Kreichgauer

Kreichgauer
Pater Damian Kreichgauer SVD, 1924

Damian Kreichgauer SVD (* 1. Mai 1859 in Rockenhausen, Nordpfalz; † 10. März 1940 in Mödling bei Wien) war Priester aus der Diözese Speyer, Pater, Steyler Missionar, Physiker und Kulturanthropologe bzw. Ethnologe, Inhaber des Internationalen Volney-Preises für Philologie, Namensgeber des Codex Kreichgauer, einer aztekischen Handschrift, die er als erster entzifferte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend und Leben vor dem Ordenseintritt

Damian Kreichgauer wurde am 1. Mai 1859 als Sohn eines Gerichtssekretärs in Rockenhausen geboren. Nach einigen Jahren versetzte man den Vater nach Annweiler, wohin dann die gesamte Familie übersiedelte. Der spätere Pater besuchte dort die Lateinschule, danach das Gymnasium in Speyer. Kreichgauer leistete beim 9. Bay. Infanterie Regiment in Würzburg seinen Wehrdienst ab und studierte danach in Würzburg und München Naturwissenschaften mit dem Schwerpunkt Mathematik und Physik. 1885 schrieb er seine Doktorarbeit in Physik. Von 1886 bis Ende 1889 arbeitete er in Paris. Er nahm als Assistent der deutschen Kommission an einer internationalen Konferenz zur Festsetzung einheitlicher Maße und Gewichte teil. Dann holte ihn Hermann von Helmholtz, der führende Physiker der damaligen Zeit, an die Physikalisch-Technische Reichsanstalt. Die Jahre in Berlin als Assistent und Stellvertreter des Präsidenten Helmholtz bildeten einen Höhepunkt seiner wissenschaftlichen Laufbahn.

Priester und Steyler Missionar

Trotz glänzender Erfolge spürte Damian Kreichgauer die Berufung zum Priestertum in sich, er wollte sogar Missionar werden. Der Würzburger Guardian der Franziskanerminoriten, Pater Franz Vogel – ein Pfälzer aus Grünstadt, der im Rufe der Heiligkeit starb – empfahl den ihm bekannten Damian Kreichgauer persönlich in einem Brief dem Heiligen Arnold Janssen, Gründer der Steyler Missionare (Gesellschaft des Göttlichen Wortes - SVD). Kreichgauer trat am 25. Oktober 1892 zu St. Gabriel, Wien-Mödling, in den Orden ein. Dort empfing er am 7. Juli 1895 die Priesterweihe, aus der Hand von Dr. Eduard Angerer (1816-1898), Titular Erzbischof von Selymbria und Weihbischof von Wien. Wegen seines schon etwas fortgeschrittenen Alters sandte man ihn nicht in die Mission, sondern er blieb zeitlebens als Lehrer (Professor) in St. Gabriel. Pater Arnold Janssen, selbst ausgebildeter Naturwissenschaftler, legte großen Wert darauf, dass seine Missionare in das Wissen der Zeit eingeführt wurden. So mussten alle Studenten vor dem Theologiestudium einen zweijährigen naturwissenschaftlich-philosophischen Kurs absolvieren. Pater Kreichgauer unterrichtete sie in Mathematik, Physik und Chemie, aber auch in Ackerbau, Geologie, Astronomie und Meteorologie.

Wissenschaftliche Arbeit

Neben seiner Lehrtätigkeit veröffentlichte er noch zahlreiche wissenschaftliche Schriften und Aufsätze. Sein erstes großes Werk „Die Äquatorfrage in der Geologie“ (Steyl 1902), behandelt die Verschiebungen der Erdkruste. „Das Sechstagewerk“ (Steyl 1906) stellt den biblischen Schöpfungsbericht ins Licht der Naturwissenschaften. Als Pater Wilhelm Schmidt die Zeitschrift Anthropos gründete, konnte er auch den Pfälzer Anthropologen zur Mitarbeit gewinnen. Kreichgauer befasste sich hauptsächlich mit Mexiko vor der spanischen Eroberung. Seine bedeutendste Veröffentlichung zu diesem Thema erschien 1917 in Wien, bei der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften: „Die Astronomie in der großen Wiener Handschrift aus Mexiko“. Pater Kreichgauer entzifferte dazu als erster jenes 14 Meter lange, indianische Manuskript, genannt "Codex Vindobonensis Mexicanus I", das in Würdigung seiner Arbeit nach ihm in "Codex Kreichgauer" umbenannt wurde. Er erhielt dafür den Internationalen Volney-Preis für Philologie in Paris. Die Handschrift hatte der mexikanische Herrscher Montezuma 1519 dem Eroberer Cortés geschenkt; 1677 gelangte sie nach Wien und lieferte nach der Entzifferung durch Pater Kreichgauer den Beweis dafür, dass die mexikanischen Astronomen schon vor der Erfindung des Fernrohres genauere Resultate erzielen konnten, als zur selben Zeit ihre europäischen Kollegen.

Seelsorgerische Tätigkeit

Über seine naturwissenschaftliche Arbeit hinaus war Pater Kreichgauer ein beliebter und gewissenhafter Seelsorger, der gerne in umliegenden Kirchen und Instituten zur Zelebration aushalf. Mit dem Prinzen August von Sachsen-Coburg-Gotha, Enkel Kaiser Pedro II. von Brasilien und Eigentümer von Schloss Gerasdorf bei Wien, verband ihn eine Freundschaft. Dessen Cousin, Zar Ferdinand I. (Bulgarien), wählte Kreichgauer zum Urlaubsseelsorger und ließ seine Kinder auch von ihm zur Erstkommunion führen. Der Steyler Missionar blieb über viele Jahre hinweg der Zarenfamilie eng verbunden. Kardinal-Erzbischof Anton Josef Gruscha von Wien zog den liebenswerten Gesellschafter ebenfalls mit Vorliebe in seine Nähe und er ließ sich 1909 von ihm nach Rom, zur Kanonisation Klemens Maria Hofbauers begleiten. Pater Kreichgauer pflegte den fast 90-jährigen Kirchenfürsten bis zu seinem Tod im Jahre 1911.

