Lehrerinnenseminar

Lehrerinnenseminar

Das Lehrerinnenseminar war eine Sonderform der Lehrerausbildung um 1900, als erstens die Lehrerausbildung (für Volksschullehrer) nicht an Universitäten, sondern in speziellen "Seminaren" stattfand und zweitens Schulen noch nach Geschlechtern getrennt waren.

Man unterschied zwischen Seminaren für künftige Volksschullehrerinnen und Seminaren, die auf die Höhere Lehrerinnenprüfung (d.h. auf den Unterricht an "Höheren Mädchenschulen") vorbereiteten. Letztere waren in der Regel keine staatlichen, sondern private Institutionen. Beide Formen des Lehrerinnenseminars waren wie das Lehrerseminar für Männer meist in einem Internat mit angegliederter Übungsschule untergebracht. Die Dauer betrug in der Regel je nach angestrebter Qualifikation drei bis sechs Jahre, zuzüglich eines zweijährigen Präparandenkurses, der in etwa dem heutigen Lehrerseminar entspricht.

Kulturgeschichtlich wichtig geworden ist das Lehrerinnenseminar vor allem als Möglichkeit einer weiterführenden und berufsqualifizierenden Bildungsmöglichkeit für bürgerliche Frauen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Viele der heute als Frauenrechtlerinnen, Schriftstellerinnen oder anderweitig kulturell bedeutsame Persönlichkeiten bekannten Frauen dieser Zeit (z. B. Anita Augspurg, Gertrud Bäumer, Minna Cauer, Elisabeth Dauthendey, Hedwig Dohm, Helene Lange, Fanny Reventlow, Auguste Schmidt, Clara Zetkin) sind ihrem Schicksal als "höhere Töchter" vor allem durch den Besuch eines Lehrerinnenseminars entflohen, das ihnen neben einer höheren Bildung auch die finanzielle Eigenständigkeit durch Erwerbstätigkeit ermöglichte.

Die Berufstätigkeit war allerdings generell an die Ehelosigkeit gebunden. Die Anrede der Grundschullehrerin als "Fräulein" - dem früheren Begriff für unverheiratete Frauen - bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein ist ein Überbleibsel davon. Heiratete eine Lehrerin, musste sie von Amts wegen aus dem Berufsleben ausscheiden. Diese sogenannte Zölibatsklausel galt bis ins Jahr 1957, dann wurde sie vom Bundesarbeitsgericht für ungültig erklärt. Für evangelische Pfarrerinnen galt diese Regelung jedoch noch bis 1968 fort.


Siehe auch: Frauenbildung


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