Anker-Steinbaukasten

Anker-Steinbaukasten
„Steinpalast“, gebaut mit Plänen und Steinen des Anker-Kastens
Anker-Steinbaukasten Nr. 5 1/2 und Anker-Brückenbaukasten Nr. 6

Der Anker-Steinbaukasten ist ein früher weltbekannter Klassiker deutschen Kinderspielzeugs.

Inhaltsverzeichnis

Aufbau und Idee

Anker-Bausteine sind Formteile mit sehr geringen Maßtoleranzen, die aus Sand, Schlämmkreide und Leinöl gepresst und gebacken werden. Sie werden in den drei Farben rot, gelb und blau hergestellt, entsprechend den drei Baumaterialien Ziegelstein, Sandstein und Schiefer (Dach). Die Bausteine haben eine glatte Oberfläche, liegen schwer in der Hand und kommen ohne Noppen oder Verklebung aus. Das Zusammenhalten der Gebäude basiert allein auf der Statik.

Die Idee des Baukastens basiert auf dem didaktischen Ansatz der Spielgaben des Pädagogen Friedrich Fröbel und entwickelt diese zum Architektur-Modellspiel. Durch ein System aus aufeinander aufbauenden Ergänzungskästen mit beiliegenden Bauanleitungen gilt der Anker-Baukasten als Prototyp des Systemspielzeugs.

Geschichte

Werbung vom Hof- und Kammerlieferant F. Ad. Richter & Cie. mit Anker-Steinbaukasten (1908)
Geduldspiel Nr. 11

Erfunden wurden die Bausteine von den Brüdern Otto und Gustav Lilienthal, die sie zunächst auch herstellten. Der Unternehmer Friedrich Adolf Richter erwarb die Idee und ließ sie sich patentieren. Er produzierte die Bausteine ab 1882 in seiner pharmazeutischen Fabrik in Rudolstadt. Später folgte ein langwieriger Patent- und Konventionalstreit. Letzteren gewann Richter schließlich.

In der „Kunstanstalt“ in Rudolstadt entwickelten Künstler, Illustratoren und Architekten die Pläne bzw. Bauvorlagen für die Baukästen. Es entstand ein ausgeklügeltes Erweiterungs- und Ergänzungssystem, das es erlaubte die Kästen beliebig zu kombinieren. Seit 1895 war der „Anker“ offizielles Markenzeichen, die „Anker-Steinbaukästen“ gewannen zahlreiche internationale Auszeichnungen. Nahezu 40.000 Baukästen verließen um die Jahrhundertwende pro Jahr das Werk an die gut betuchte Kundschaft aus aller Welt, von St. Petersburg bis New York. Als Richter im Jahre 1910 verstarb, gab es Niederlassungen in ganz Europa, den USA und Japan. In Österreich-Ungarn wurde das Spielzeugunternehmen F. Ad. Richter & Cie. k.u.k. Hof- und Kammerlieferant des Kaisers und der Mitglieder der kaiserlichen Familie sowie Hoflieferant weiterer europäischer Höfe.

In der DDR wurde die Firma und die Marke 1953 in den volkseigenen Betrieb „VEB Anker-Steinbaukasten“ umgewandelt. Die Bausteine wurden bis in die 1960er Jahre in Rudolstadt hergestellt, am 31. Dezember 1963 wurde die Produktion offiziell beendet. Von 1880 bis zur Schließung 1963 sollen ca. fünf Milliarden Ankerbausteine verkauft worden sein. Die Wiederaufnahme der Produktion erfolgte 1995 durch die Anker Steinbaukasten GmbH. Der Ankerstein-Liebhaber Georg Plenge konnte unterstützt von Mitteln der EU und des Landes Thüringen in diesem Jahr mit 26 Mitarbeitern die Produktion eines Grundbaukastens aufnehmen. Bill Clinton übermittelte dem Unternehmen seine Begeisterung über die Ankersteine schriftlich: „Just wonderful“. Bereits Berühmtheiten wie Albert Einstein, Erich Kästner oder Walter Gropius schulten ihre Kreativität mit den bunten Steinen.

Das erste Systemspielzeug

Die Baukastenserie basiert auf einem System von Grund- und Ergänzungskästen. Die Grundkästen 4 oder 6 können durch den Kauf von Ergänzungskästen (gekennzeichnet durch ein „A“) nach folgendem Prinzip auf den nächsthöheren Kasten erweitert werden: 6 + 6A = Kasten 8; 8 + 8A = Kasten 10 usw. Ungerade Kastennummern gibt es bei der modernen Kastenserie nicht. Um ein Gebäude nach den Plänen eines Ergänzungskastens zu erstellen wird der Besitz aller vorangehenden Grund- und Ergänzungskästen vorausgesetzt, so enthält der Ergänzungskasten 16A das Planheft des Kastens 18, das den Steinbestand der Kästen 6, 6A, 8A, 10A, 12A, 14A und 16A verwendet.

Die Kästen aus der Zeit Richters sind in der Systematik bedeutend komplexer, da Richter zahlreiche, auch parallele Varianten von Kastenserien vertrieb. Mit der Nummer der Kästen nimmt die Komplexität der Gebäude und damit auch der Baupläne zu. Für ein Bauwerk aus Kasten 14 benötigt man vier bis sechs Stunden Bauzeit.

Begleithefte

Jedem Baukasten liegen zwei Hefte mit Plänen bei. Ein Heft enthält perspektivische Ansichten der Gebäude, das zweite die Grundrisse und Schnittdarstellungen. Die „Spielidee“ der Kästen besteht darin, die Pläne in Bauwerke umzusetzen. Die heutigen Planhefte sind unveränderte Neudrucke der ursprünglichen Planhefte aus der Zeit vor und um 1900. Sie geben keine real existierenden Gebäude wieder, sondern prototypische Bauformen: „der“ Pavillon, „der“ Aussichtsturm, „die“ Kapelle, „der“ Dom.

Mitglieder des „Clubs der Ankerfreunde“ erweitern die Palette mit eigenen Plänen und Schnittzeichnungen. Einige der neuen Pläne geben reale Vorbilder wieder, wie die Torre de Belém und die Frauenkirche in Dresden.

Kingstones

Kingstones wurden bis zu ihrer markenrechtlich bedingten Umbenennung unter dem Namen Ankerstones vertrieben. Die Steine bestehen aus Marmormehl. Sie sind weder historisch mit Ankersteinen vergleichbar noch ist das Material mit dem der Ankersteine vergleichbar.

Literatur

  • George Hardy: Richters Anker-Steinbaukasten. Online-Fassung (PDF; 6,72 MB). ISBN 0-9656288-0-9
  • Manuela Runge, Bernd Lukasch: Erfinderleben - die Brüder Otto und Gustav Lilienthal. Berlin-Verlag, Berlin 2005, ISBN 3-8270-0536-1.
  • Anker Steinbaukasten - Steine für Überflieger. In: Oliver Carlo Errichiello, Arnd Zschiesche: Erfolgsgeheimnis Ost. Survival-Strategien der besten Marken - und was Manager daraus lernen können. Gabler-Verlag, Wiesbaden 2009, ISBN 978-3-8349-1615-0, S. 105–108.

Weblinks

 Commons: Anker-Steinbaukasten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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