- Kunstkautschuk
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Als Kunststoff (umgangssprachlich: Plastik oder Plaste) bezeichnet man einen Festkörper, dessen Grundbestandteil synthetisch oder halbsynthetisch erzeugte Polymere mit organischen Gruppen sind.
Ein Werkstück aus Kunststoff besteht aus Millionen sehr langer, ineinander verschlungener Molekülketten (Polymeren), die aus sich stets wiederholenden Grundeinheiten (Monomeren) zusammengesetzt sind. Beispielsweise besteht der Kunststoff Polypropylen aus sich vielfach wiederholenden Propyleneinheiten (siehe Bild rechts).
Ein herausragendes Merkmal von Kunststoffen ist, dass sich ihre technischen Eigenschaften, wie Formbarkeit, Härte, Elastizität, Bruchfestigkeit, Temperatur-, Wärmeformbeständigkeit und chemische Beständigkeit, durch die Auswahl von Ausgangsmaterial, Herstellungsverfahren und Beimischung von Additiven in weiten Grenzen variieren lassen.
Kunststoffe werden zu Formteilen, Halbzeugen, Fasern oder Folien weiterverarbeitet. Sie dienen als Verpackungsmaterialien, Textilfasern, Wärmeisolierung, Rohre, Bodenbeläge, Bestandteile von Lacken, Klebstoffen und Kosmetika, in der Elektrotechnik als Material für Isolierungen, Leiterplatten, Gehäuse, im Fahrzeugbau als Material für Reifen, Polsterungen, Armaturenbretter, Benzintanks und vieles mehr.
Synthetische Kunststoffe werden durch Polymerisation (Polyaddition, Polykondensation usw.) aus Monomeren oder Prepolymeren (z. B. Polyurethan) erzeugt. Rohstoff ist meist gecracktes Naphtha. Halbsynthetische Kunststoffe entstehen durch die Modifikation natürlicher Polymere (z. B. Zellulose zu Zelluloid).
Entwicklungsgeschichte der Kunststoffe
Vorstufen
Biopolymere und natürlich vorkommende Polymere werden von Menschen schon seit Urzeiten verwendet. Holz dient dem Menschen zunächst als Werkzeug (siehe z. B. Wurfholz) und dann als Baumaterial. Der Zellverband Tierhaut oder Fell wurde durch Gerben polymerisiert, damit vor dem raschen Verwesen geschützt und so zu haltbarem Leder. Aus Wolle, abgeschnittenen Tierhaaren, stellte man durch Verspinnen und Weben oder durch Filzen Bekleidung und Decken her.
Birken lieferten den ersten Kunststoff der Menschheitsgeschichte, das aus Birkenrinde durch Trockendestillation gewonnene Birkenpech, das sowohl Neandertalern als auch dem steinzeitlichen Homo sapiens als Klebstoff bei der Herstellung von Werkzeugen diente.
In Arabien wurden Wasserbecken und Kanäle mit natürlichem Asphalt abgedichtet. Ebenso wurden dort bestimmte Baumharze als Gummi Arabicum eingesetzt und nach Europa exportiert. Aus Osteuropa ist Bernstein als fossiles Harz für die Verwendung bei Pfeilspitzen und Schmuckgegenständen bekannt. Im Mittelalter wurde Tierhorn durch bestimmte Verfahrensschritte in einen plastisch verformbaren Stoff verwandelt. Bereits um 1530 wurde im Hause der Fugger nach einem Rezept des bayerischen Benediktinermönches Wolfgang Seidel[1] durchsichtiges Kunsthorn aus Ziegenkäse gefertigt und vertrieben.
Entwicklung einer Kunststoffindustrie
Im 17. und 18. Jahrhundert brachten Naturforscher aus Malaysia und Brasilien aus milchigen Baumsäften gewonnene elastische Massen mit. Für diese wurde in Deutschland der Begriff Gummi eingeführt. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich eine rasch wachsende Gummi-Industrie. Victor Regnault entdeckte das Vinylchlorid, aus dem sich Polyvinylchlorid herstellen ließ. Der Erfinder Charles Goodyear stellte 1839 fest, dass sich Gummi durch Zusatz von Schwefel vulkanisieren, d. h. dauerhaft elastisch machen lässt. Er fertigte aus dem neuen Material zunächst Gummihandschuhe. Um 1850 entdeckte er außerdem Hartgummi, ein durch Erhitzen in Gegenwart von Schwefel erhärteter Naturkautschuk, welcher anfangs als Ebonit vermarktet wurde. Daraus wurden zum Beispiel Schmuckstücke, Füllfederhalter, Klaviertasten, Tabakpfeifen und Teile von Telefonen hergestellt. Dieser erste Duroplast startete die Entwicklung der Kunststoffe als Werkstoff im Umfeld des Menschen.
