- Kri-Kri
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Kretische Wildziege Systematik Unterordnung: Wiederkäuer (Ruminantia) Familie: Hornträger (Bovidae) Unterfamilie: Ziegenartige (Caprinae) Gattung: Ziegen (Capra) Art: Wildziege (Capra aegagrus) Unterart: Kretische Wildziege Wissenschaftlicher Name Capra aegagrus cretica (Schinz, 1838) Die Kretische Wildziege (Capra aegagrus cretica), auch als Kretische Gämse, Agrimi oder Kri-kri bekannt, wird zwar allgemein als Unterart der Wildziege bezeichnet, ist aber im eigentlichen Sinne eine verwilderte Hausziege. Sie ähnelt jedoch in Morphologie, Farbgebung und Verhalten stark ihren nichtdomestizierten Vorfahren.
Inhaltsverzeichnis
Beschreibung
Das Fell ist hellbraun mit einem dunklen Aalstrich am Nacken und auf dem Rücken, der mit dem Alter der Tiere immer ausgeprägter wird. Die Sommerdecke ist rötlich braun, die Winterdecke langhaarig und grau. Das Gewicht beträgt zwischen 15 und 40 kg. Der Bock hat zwei 80 cm lange, nach hinten gebogene Hörner und einen langen Ziegenbart, bei den Geissen sind Hörner und Bart viel kürzer. Die Böcke können ein Alter von zwölf bis achtzehn Jahren erreichen.
Vorkommen
Sie ist in der Samaria-Schlucht in den Weißen Bergen (Lefka Ori) im westlichen Kreta sowie auf den kleinen Inseln Dia, Theodorou und Agii Pantes in der Ägäis heimisch. Weitere Tiere gibt es auf Samothraki, Andimilos, im Ost-Peloponnes, im Iti-Gebirge, auf Psili, auf Gioura und auf der Insel Andimilos, wo sie allerdings nicht reinrassig vorkommen, sondern sich stark mit Hausziegen vermischt haben. Von Wilson & Reeder (2005) werden die Bestände von Gioura als C. a. jourensis und von Andimilos als C. a. picta als von der Kretischen Wildziege getrennte Unterarten geführt, allerdings mit Hinweis auf den zweifelhaften taxonomischen Status.
Lebensraum und Lebensweise
Ihr Lebensraum besteht aus karstigen Felsregionen mit Bergwäldern aus Kalabrischen Kiefern (Pinus brutia), Kreta-Ahorn (Acer sempervirens), Kermes-Eichen (Quercus coccifera), Mittelmeer-Zypressen (Cupressus sempervirens) und Stech-Wacholder (Juniperus oxycedrus). Auf der Insel Andimilos kommt sie auch in Habitaten mit Olivenbäumen und Mastixsträuchern vor. Die Kretische Wildziege äst bei Dämmerung oder in der Nacht und vermeidet die Nähe zum Menschen. Ihre Nahrung besteht aus Blättern, Knospen, Trieben, Gräsern und Kräutern.
Fortpflanzung
Die Brunft ist zwischen Oktober und Dezember und nach einer Tragzeit von 142 bis 153 Tagen kommen im April und Mai die Kitze (ein bis zwei pro Wurf) zur Welt. Nur die Geissen kümmern sich um die Kitze, die bei der Geburt ungefähr 2 kg wiegen. Nach drei bis viereinhalb Monaten sind die Kitze entwöhnt. Die Böcke erreichen nach zwölf Monaten die Geschlechtsreife, die Geissen nach zehn bis elf Monaten. Bei den Weibchen ist die Sterblichkeitsrate höher als bei den Böcken.
