Leitfähige Polymere

Leitfähige Polymere

Leitfähige Polymere, auch elektrisch selbstleitende Polymere genannt, sind Kunststoffe mit elektrischer Leitfähigkeit. Dies steht im Gegensatz zu normalen Polymeren, die den elektrischen Strom nicht leiten. Die Leitfähigkeit des Polymers wird durch konjugierte Doppelbindungen erreicht, die eine freie Beweglichkeit von Ladungsträgern ermöglichen. Dies steht im Gegensatz zu elektrisch leitenden Additiven wie beispielsweise Aluminiumflocken oder Ruß, bei welchen das Polymer selber den elektrischen Strom nicht leitet.

Inhaltsverzeichnis

Struktur

Die Struktur der selbstleitenden Polymere ist analog wie bei den herkömmlichen Kunststoffen hochgradig ungeordnet. Sie sind weder löslich noch unzersetzt schmelzbar. Oft weichen die Polymere auch von der idealen chemischen Zusammensetzung ab, da bei der Bildung unerwünschte Nebenreaktionen eintreten können. Die Struktur und damit auch die physikalischen Eigenschaften werden stark von den Synthesebedingungen beeinflusst. Abgesehen vom eingesetzten Monomer wirken sich unter anderem das Lösungsmittel, das Leitsalz und die Oxidationsbedingungen auf die chemische Zusammensetzung und die Morphologie des Polymers aus.

Elektrische Leitfähigkeit

Die elektrische Leitfähigkeit erfordert frei bewegliche Ladungsträger. Deshalb besitzen elektrisch selbstleitende Polymere ein ausgedehntes π-Elektronensystem in Form konjugierter Doppelbindungen. Als Ladungsträger dienen Defektelektronen. Eine Ausnahme bildet Polyacetylen, bei dem auch ein negativ aufgeladenes Polymergerüst erzeugt werden kann. Zur Ladungskompensation des oxidierten Polymergerüstes sind Anionen im Polymer eingelagert. Fließt ein elektrischer Strom müssen die Ladungsträger auch von einer Polymerkette auf eine benachbarte überwechseln, weil die konjugierten Ketten nur eine endliche Länge haben. Deshalb ergibt sich der Gesamtwiderstand aus der Summe der Widerstände in den Polymerketten und der Widerstände zwischen den Ketten.Den größeren Einfluss auf die elektrische Leitfähigkeit hat der höhere Widerstand zwischen den Ketten. Je kürzer die konjugierten Ketten, desto höher der Widerstand, weil die Ladungsträger öfter zwischen den Ketten übertragen werden müssen. Die elektrische Leitfähigkeit elektrisch selbstleitender Polymere liegt im Bereich von 10-13 bis 103 Scm-1.[1][2][3]

Oxidation und Reduktion

Im Idealfall kann das Polymergerüst reversibel elektrochemisch oxidiert und reduziert werden. Dadurch kann die Leitfähigkeit vom isolierenden reduzierten Zustand bis zum oxidierten leitfähigen Zustand variiert werden. Durch die Oxidation werden Defektelektronen in die konjugierten Polymerketten injiziert. Anfangs steigt die Leitfähigkeit mit der Zahl der generierten Ladungsträger. Allerdings führt eine Überoxidation zur irreversiblen Zerstörung der Konjugation und damit zum Verlust der elektrischen Leitfähigkeit. Da sich durch die Oxidation die Polymerketten positiv aufladen, werden Anionen zur Ladungskompensation in die Polymerschicht eingelagert. Während der Reduktion werden sie wieder in die Elektrolytlösung zurückgedrängt. Andererseits ist auch die Einlagerung von Kationen zur Wahrung der Ladungsneutralität möglich, insbesondere wenn bei der Synthese sperrige Anionen verwendet wurden, die quasi im Polymer feststecken, beispielsweise Polystyrensulfonat. Bei elektrisch selbstleitenden Polymeren wird auch der Begriff "Dotierung" verwendet. So bezeichnet man die Oxidation als p-Dotierung. Allerdings ist dies nicht mit der klassischen Dotierung anorganischer Halbleiter vergleichbar. Dort werden Fremdatome in vergleichbar geringen Konzentrationen eingebracht. Die Oxidation des Polymergerüstes erzeugt die Ladungsträger hingegen auf direktem Weg und in deutlich höherer Konzentration. Bei dünnen Schichten ist die Farbe des leitfähigens Polymers vom Oxidationszustand abhängig (Elektrochromie).

Herstellung

Die Präparation elektrisch selbstleitender Polymere kann chemisch, elektrochemisch, photoelektrochemisch oder mit der CVD-Technik (chemical vapour deposition) ausgeführt werden. Abgesehen von verschiedenen Ausgangsverbindungen, die zur Verfügung stehen, kann durch deren Derivatisierung oder durch die Bildung von Copolymeren ein breites Spektrum von chemischen und physikalischen Eigenschaften erzielt werden. Sehr einfach ist die elektrochemische Abscheidung dünner Schichten durch die Oxidation des monomeren Ausgangsstoffes. Das selbstleitende Polymer entsteht im oxidierten, leitfähigen Zustand. Die positiven Ladungen des Polymergerüstes werden durch die Einlagerung von Anionen des Leitsalzes kompensiert.

Vertreter elektrisch selbstleitender Polymere

Anwendungsmöglichkeiten

Als wiederaufladbare Batterie wären selbstleitende Polymere wegen ihrer geringen Dichte interessant. Allerdings ist bisher die Stabilität der Materialien hinsichtlich der Oxidation/Reduktion zu gering, um eine akzeptable Anzahl von Ladezyklen zu gewährleisten. Diese Problematik betrifft in gleicher Weise den Einsatz als Display oder so genanntes "smart window". Letzteres bezeichnet eine Fensterscheibe, deren Tönungsfarbe und Transparenz durch das Anlegen einer Spannung verändert werden kann. Beispielsweise sind dünne Filme aus Polypyrrol im oxidierten Zustand braun bis schwarz und im reduzierten Zustand gelb bis grün. Die Spannung muss hierbei nur zur Änderung des Oxidationszustandes angelegt werden. Säuren, Basen, oxidierende und reduzierende Substanzen, Anionen, Kationen, anorganische und organische Gase können die elektrische Leitfähigkeit selbstleitender Polymere beeinflussen. Dies legt eine Anwendung als Sensorsystem (Chemiresistor) nahe. Das große Manko hierbei ist bisher die fehlende Selektivität. Eine quantitative Bestimmung einzelner, isoliert vorliegender Substanzen ist zwar möglich, das Ziel einer technischen Anwendung ist aber die quantitative Analyse aus Stoffgemischen.

Anwendung genutzter Effekt
wiederaufladbare Batterie Redox-Prozess
Display, "smart window" Elektrochromie
Durchkontaktierung von Leiterplatinen elektrische Leitfähigkeit
Sensorik elektrische Leitfähigkeit
Verpackungsfolie für elektronische Bauteile elektrische Leitfähigkeit

Quellen

  1. S. Roth: Elektrisch leitende Kunststoffe., H.-J. Mair, S. Roth (Hrsg.), 2. erw. Aufl., Hanser Verlag, München, S. 253-63, 1989.
  2. J. Heinze. In: Topics in Current Chem. Bd. 152, S. 1-47, 1990.
  3. J. Lei, Z. Cai, C. R. Martin. In: Synth. Met. Bd. 20, S. 365-71, 1987.

Weblinks


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