Später wurde in England Cellulosenitrat zur Imprägnierung von Textilien und in den USA Schellack entwickelt. Im Jahre 1869 erfand John Wesley Hyatt das Celluloid und drei Jahre später die erste Spritzgussmaschine. Adolf von Baeyer beschrieb 1872 die Polykondensation von Phenol und Formaldehyd. Der Werkstoff Galalith (aus Casein) wurde 1897 erfunden und ähnelt stark dem tierischen Horn oder Elfenbein. Man fertigte daraus zum Beispiel Knöpfe, Anstecknadeln, Gehäuse für Radios, Zigarettendosen, Spielzeuge, Griffe für Regenschirme und vieles mehr in den verschiedensten Farben.
Bis Ende des 19. Jahrhunderts war wenig über die genauen Strukturen polymerer Materialien bekannt. Man wusste lediglich aus Dampfdruck- und Osmosemessungen, dass es sich um sehr große Moleküle mit hoher Molmasse handeln müsste. Fälschlicherweise war man jedoch der Meinung, dass es sich um kolloidale Strukturen handelte.
Als Vater der Polymerchemie gilt der deutsche Chemiker Hermann Staudinger. Bereits 1917 äußerte er vor der Schweizerischen Chemischen Gesellschaft, dass „hochmolekulare Verbindungen“ aus kovalent gebundenen, langkettigen Molekülen bestehen. 1920 veröffentlichte er in den Berichten der Deutschen Chemischen Gesellschaft einen Artikel, der als Begründung der modernen Polymerwissenschaften gilt. [2] Vor allem in den Jahren von 1924 bis 1928 folgten weitere wichtige Theorien über den Aufbau von Kunststoffen, welche die Grundlage für das heutige Verständnis dieser Werkstoffklasse bilden. [3] [4] [5] Für diese Arbeiten erhielt Staudinger 1953 den Nobelpreis.
Die Arbeiten Staudingers ermöglichten der Chemie nun auf der Basis gesicherter naturwissenschaftlicher Grundlagen eine rasante Entwicklung auf dem Gebiet der Polymerchemie. Der belgische Chemiker Leo Hendrik Baekeland entwickelte zu Beginn des 20. Jahrhunderts – nach der oben beschriebenen Arbeit von Adolf von Baeyer – ein Verfahren zur Herstellung und Weiterverarbeitung eines Phenolharzes. Dieser von ihm Bakelite getaufte Kunststoff war der erste in großen Mengen industriell hergestellte, synthetische Duroplast. Durch die guten elektrischen Eigenschaften wurde er unter anderem in der aufstrebenden Elektroindustrie eingesetzt.
Der Münchner Chemiker Dr. Ernst Richard Escales gab 1910 der Werkstoffgruppe den Namen „Kunststoffe“. Die von ihm gegründete gleichnamige Zeitschrift erschien erstmals 1911. 1912 entwickelte Fritz Klatte ein industrielles Verfahren zur Herstellung von Polyvinylchlorid (PVC). [6] Das von Otto Röhm 1928 angemeldete Patent für Polymethylmethacrylat (PMMA, Handelsname „Plexiglas“) startete eine Ära, die bis heute anhält.
In Ludwigshafen wurde die „PS“-Produktion begonnen und 1931 bei ICI in Großbritannien erstmals Polyethylen hergestellt. Ebenfalls in Ludwigshafen begann 1934 die Herstellung von Epoxidharzen nach einem Verfahren von Paul Schlack. 1935 wurde gleichzeitig von Henkel (Mainkur) und Ciba (Schweiz) die Entwicklung von Melamin-Formaldehydharz und von DuPont die Entwicklung von Polyamid 66 (Nylon) beschrieben. Das von Paul Schlack 1937 hergestellte Polyamid 6 auf Basis von Caprolactam wurde Perlon getauft. Etwa zeitgleich begannen die Buna-Werke der I.G. Farben mit der Fertigung von Buna S und Buna N als synthetischem Gummi-Ersatz. Otto Bayer entwickelte in diesem Jahr Polyurethan in Leverkusen. Bei DuPont wurde 1938 der Kunststoff Polytetrafluorethylen (Teflon) entwickelt. 1939 folgte bei ICI Low-Density Polyethylen (PE-LD). Der Werkstoff Polyethylenterephthalat (PET) wurde von J. R. Whinfielt und J. T. Dickson bei Calico Printers im Jahre 1941 erfunden. 1942 entdeckte Harry Coover (USA) bei Eastman Kodak den „Sekundenkleber“ Methylcyanoacrylat.
