Koçi Bey

Koçi Bey

Mustafa Koçi Bey (oder Muşţafā Qoči Bey), mit vollem Namen Kuricali Koƈ u Mustafa Bey, auch als Kuricali, Göriceli, Koƈ u' oder Koƈ i bekannt, (* wahrscheinlich in Göriče/Körçe/Korça/Korçë, deutsch Koritza, im Südosten Albaniens; † um 1650 (1654?) in Istanbul, begraben bei Göriče/Korça) war ein osmanischer Staatsmann und Reformer albanischer Herkunft am Hof der Osmanen.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Der Autor genoss als ursprünglich christlich getaufter Junge im Rahmen der "Knabenlese" (devshirme) eine Erziehung in der Elite- und Palastschule ("enderun")[1] von Istanbul und trat unter Sultan Ahmed I. (reg. 1603-1617) in den Hofdienst ein. Sein wichtigstes Werk war die Denkschrift Risâle-i Koçi Bey (osm.-türk., "Abhandlung des Koçi Bey"), die er als Ratgeber in den Jahren 1630/1631, in einer chaotischen Phase osmanischer Politik, an den jungen Sultan Murad IV. (geb. 1609, reg. 1623-1640) richtete.

Hofstaat Murads IV., osmanische Miniatur des 17.Jahrhunderts

Die Schrift gilt als eines der bedeutendsten Werke der osmanischen politischen Literatur des 17. Jahrhunderts und ist eine brillante Studie der Ursachen des Niedergangs der osmanischen Macht. Darin analysiert er die Probleme des politischen Systems und unterbreitet drastische Vorschläge für Reformen, die wieder ein Goldenes Zeitalter wie zur Herrschaftszeit Süleymans I. heraufführen sollten.

Im Unterschied zu ähnlichen Denkschriften späterer und früherer Zeit sparte der Autor nicht mit harscher Kritik und deutlichen Worten, als er anhand von Statistiken, Ereignissen und Fakten die osmanische Herrschaft einer kritischen Analyse unterzog. Das Jahr 1574, das Todesjahr Selims II., galt ihm als die entscheidende Zäsur: bis dahin sei das Lehnsheer (Timar-System) die Stütze der Militärmacht gewesen und habe die Expansion des osmanischen Reichs getragen; mit dem Erstarken der am Hof angesiedelten Clique, die sich um den Harem und den Großwesir scharte, und der Palasttruppe der Janitscharen sei seitdem jedoch eine Günstlings- und Pfründenwirtschaft entstanden, die die soldatischen Fähigkeiten und Tugenden der Sipahis (Reitertruppen) der Bevorzugung von Verwandten und Freunden der Höflinge geopfert habe. Auch die Geistlichkeit und der damit verbundene Richterstand müssten durch Wissenschaft und Bildung aufgewertet werden, das Protektionsunwesen und vor allem das leistungsfeindliche Anciennitätsprinzip müssten auch hier weichen. Auch sei die Steuerlast für die Bevölkerung zu hoch.

Aufgrund seiner radikalen Denkschrift nahm Koçi Bey eine Vorrangstellung unter den Ratgebern des jungen, ebenso dynamischen wie grausamen Herrschers Murad IV. ein, ein Ehrenrang, den er auch unter dessen Nachfolger, Sultan Ibrahim I. (geb. 1615, reg. 1640-1648), beibehielt. Ihm soll er im Jahr 1640 eine weitere, sprachlich und inhaltlich gegenüber der ersten Risale allerdings weit schwächere Denkschrift gewidmet haben[2] Beim Sturz Ibrahims verbannte man Koçi Bey vom Hof.

Aufgrund seines kritischen, faktenreichen Ansatzes wird Koçi Bey auch als der "Montesquieu der Osmanen" bezeichnet,[3] mit dem ihn auch die - weitgehend unberechtigte[4] - pessimistische Einstellung vom historischen Niedergang (Dekadenzgedanke) verbindet, hier auf die idealisierte Zeit Süleymans des Prächtigen, dort auf die römische Antike bezogen.

Einzelnachweise

  1. Die Eliteschule in Istanbul wurde von Sultan Bayezid II. 1481 als Galata Sarayi Enderun-u Hümayunu („Imperiale Galatapalast-Schule“) gegründet, das heutige Galatasaray-Gymnasium.
  2. Zuschreibung an Koçi Bey mit nicht völlig überzeugenden Argumenten durch M.Çağatay Uluçay: Koçi Bey'in Sultan Ibrahim'e takdim ettiği Risale ve arzları. In: Zeki Velidi Togan Armaganı. Istanbul 1950-1955. S.177-199.
  3. Bedrye Atsiz: Muşţafā Qoči Bey. In: Kindlers Neues Literaturlexikon, Bd.13, S.781
  4. Faroqhi, Kultur, S.90

Ausgaben

  • Koçi Bey risaleleri. Sultan IV. Murad'a devlet yönetimindeki bozukluklar ile alınması gereken tedbirler hakkında sunulan risale ve Sultan 1. İbrahim'e Osmanlı Devlet teşkilatı hakkında sunulan risale. Hrsg. Seda Çakmakcıoğlu. İstanbul: Kabalcı Yayınevi 2008.
  • Yilmaz Kurt (Hg.): Koçibey Risalesi. Ankara: Burak 1998.
  • Zuhuri Danişman: Koçi Bey risalesi. 1. basılış. Istanbul: Devlet Kitapları 1972. (Türk kültürü kaynak eserleri dizisi). - Sprachlich modernisierter türkischer Text.
  • Ali Kemali Aksüt: Koçi Bey Risalesi. Şimdiye kadar elde edilememiş olan tarihî eserin tamami; Koçi Beyin resmini havidir. Istanbul: Vakit 1939. - Übertragung in moderne türkische Sprache.
  • Koçi Bey Risalesi. Istanbul 1303 (i.e. 1885/86). - Unkritische osmanische Ausgabe.

Literatur

  • Klaus Kreiser. Christoph K. Neumann: Kleine Geschichte der Türkei. Stuttgart : Reclam 2003. S.204 ff., S.239
  • Suraiya Faroqhi: Kultur und Alltag im Osmanischen Reich. Vom Mittelalter bis zum Anfang des 20.Jahrhunderts. München : Beck 1995.
  • Franz Taeschner: Die osmanische Literatur. Leiden u.a. : Brill 1982. (Handbuch der Orientalistik: Turkologie). - http://books.google.com/books?id=W_kb_o85UUIC&lpg=PP1&hl=de&pg=PA250#v=onepage&q&f=false
  • F.A. Behrnauer: Koģabeg's Abhandlung über den Verfall des osmanischen Staatsgebäudes seit Sultan Suleiman dem Großen. In: Zs. der Dt.Morgenländ.Ges. 15 (1861), S.325-326.

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