Kryonik

Kryonik

Kryonik (auch Kryostase, von altgr. kryos ‚kalt‘) ist die Kryokonservierung von Organismen oder einzelnen Organen (meist dem Gehirn), um sie – sofern möglich – in der Zukunft wiederzubeleben.

Chirurgen präparieren den Leichnam eines Menschen für die Kryostase

Bei der Kryokonservierung größerer Organe und Organismen kommt es bisher zu Schäden, die nicht mit den heute zur Verfügung stehenden Mitteln behoben werden können. So müsste das jeweilige Frostschutzmittel genau auf die einzelnen Zelltypen abgestimmt sein. Da dies nicht praktikabel ist, konzentriert man sich meist auf die bestmögliche Erhaltung des Gehirns mit dem Ziel, unvollkommen konservierte Gewebe zukünftig beispielsweise mittels Tissue Engineering ersetzen zu können. Ob diese Schäden in der Zukunft reversibel sind, ist noch unklar. Wissenschaftler betrachten Kryonik mit Skepsis,[1] es gibt jedoch auch Befürworter.[2]

Zur Konservierung bedient sich die moderne Kryonik seit Beginn des 21. Jahrhunderts der Vitrifizierung, um die Bildung von Eiskristallen zu vermeiden. Eiskristalle führen ansonsten zu einer Vielzahl mikroskopischer Verletzungen, welche nach heutigem Kenntnisstand als irreversibel einzustufen sind.

Zur Lagerung wird der Organismus bzw. das Organ üblicherweise bei −196 °C in flüssigem Stickstoff gekühlt. Hierbei werden die Glasübergangstemperaturen der verwendeten Vitrifikationslösungen (beispielsweise −123,3 °C bei M22[3]) weit unterschritten, woraufhin es zu Brüchen in den Geweben kommt. Da es sich hierbei lediglich um wenige, makroskopische Brüche handelt, werden diese von den Anbietern der Technik als prinzipiell reversibel eingeschätzt. Da bei einer höheren Lagerungstemperatur (beispielsweise −140 °C) weniger Brüche entstehen, scheint dies ein Schlüssel hin zu einem bruchfreien Verfahren zu sein.[4]

Eine weitere Herausforderung stellt das Wiederauftauen dar. Während das Auftauen eines größeren Organismus mehrere Stunden in Anspruch nehmen kann, befindet man sich in einem Zielkonflikt: Einerseits dürfen keine kritischen Temperaturen überschritten werden, welche zum Beispiel die Denaturierung der im Gewebe enthaltenen Eiweiße zur Folge haben, andererseits muss darauf geachtet werden, dass das Gewebe während des Auftauens nicht aufgrund einer Sauerstoffunterversorgung abstirbt. Für größere Organe und Organismen ist dieses Problem bisher ungelöst.

Anbieter und Rechtslagen

In den USA wird Kryonik von gemeinnützigen Gesellschaften wie Alcor und Cryonics Institute angeboten. Dort können sich Menschen nach ihrem Tod in Kryostase begeben. Die erste kryonische Suspension wurde am 12. Januar 1967 an James Bedford durchgeführt, dessen Körper heute bei Alcor aufbewahrt wird.[5] In Russland gibt es seit 2006 den kommerziellen Anbieter KrioRus. Ob eine kryonische Lagerung von Menschen in Deutschland möglich wäre, ist unklar, da noch keine juristische Prüfung bezüglich der Gesetzgebung in den einzelnen Bundesländern angestrengt wurde. Bisher wird diese Dienstleistung in Deutschland lediglich für Tiere (üblicherweise Haustiere) angeboten.

Rezeption

Science-Fiction verwendet die Kryostase in verschiedener Form, etwa als Erklärung für bemannte Raumfahrt mit Unterlichtgeschwindigkeit oder um Figuren des Zeitgeschehens in die Zukunft zu übertragen.

Das Thema der Kryonik wird auch im spanischen Film Abre los ojos und seinem US-amerikanischen Remake Vanilla Sky angeschnitten. Die Zeichentrickserie Futurama beginnt damit, dass die Hauptfigur für eintausend Jahre eingefroren und im Jahr 3000 wieder aufgetaut wird. Im US-amerikanischen Film Avatar – Aufbruch nach Pandora werden Menschen in Kälteschlaf versetzt, um die Zeit der Reise zum fiktiven Mond Pandora im Alpha-Centauri-System zu überbrücken. Auch in der US-amerikanischen Serie Fringe wird diese Möglichkeit der Konservierung mit gefrorenen Köpfen dargestellt.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Frank Prengel: Die Weiterentwicklung des Menschen – Leitvision für das neue Jahrtausend. In: Beat Sitter-Liver (Hrsg.): Utopie Heute I. Zur aktuellen Bedeutung, Funktion und Kritik des utopischen Denkens und Vorstellens. Paulusverlag Freiburg Schweiz, Freiburg im Üechtland 2007, Seite 368, ISBN 978-3-7278-1598-0, teilweise verfügbar bei Google bücher, zuletzt geprüft am 21. April 2011
  2. Scientists' Open Letter on Cryonics. Abgerufen am 21. April 2011.
  3. Vitrification agents in cryonics: M22. Abgerufen am 11. Mai 2011.
  4. Systems for Intermediate Temperature Storage for Fracture Reduction and Avoidance. Abgerufen am 9. Sep 2011.
  5. James Bedford. Abgerufen am 28. Januar 2007.

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