Jahr Weltproduktion (jato) 1930 10.000 1949 1.000.000 1976 50.000.000 2003 200.000.000 Anfang der 1950er Jahre entdeckte der deutsche Chemiker Karl Ziegler, dass Katalysatoren aus Aluminiumalkylen und Titantetrachlorid die Polymerisation von Ethen zu Polyethylen schon bei Raumtemperatur erlauben. [7] [8] [9] Bis dato musste Polyethylen unter hohem Druck in Stahlautoklaven polymerisiert werden. Die nach Ziegler hergestellten Polymere zeigten auch bezüglich ihrer Kettenstruktur einen wesentlich höheren Ordnungsgrad und völlig andere Materialeigenschaften (siehe hier). Der italienische Chemiker Giulio Natta forschte, basierend auf den Arbeiten von Ziegler, erfolgreich an einem ähnlichen Verfahren zur Herstellung von Polypropylen. [10] Heute sind die so hergestellten Polyethylene (PE) und Polypropylen (PP) neben Polystyrol (PS) die am häufigsten als Verpackungsmaterialien von Lebensmitteln, Shampoos, Kosmetika etc. verwendeten Kunststoffe. Ziegler und Natta erhielten im Jahre 1963 für ihre Arbeiten den Nobelpreis für Chemie.
Vor allem nach 1950 nahm aufgrund der zahlreichen Erfolge auf dem Gebiet der Polymerchemie die Produktion von Kunststoffen enorm zu. Durch die Entwicklung der Thermoplaste und insbesondere von entsprechenden Verarbeitungsverfahren konnten Formteile jetzt auf unschlagbar billige Weise hergestellt werden. Kunststoff wurde von einem Ersatzstoff mit besonderer Bedeutung zu einem Werkstoff für die industrielle Massenfertigung. In der Folge ging der Anteil der Duroplaste stetig zurück und lag im Jahre 2000 nur noch bei 15 %. Der Pro-Kopf-Verbrauch an Kunststoffen lag im Jahr 2000 bei 92 kg in Westeuropa, 13 kg in Osteuropa, 130 kg in Nordamerika, 19 kg in Lateinamerika, 86 kg in Japan, 13 kg in Südostasien und 8 kg im Mittleren Osten/Afrika.
Die Kunststoffindustrie ist bis heute eine Wachstumsbranche, wobei die Herstellungskapazitäten in Asien voraussichtlich zwischen 2006 und 2008 die führenden und etwa gleichstarken Regionen Europa und Nord-/Südamerika überholen werden.
Einteilung
Kunststoffe lassen sich in vier Hauptgruppen aufteilen:
Thermoplaste
- Thermoplaste sind Kunststoffe, die aus langen linearen Molekülen bestehen. Durch Energiezufuhr werden diese Materialien formbar bis plastisch und schmelzen schließlich. Sie können durch verschiedene Ur- und Umformverfahren in die gewünschte Form gebracht werden. Nachdem das jeweilige Teil abgekühlt ist, behält es seine Form bei. Dieser Prozess ist reversibel (lat. umkehrbar).
- Die meisten der heute verwendeten Kunststoffe fallen unter diese Gruppe. Für einfache Konsumwaren, Verpackungen etc. werden sie ebenso häufig eingesetzt, wie für technische Teile in der Automobil- und Elektroindustrie oder in der Bauindustrie, insbesondere für Dachbahnen, Fensterprofile und Rohre.
- Um neue, bisher noch nicht vorhandene Eigenschaften zu erzeugen, können auch zwei oder mehrere Thermoplaste vermischt werden (Polyblend).
Duroplaste
- Duroplaste sind Polymere, die in einem Härtungsprozess aus einer Schmelze oder Lösung der Komponenten durch eine Vernetzungsreaktion hervorgehen. Diese irreversible Reaktion wird meist durch Erhitzen bewirkt (daher auch der englische Fachterminus thermosets), kann aber auch durch Oxidationsmittel, energiereiche Strahlung oder Einsatz von Katalysatoren initiiert bzw. beschleunigt werden. Eine Erwärmung von Duroplasten führt nicht zu einer plastischen Verformbarkeit, sondern lediglich zu deren Zersetzung. Ausgehärtete Duroplaste sind meist hart und spröde sowie im weitergehenden Fertigungsprozess nur noch mechanisch bearbeitbar.
- Wegen ihrer mechanischen und chemischen Beständigkeit auch bei erhöhten Temperaturen werden sie häufig für Elektroinstallationen verwendet. Einer der verbreitetsten und ältesten Kunststoffe dieser Klasse ist Bakelit. In diese Gruppe fallen auch Polyester (PES), Polyurethanharze für Lacke und Oberflächenbeschichtungen und praktisch alle Kunstharze wie beispielsweise Epoxide.
Elastomere
- Zu den Elastomeren gehören alle Arten von vernetztem Kautschuk. Die Vernetzung erfolgt beispielsweise durch Vulkanisation mit Schwefel, mittels Peroxiden, Metalloxiden oder Bestrahlung.
- Die Elastomere sind weitmaschig vernetzt und daher flexibel. Sie werden beim Erwärmen nicht weich und sind in den meisten Lösemitteln nicht löslich. Daher werden sie für Hygieneartikel oder Chemikalienhandschuhe verwendet. Die Gummimischung von Autoreifen ist ebenfalls ein Elastomer, das seine Eigenschaften durch Vulkanisation erhält.