Lebensabend und Tod

Den eigenen Lebensabend verbrachte der nunmehr selbst kränkelnde Priester seit 1931 im „Arnoldsheim“ zu Kaltenleutgeben im Wienerwald und lebte – laut Nachruf – „wie ein Eremit des Altertums, zwischen Gebet, Betrachtung und Studium“. Pater Damian Kreichgauer starb am 10. März 1940 im Kloster St. Gabriel, Mödling bei Wien und wurde am 13. März durch den Wiener Erzbischof Kardinal Theodor Innitzer auf dem dortigen Konventsfriedhof beigesetzt. Die Wissenschaft hat dem Steyler Missionar mit der Umbenennung des Wiener Codex ein bleibendes Denkmal gesetzt. In seinem Geburtsort Rockenhausen ist eine Straße nach ihm benannt.

Web-links

Literatur

  • „Zur ewigen Heimat - Pater Damian Kreichgauer SVD, ein deutscher Priestergelehrter“, Pater Albert M. Völlmecke SVD, Verlag St. gabriel, Wien-Mödling, 1940
  • „Gedenkwort für Pater Dr. Damian Kreichgauer“ (zum 100. Geburtstag), Karl Kreuter, Der Pilger, Speyer, Nr. 21, vom 24. Mai 1959, Seite 470 des Jahrgangs.
  • „Lexikon Pfälzer Persönlichkeiten“ (Seiten 385 u. 386), Victor Carl, Hennig Verlag, Edenkoben, 1998

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Publikationen von Damian Kreichgauer (Auswahl)

  • 1908 „Das Sechstagewerk. Versuch einer naturwissenschaftlichen Würdigung des biblischen Schöpfungsberichtes“ 80 S. Steyl, Missionsdruckerei
  • 1908 „Das Licht der Meteoritenschweife und der Sonnenkorona“. Natur und Offenbarung 54 (1908). S. 433-438.
  • 1909 „Physikalische Geologie“ S. 25-72. 20. Dynamische Geologie S. 75-130. in: Himmel und Erde, II. Bd.: Unsere Erde. München, 1909, Allgemeine Verlagsgesellschaft
  • 1912 „Les mythologies et les Calendriers de l'ancien Mexique“. Semaine d'Ethnologie religieuse II. Session. Louvain 1912. 1914 22
  • 1914 „Das Symbol für "Kampf" im alten Mexiko“. Anthropos 9 (1914) 381-391. 23
  • 1914 „Über Sonnen- und Mondfinsternisse in der Dresdener Maya-Handschrift“. Anthropos 9 (1914) 1019. 1915
  • 1915 „Die Astronomie des Kodex Nuttal. Ein Beitrag zur Kulturgeschichte Zentralamerikas“. Anthropos 10 (1915) 1-23
  • 1915 „Kosmische Vorstellungen im Bilde prähistorischer Zeit“ (ill.). Anthropos 10 (1915) 272-274. 1916
  • 1916 „Die Sternbilder im alten Mexiko“. Anthropos 11 (1916) 1080-1082. 1917
  • 1917 „Die Astronomie in der großen Wiener Handschrift aus Mexiko“. Sitzungs-Berichte der Kais. Akademie der Wissenschaften. Wien, Phil. Hist. Klasse, Bd. 182, 5. Abhdlg. 52 S. Wien, 1917. Verlag Alfred Hölder
  • 1917 „Die Klapptore am Rande der Erde in der altmexikanischen Mythologie und einige Beziehungen zur Alten Welt“. Anthropos 12 (1917) 272-312
  • 1917 „Die Bilderschrift im alten Mexiko“. Die Kultur 18 (1917) 172-184
  • 1917 „Studien zum aztekischen Codex Borbonicus, besonders über dessen Astronomie“ (ill.). Anthropos 12 (1917) 497-512
  • 1917 „Stab und Besen im alten Mexiko“. Anthropos 12 (1917) 709-710. 1918
  • 1918 „Medea im alten Mexiko“. Anthropos 13 (1918) 1115-1117. 1919
  • 1920 „Kritisches zur Relativitätstheorie“. Kölnische Volkszekung 1920, Nr. 838. (27. 10. 1920)
  • 1922 „Mystères astronomico-religieux dans l'Amdrique Centrale“. Semaine d'Ethn. rel. Ill, Sess.
  • 1922 „Die ältesten Zeugnisse mexikanischer Kultur“. Festschrift Ed. Seler, herausgeg. v. W. Lehmann, 1922, S. 271-279
  • 1924 „Die Technik der Naturvölker“. In: W. Schmidt und W. Koppers. Völker und Kulturen, S. 645-682, Regensburg, Habbel Verlag, 1924. (Der Mensch aller Zeiten, Bd. 111)
  • 1925 „Die Religion der Griechen in ihrer Abhängigkeit von den mutterrechtlichen Kulturkreisen“. Jahrbuch des Missionshauses St. Gabriel. 1925, 106-152
  • 1926 „Das Alter der Maya-Dokumente und der Kodizes“. Anthropos 21 (1926) 1025-1026
  • 1928 „Neue Beziehungen zwischen Amerika und der Alten Welt“. Festschrift P. W. Schmidt 1928, herausgeg. von W. Koppers. S 366-377
  • 1932 „Über die Maya-Chronologie“. Anthropos 27: 621-662

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