Kretische Wildziege und Mensch
Fossilien der kretischen Wildziege wurden nie gefunden. Vermutlich wurde sie in der Bronzezeit während der Minoischen Kultur von Menschen auf die Insel gebracht. Bei archäologischen Ausgrabungen hat man einige Wandmalereien mit Kretischen Wildziegen entdeckt. Einige Akademiker glauben, dass dieses Tier während des Altertums von den Inselbewohnern verehrt wurde. So gibt es einen Sarkophag aus dem 11. Jahrhundert vor Chr., auf dem eine Jagdszene mit Kretischen Wildziegen und Hunden dargestellt wird.
Auf Kreta werden die Böcke oft als agrimi (αγρίμι, der Unbeugsame) bezeichnet, während die Geißen Sanada genannt werden. Nur wenige Touristen oder Einheimische haben jemals eines dieser scheuen Tiere zu Gesicht bekommen.
Wie man anhand von molekularen Analysen aufzeigen konnte, ist die Kretische Wildziege nicht, wie ursprünglich angenommen, eine echte Unterart der Wildziege, sondern vielmehr die verwilderte Form der allerersten domestizierten Ziegen, die in der Levante und anderen Teilen des östlichen Mittelmeeres vor 7500 bis 8000 Jahren existiert haben[1].
Früher war die Agrimi auf ganz Kreta verbreitet, doch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurde sie in weiten Teilen der Insel so stark verfolgt, dass sie nur noch in der Samaria-Schlucht in den Weißen Bergen eine Zuflucht fand. Ihr Fleisch war sehr begehrt und die Inselbewohner stellten aus ihren Hörnern Bögen her. 1928 wurden ausgewählte Tiere auf die Insel Theodorou, 1951 auf die Insel Agii Pantes und 1957 auf die Insel Dia gebracht, um dort neue Herden aufzubauen. Bis 1960 war die Kretische Wildziege durch übermäßige Jagd gefährdet, und ihr Bestand war auf unter 200 Tiere gesunken. Sie galt als einzige Fleischzufuhr der Bergguerilla während der deutschen Besatzung im Zweiten Weltkrieg. Ihr Seltenheitsstatus war einer der Gründe, dass die Samaria-Schlucht in den 1960er Jahren zum Nationalpark erklärt wurde und heute von der UNESCO als Biosphärenreservat eingestuft wird. Die Agrimi wird von der IUCN als vulnerable (gefährdet) klassifiziert. Heute leben ungefähr 2000 Tiere auf Kreta, die aber weiterhin wegen ihres zarten Fleisches gewildert werden. Hinzu kommen die Verarmung des Genpools durch Hybridisierung mit Hausziegen, die Verknappung der Weidegründe sowie die stärkere Beeinträchtigung durch Krankheiten. Mischlinge aus Agrimis und Hausziegen werden von den Inselnbewohnern Fouriarika genannt.
Quellen
- ↑ Armelle Frédérique Gardeisen & al.: Genetic evidence for the origin of the agrimi goat (Capra aegagus cretica). In: Journal of Zoology 2002, Nr. 256, S. 369-377
Literatur
- "Bezoarziege" von Thomas Schultze-Westrum in Eugen Schuhmacher: Europas Paradiese - Letzte Chancen eines gefährdeten Kontinents, 1972, S. 272; Bertelsmann Verlag, Gütersloh, ISBN 3-570-04536-6
- "Die Wildziegen der ägäischen Inseln" von Thomas Schultze-Westrum in Säugetierkundliche Mitteilungen, Bd. 13, 1963, S. 145-182 ;München, Basel, Wien.
- Bar-Gal, G. K. et al. (2002): Genetic evidence for the origin of the agrimi goat (Capra aegagrus cretica). Journal of Zoology 256:369-377. DOI:10.1017/S0952836902000407
- Manceau, V. et al. (1999): Systematics of the genus Capra inferred from mitochondrial DNA sequence data. Molecular Phylogenetics and Evolution 13:504-510
- D. E. Wilson, D. M. Reeder: Mammal Species of the World. Johns Hopkins University Press, Baltimore 2005. ISBN 0801882214
Weblinks
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