- Beispiele für Elastomere sind Naturkautschuk (NR), Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (NBR), Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR), Chloropren-Kautschuk (CR), Butadien-Kautschuk (BR) und Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (EPDM).
Thermoplastische Elastomere
- Thermoplastische Elastomere (TPE oder auch Elastoplaste) sind Elastomere, die sich bei Raumtemperatur wie klassische Vertreter verhalten, jedoch beim Erhitzen verformbar werden. Meist sind dies Copolymere, die aus einer „weichen“ Elastomer- und einer „harten“ thermoplastischen Komponente bestehen. Die Eigenschaften der Elastoplaste liegen zwischen denen von Duroplasten und Thermoplasten.[11] Beispiele sind ab 1965 von Shell entwickelte Blockcopolymere aus Styrol und Polyolefinen.
- Ein großer Vorteil dieser elastischen Kunststoffe ist die Möglichkeit, diese Schweißen zu können um damit wasserfeste Verbindungen zu erzeugen.[12]
Internationales Kurzzeichensystem
Einzelne Kunststoffe werden nach einem weltweit standardisierten Kurzzeichen-System bezeichnet, welches für Deutschland in der DIN EN ISO 1043 Teil 1 und DIN ISO 1629 (Kautschuke) beschrieben ist.
Eigenschaften
Kunststoffe zeichnen sich, verglichen mit keramischen oder metallischen Werkstoffen, durch eine Reihe von ungewöhnlichen Eigenschaften aus:
Dichte und Festigkeit
Die Dichte der meisten Kunststoffe liegt zwischen 800 und 2200 kg/m3. Sie sind damit erheblich leichter als Metalle oder keramische Werkstoffe.
In Bezug auf die mechanischen Eigenschaften sind Kunststoffe anderen Werkstoffklassen häufig unterlegen. Ihre Festigkeit und Steifigkeit erreicht meist nicht die von Metallen oder Keramiken. Wegen der geringen Dichte kann dies jedoch teilweise mit konstruktiven Mitteln (höhere Wandstärken) oder dem Einsatz von faserverstärkten Kunststoffen kompensiert werden. Ein Beispiel ist der Einsatz von Kevlar in Flugzeugtragflächen.
Obwohl die Festigkeiten vergleichsweise niedrig sind, brechen Kunststoffteile weniger leicht als beispielsweise Keramik oder Glas. Sie weisen zumeist eine gute Zähigkeit auf. Deshalb werden Gebrauchsgegenstände für Kinder und Spielzeug vielfach aus Kunststoff gefertigt.
Chemische Beständigkeit
Viele Kunststoffe sind im Gegensatz zu Metallen aufgrund ihrer organischen Natur beständig gegenüber anorganischen Medien. Dies schließt Mineralsäuren, Laugen, sowie wässrige Salzlösungen ein. Daher bevorzugt man Werkstoffe aus Kunststoff zur Herstellung von pflegeleichten Haus- und Elektrogeräten, Fahrzeugausstattungen, Spielzeugen usw.
Im Gegensatz zu Metallen reagieren sie allerdings empfindlich auf organische Lösungsmittel, wie Alkohole, Aceton, Benzin. Dennoch gelang es auch auf diesem Gebiet, beständige Kunststoffe zu entwickeln. Ein Beispiel ist der Autotank aus Polyethylen im VW Polo. Er ist überaus beständig gegenüber Korrosion und trotzdem unempfindlich gegenüber dem Benzin.
Niedrige Verarbeitungstemperaturen
Die gängigen Verarbeitungstemperaturen für Kunststoffe liegen im Bereich von 250 bis 300 °C. Während Metalle bei hohen Temperaturen aufwendig gegossen werden müssen und Einschränkungen bezüglich der Gussformen bestehen, lassen sich aus Thermoplasten auch kompliziertere Formteile mit vergleichsweise geringem Aufwand fertigen. Gleichzeitig können in einem Verarbeitungsschritt Additive, wie Farbpigmente oder Fasern, in das Material eingearbeitet werden, die sich bei den hohen Temperaturen des Metallgießens oder des Sinterns von Keramik zersetzen würden.
Niedrige Leitfähigkeiten
Die Wärmeleitfähigkeit von Kunststoffen liegt deutlich unter der von Metallen. Daher werden viele Kunststoffe, vor allem Schaumstoffe, als Dämmstoffe eingesetzt.
Die elektrische Leitfähigkeit von Kunststoffen ist um 15 Größenordnungen kleiner als die von Metallen. So werden viele Kunststoffe zur Isolation von elektrischen Leitungen und Kabeln eingesetzt.
Herstellung
siehe auch Hauptartikel Polymerisation
Kunststoffe werden generell durch schrittweises Aneinanderfügen von Monomeren zu langen Ketten – den Polymeren – hergestellt, wobei grundsätzlich zwischen Kettenpolymerisation (auch Kettenreaktion) und Stufenpolymerisation (auch Stufenreaktion) unterschieden wird.
