiert: Ein Ringelement v heißt kleinstes gemeinsames Vielfaches zweier Ringelemente a und b, wenn v ein gemeinsames Vielfaches von a und b ist und seinerseits jedes andere gemeinsame Vielfache von a und b ein Vielfaches von v ist.

Formal schreibt man diese Definition für einen Ring R so:

v = \operatorname{kgV}(a, b)\quad:\Longleftrightarrow\quad a \mid v,\; b \mid v,\; \forall e \in R: (a \mid e,\, b \mid e) \Rightarrow v \mid e

Diese allgemeinere Definition lässt sich auf mehrere Zahlen ausweiten (sogar auf unendlich viele).

Beispiele

Gaußscher Zahlenring

Im gaußschen Zahlenring \Z+\mathrm i\Z ist der größte gemeinsame Teiler von 2 und 1 + 3i gerade 1 + i, denn 2 = − i(1 + i)2 und 1 + 3i = (1 + i)(2 + i). Genau genommen ist 1 + i ein größter gemeinsamer Teiler, da alle zu dieser Zahl assoziierten Zahlen ebenfalls größte gemeinsame Teiler sind.

Nicht in jedem Ring existiert für zwei Elemente ein ggT oder ein kgV. Wenn sie einen ggT haben, können sie mehrere ggT haben. Ist der Ring ein Integritätsring, dann sind alle ggT zueinander assoziiert, in Zeichen .

Ist R ein Integritätsring und haben die Elemente a und b ein kgV, dann haben sie auch einen ggT, und es gilt die Gleichung

a \cdot b \sim \operatorname{ggT}(a, b) \cdot \operatorname{kgV}(a, b)

Ist jedoch nur bekannt, dass ein ggT von a und b existiert, dann muss nicht unbedingt auch ein kgV existieren.

Integritätsring

Im Integritätsring R = \mathbb{Z}[\sqrt{-3}] haben die Elemente

a:= 4 = 2\cdot 2 = (1 + \sqrt{-3})(1 - \sqrt{-3}),\quad b:= (1 + \sqrt{-3})\cdot 2

keinen ggT: Die Elemente 1 + \sqrt{-3} und 2 sind zwei maximale gemeinsame Teiler, denn beide haben den gleichen Betrag. Jedoch sind diese zwei Elemente nicht zueinander assoziiert, also gibt es keinen ggT von a und b.

Die genannten Elemente 1+\sqrt{-3} und 2 haben aber ihrerseits einen ggT, nämlich 1. Dagegen haben sie kein kgV, denn wenn v ein kgV wäre, dann folgt aus der „ggT-kgV-Gleichung“, dass v assoziiert zu k:=(1 + \sqrt{-3})\cdot2 sein muss. Das gemeinsame Vielfache 4 ist jedoch kein Vielfaches von k, also ist k kein kgV und die beiden Elemente haben gar kein kgV.

Ein Integritätsring, in dem je zwei Elemente einen ggT besitzen, heißt ggT-Ring oder ggT-Bereich. In einem ggT-Ring haben je zwei Elemente auch ein kgV.

In einem faktoriellen Ring haben je zwei Elemente einen ggT.

In einem euklidischen Ring lässt sich der ggT zweier Elemente mit dem euklidischen Algorithmus bestimmen.

Zusammenhang zwischen kgV und dem größten gemeinsamen Teiler

Es gilt die folgende Formel:

\operatorname{ggT}(m,n) \cdot \operatorname{kgV}(m,n) = |m \cdot n|

Damit lässt sich das kgV berechnen, falls der ggT (z. B. mit dem euklidischen Algorithmus) bereits bestimmt wurde. Umgekehrt kann man mit dieser Formel auch den ggT aus dem kgV berechnen.

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