Kettenpolymerisationen
Bei einer Kettenpolymerisation beginnt das Wachstum mit einem Molekül, an das sukzessive weitere Monomere addiert werden. Das die Polymerisation startende Molekül nennt man Initiator, das auf diesen aufwachsende heißt Monomer. Die Zahl der Monomere, aus denen das Polymer letztendlich besteht, ist der Polymerisationsgrad. Der Polymerisationsgrad kann durch das Verhältnis von Monomer zu Initiator eingestellt werden. Mathematisch wird er durch die Mayo-Gleichung abgeschätzt.[13]
Radikalische Polymerisation
Bei der radikalischen Polymerisation werden die Wachstumsreaktionen durch Radikale initiiert und fortgepflanzt. Sie ist verglichen mit anderen Kettenreaktionen unempfindlich, leicht zu kontrollieren und liefert schon bei recht kleinen Umsätzen hohe Polymerisationsgrade. Sie wird daher vor allem bei der Herstellung von billigen Kunststoffen, wie LD-PE, PS oder PVC, eingesetzt.
Eine Gefahr bei diesem Verfahren stellt die freiwerdende Polymerisationswärme dar. Die radikalische Polymerisation ist exotherm, das heißt bei der Reaktion wird Wärme freigesetzt. Diese Wärme erzeugt, wenn sie nicht abgeführt wird, weitere Radikale, so dass sich die Reaktion selbst beschleunigen kann. Im Extremfall kann eine solche „Selbstbeschleunigung“ zur Überlastung des Reaktormaterials und damit zu einer thermischen Explosion führen.[13]
Ionische Polymerisation
Bei ionischen Polymerisationen werden die Wachstumsreaktionen durch ionische Spezies initiiert und fortgepflanzt. Die wachsenden Ketten sind langlebiger (mehrere Stunden bis Tage) als ihre radikalischen Analoga (Lebensdauer etwa 10-3s), man spricht in diesem Zusammenhang auch von sogenannten lebenden Polymeren. Daher kann man nach Abschluss einer Polymerisation auf die noch lebenden, das heißt zur Polymerisation befähigten Ketten, ein weiteres Monomer aufgeben und so ein erneutes Wachstum fortführen.[14] [15]
Polymere, deren Ketten aus zwei oder mehr unterschiedlichen Monomertypen bestehen, nennt man Copolymere. Findet man in einem Copolymeren lange Blöcke des einen Monomers, gefolgt von Blöcken des anderen, spricht man von Blockcopolymeren. Für eben solche speziellen Anwendungen wird die ionische Polymerisation angewandt. Ein Beispiel sind die synthetischen Gummis Acrylnitril-Butadien-Kautschuk (NBR) und Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR), die bei der Herstellung von Autoreifen Verwendung finden. Nachteil dieses Verfahrens ist seine hohe Empfindlichkeit gegenüber Verunreinigungen, Wasser und Sauerstoff.[13] Ionische Polymerisationen sind daher aufwendiger und kostenintensiver als die radikalische Polymerisation.
Metallorganische Katalysatoren
Diese Polymerisationen finden in Gegenwart von Katalysatoren statt. Beim Katalysator handelt es sich um einen Metallkomplex (Verbindung aus Metallatomen, umgeben von weiteren Spezies), der in der Lage ist, die wachsende Kette zu binden. Die Addition weiterer Monomere geschieht durch Einschub (Insertion) des Monomers zwischen wachsende Kette und Katalysatorspezies. Resultat ist ein höherer Ordnungsgrad der entstehenden Polymere (siehe Taktizität) sowie ein geringerer Verzweigungsgrad. Aufgrund dieser reguläreren Struktur erfolgt auch die Packung der einzelnen Ketten im Festkörper effizienter, der Kunststoff wird dichter. Die zurzeit industriell wichtigste Katalysatorklasse ist die der Ziegler-Natta-Katalysatoren. Eine Rolle spielen sie zum Beispiel bei der Herstellung von Polyethylen.[16]
Beim Low-Density-Polyethylen (LD-PE) handelt es sich um in der Gasphase polymerisiertes Ethen mit geringem Ordnungsgrad, vielen Seitenverzweigungen und geringer Dichte. Diesen Kunststoff findet man vor allem als transparente oder gefärbte Verpackungsfolie von Getränkeflaschen, Büchern, CDs etc.
High-Density-Polyethylen wird mit einem metallorganischen Katalysator im Ziegler-Natta-Verfahren hergestellt. Es resultiert ein Polymer mit hohem Ordnungsgrad, wenigen Verzweigungen und hoher Dichte. Dieser Kunststoff findet beispielsweise Verwendung als Material für Autotanks, Benzinkanister etc.
Stufenpolymerisationen
Im Gegensatz zur Kettenpolymerisationen erfolgt in Stufenpolymerisationen die Bildung der Polymere nicht durch Initiation einer wachsenden Kette, die weiter sukzessive Monomere addiert, sondern durch direkte Reaktion der Monomere untereinander. Diese Reaktion kann unter Freisetzung eines Nebenprodukts wie Wasser (Polykondensation) oder durch einfache Addition der Monomere zu einer neuen Spezies (Polyaddition) erfolgen.
Polykondensation
Bei Polykondensationen erfolgt die Bildung der linearen Kette durch intermolekulare Reaktion bifunktioneller Polymere unter Abspaltung einer kleineren Spezies, wie beispielsweise Wasser oder Alkohole.
Beispiel Polyamide:
Carbonsäuren reagieren mit Aminen zu Amiden. Setzt man Moleküle ein, die zwei Carbonsäuregruppen tragen, kann eines dieser Moleküle mit zwei Aminen reagieren. Es entsteht so ein Polymer aus drei Monomeren (eine Carbonsäureeinheit, zwei Amine). Tragen die eingesetzten Amine auch wieder zwei Amingruppen, kann die zuvor entstandene Spezies wiederum mit zwei Carbonsäuremolekülen reagieren usw. Die so entstehenden Polymere können sich dann auch noch weiter untereinander verbinden, so dass der Polymerisationsgrad entscheidend von der Reaktionsdauer abhängt (siehe Carothers-Gleichung).
Durch Reaktion von Dicarbonsäuren mit Diolen (Dialkohol) werden so Polyester hergestellt. Unter den wichtigsten durch Polykondensation hergestellten Kunststoffen sind Polyethylenterephthalat (PET), ein Polyester, Nylon, ein Polyamid und Bakelit, ein Duroplast.
Polyaddition
Bei Polyadditionen erfolgt die Bildung des Polymers durch Addition der einzelnen Monomere untereinander, ohne die Bildung von Nebenprodukten.
Beispiel Polyurethane:
Isocyanate reagieren mit Alkoholen in einer Additionsreaktion zu sogenannten Urethanen. Auch hier gilt: setzt man bifunktionelle Monomere ein, erfolgt die Bildung langer linearer Ketten. Auf diese Weise hergestelltes Polyurethan wird für Armaturenbretter, Lacke, Klebstoffe etc. verwendet. Setzt man der Polymerisationsmischung Wasser zu, reagiert dieses mit den Isocyanaten zu Aminen und Kohlenstoffdioxid. Das in der Mischung freiwerdende CO2 wird in Form von Bläschen in den Kunststoff eingeschlossen, so dass man einen Schaumstoff erhält. Polyurethanschaumstoff wird für Matratzen, Sitzmöbel, Schwämme, etc. verwendet.
Additive
Kunststoffen werden im Verlauf des Herstellungsprozesses sogenannte Additive zugesetzt (Compoundierung). Sie dienen der genauen Einstellung der Materialeigenschaften auf die Bedürfnisse der jeweiligen Anwendung und der Verbesserung der chemischen, elektrischen und mechanischen Eigenschaften. Solche mit Zuschlagsstoffen versehene Formmassen werden nach DIN EN ISO 1043 (Thermoplaste) und nach DIN 7708 (Duroplaste) gekennzeichnet.
Weichmacher
Etwa zwei Drittel der weltweit hergestellten Additive werden für die Produktion von Polyvinylchlorid aufgewendet, fast drei Fünftel der hergestellten Additive sind Weichmacher.[17] Sie verringern Sprödigkeit, Härte und Glastemperatur eines Kunststoffes und machen ihn so besser form- bzw. verarbeitbar. Es handelt sich um Stoffe, die in der Lage sind auf molekularer Ebene in den Kunststoff einzudringen und so die Beweglichkeit der Ketten gegeneinander zu erhöhen. Qualitativ kann man sie als „molekulares Schmiermittel“ verstehen. Bis vor wenigen Jahren war Diethylhexylphthalat (DEHP) (synonym: Dioctylphtalat DOP) der am häufigsten verwendete Weichmacher. Dieser stellte sich jedoch als umwelt- und gesundheitsschädlich heraus, weshalb die europäische Industrie inzwischen weitgehend auf seinen Einsatz verzichten will.
Extender verbessern ebenfalls die Verarbeitbarkeit, man spricht deshalb auch von sekundären Weichmachern. Wichtige Extender sind epoxidierte Öle, hochsiedende Mineralöle und Paraffine.[18]
Stabilisatoren
Stabilisatoren dienen der Verbesserung der chemischen Eigenschaften. Sie erhöhen die Lebensdauer des Kunststoffes und schützen ihn vor schädigenden Einflüssen (Oxidation, Strahlung und Wärme bzw. Feuer) in seinem Einsatzgebiet.
Durch Reaktion mit Luftsauerstoff kann sich der Kunststoff verfärben, und die Polymerketten können sich zersetzen oder neu vernetzen. Dies verhindert man durch Zugabe von Antioxidantien, welche die bei der Reaktion entstehenden freien Radikale abfangen (Radikalkettenabbrecher), oder gleich die Bildung der Radikale verhindern (Desaktivatoren).[18] Als Abbrecher setzt man beispielsweise Phenole oder Amine zu, als Desaktivatoren dienen Phosphane und ebenfalls Amine.
Lichtschutzmittel schützen gegen eine Schädigung durch ultraviolettes Licht. Doppelbindungen zwischen Kohlenstoffatomen sind in der Lage, Licht dieser Wellenlänge zu absorbieren, daher sind vor allem Kunststoffe durch UV-Licht gefährdet, die dieses Strukturelement aufweisen (z. B. Polyisopren). Allerdings können aufgrund von Katalysatorrückständen, Strukturfehlern und Nebenreaktionen bei der Verarbeitung praktisch alle Polymere ein Absorptionsvermögen für UV-Strahlung zeigen. Diese induziert die Bildung von freien Radikalen im Material, die Nebenreaktionen, wie Zerfall der Kette und Vernetzungen einleiten. Es existieren grundsätzlich drei Wege eine Schädigung zu verhindern: Reflexion des Lichts, Zusatz von das Licht absorbierenden Stoffen und Zusatz von Radikalfängern. Wichtige Lichtschutzmittel sind Ruß, der die Strahlung absorbiert, σ-Hydroxybenzophenon, das die Energie in Infrarotstrahlung umwandelt und Dialkyldithiocarbamate, die UV-Licht absorbieren und als Radikalfänger fungieren.[19]
Kunststoffe sind empfindlich gegenüber Wärmeeinwirkung. Oberhalb einer für das Material charakteristischen Temperatur (Zersetzungstemperatur) setzt der Zerfall der molekularen Struktur ein. Wärmestabilisatoren sollen dies verhindern. Unerlässlich sind diese für Polyvinylchlorid, das sonst, unter Bildung von Chlorwasserstoff und u. U. gesundheitsschädlicher Zerfallprodukte, seine mechanische Stabilität einbüßen würde.[20] Der Zerfallmechanismus verläuft über die Bildung von Doppelbindungen. Organische Barium-, Zink-, Zinn-, und Cadmiumverbindungen und anorganische Bleisalze komplexieren diese und unterbrechen so den Zerfallmechanismus.[19] Vor allem die Bleiverbindungen stellen hinsichtlich der Entsorgung des Kunststoffs ein nicht unerhebliches Umweltproblem dar. Derzeit sind 80% der Wärmestabilisatoren auf der Basis von Blei.[17] Die chemische Industrie ist zurzeit allerdings bemüht, diese zu ersetzen. So wurde bei Cognis, einer Tochterfirma des Henkel-Konzerns, speziell für Fensterprofile ein Stabilisator auf der Basis von Calcium und Zink entwickelt.[17]
Bei Bränden geht von Kunststoffen eine große Gefahr aus, da sie zum einen in der Lage sind die Brände zu unterhalten und zum anderen bei einer unkontrollierten Verbrennung giftige oder ätzende Gase, wie Blausäure, Kohlenstoffmonoxid, Chlorwasserstoff und Polyhalogenierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane frei werden. Flammschutzmittel verhindern entweder den Sauerstoffzutritt zum Brand oder stören die chemischen Reaktionen (Radikalkettenmechanismen) der Verbrennung.[21] Polycarbonate erfordern oft keine Flammschutzmittel, da als Löschmittel wirkendes Kohlendioxid ein Zerfallsprodukt des Polymers darstellt.
Wichtige Flammschutzmittel sind:[18]
- polybromierte Diphenylether (PBDEs): setzen Radikale frei, welche die Zwischenprodukte des Brennvorgangs abfangen
- Aluminiumhydroxid (Al(OH)3), auch (ATH): setzt Wassermoleküle frei
- Phosphorhaltige Verbindungen: bilden Phosphorsäuren, die eine Wasserabspaltung katalysieren
Farbmittel
Die meisten Polymere sind in reiner Form farblos, farbig werden sie erst durch Zusatz von Farbmitteln. Man unterscheidet zwischen Farbstoffen (lösen sich auf molekularer Ebene im Polymer oder adsorbieren an der Oberfläche) und Pigmenten (unlösliche, meist anorganische Aggregate).[19] Textilien färbt man praktisch ausschließlich mit Farbstoffen ein.[19] Der weit überwiegende Teil der Kunststoffe wird allerdings mit Pigmenten gefärbt, da diese lichtechter und meist auch billiger sind.[19] Wichtige Pigmente in diesem Bereich sind Rutil (weiß), Ruß (schwarz), Cobalt- oder Ultramarinblau, sowie Chromoxidgrün.[19] Inzwischen ist auch der Einsatz von Effektpigmenten möglich, z. B. zeigen mit seltenen Erden dotierte Strontium-Aluminate ein intensives Nachtleuchten.[22] Einsatzgebiete für derartig gefärbte Kunststoffe sind bei Dunkelheit leichter auffindbare Sicherheitsmarkierungen, Lichtschalter oder Taschenlampen.
Füllstoffe
Füllstoffe sind klassische Streckmittel, die so die Herstellung des Kunststoffs verbilligen. „Aktive Füllstoffe“ verbessern zusätzlich die mechanischen Eigenschaften des Materials. Wichtige Füllstoffe sind unter anderem: Kreide, Sand, Kieselgur, Glasfasern und -kugeln, Zinkoxid, Quarz, Holzmehl, Stärke, Graphit, Ruße und Talkum.
Verstärkungsstoffe
Unter Verstärkungsstoffe (reinforcement) versteht man in Kunststoffen eingesetzte anorganische oder organische Zusatzstoffe, die die Kunststoffmatrix verstärken. Unter Verstärkung ist die Verbesserung mechanischer und physikalischer Eigenschaften, wie E-Modul, Biegefestigkeit, Kriechmechanik und Wärmeformbeständigkeit zu verstehen. Verstärkungsstoffe werden gezielt zur Verbesserung dieser Werkstoffeigenschaften eingesetzt.
Einteilung der Verstärkungsstoffe
Erfolgt einerseits nach der chemischen Zusammensetzung, andererseits auch nach der physikalischen Gestalt des Stoffes. So gibt es flächige Verstärkungsstoffe in Form von Gewebe, Gelege, Gestricke, Gewirke.
Ausgangsstoffe für diese flächigen Verstärkungsstoffe sind faserförmige Verstärkungsstoffe, wobei die Fasern meist aus Glas, Kohlenstoff, Aramid oder Naturstoffen wie Flachs, Jute, etc. gebildet sind.
Neben den faserförmigen Verstärkungsstoffen gibt es auch eine Vielzahl an teilchenförmigen Verstärkungsstoffen, wie beispielsweise Talkum, Glimmer, Graphit, Aluminiumhydroxyd und andere.
Die Eigenschaften verstärkter Thermoplaste werden vor allem vom Volumenanteil des Verstärkungsstoffes, dessen Form (Formfaktor, Länge/Durchmesser-, L/D- oder Aspektverhältnis) und der Wechselwirkung an der Grenze zur Matrix beeinflusst.
Aspektverhältnis
Zum Füllen und Verstärken von Thermoplasten werden Zusatzstoffe stark unterschiedlicher Form verwendet. Der für die mechanischen Eigenschaften des Verbunds bedeutsame Formfaktor ist definiert als das Verhältnis seiner Länge zu seiner Dicke (L/D-Verhältnis).
- Kugelförmige und kubische Partikel haben einen Formfaktor von 1. Beispiele sind Glaskugeln oder Calciumcarbonat.
- Fasern oder andere anisotrope plättchenförmige Füllstoffe können sehr hohe Formfaktoren aufweisen und dieser liegt meist deutlich über 100.
- Plättchenförmige Verstärkungsstoffe, zu denen Schichtsilikate wie Talk und Glimmer zählen, liegen meist zwischen 5 und 50.
Verstärkungsstoffe mit hohem L/D-Verhältnis versteifen Polymermatrices in der Regel stärker als Füllstoffe mit geringerem Aspektverhältnis.
Die Verstärkungswirkung beruht darauf, dass eine angelegte mechanische Spannung von der Polymermatrix aufgenommen wird und auf den Verstärkungsstoff übertragen wird. Je größer das Aspektverhältnis des Verstärkungsstoffes ist, desto besser kann die durch die Spannung verursachte Energie im Material abgeführt werden. Eine Beschichtung der Zusatzstoffe mit Kupplungsreagenzien (sog. Koppler) kann die Verträglichkeit mit der Matrix und damit die Verarbeitbarkeit und auch die resultierenden mechanischen Eigenschaften zusätzlich deutlich verbessern. So gelingt es innovativen Compounding-Betrieben durch optimale Formulierung der Rezeptur und Einsatz von geeigneten Kopplersystemen hochqualitative Compounds herzustellen.
Plättchenförmige Verstärkungsstoffe weisen zwar meist einen geringeren E-Modul wie faserförmige Verstärkungsstoffe auf, erhöhen aber den E-Modul trotzdem beträchtlich. Ein wesentlicher Vorteil der teilchenförmigen Verstärkungsstoffe ist, dass die Endeigenschaften des Kunststoffbauteils durch die Teilchenform nahezu isotrop, also richtungsunabhängig sind. Durch das Aspektverhältnis zwischen 5 und 50 sind plättchenförmige Verstärkungsstoffe, wie beispielsweise Talkum eine sehr gute Lösung, um Kunststoffe zu verstärken, gleichzeitig jedoch die Richtungsabhängigkeit der Eigenschaften nicht allzu sehr negativ zu beeinflussen.
Die Eigenschaftsverbesserung durch Verstärkungsstoffe betrifft beispielsweise:
- die Erhöhung des E-Moduls
- die Erhöhung der Biegefestigkeit
- die positive Beeinflussung des Schwindungsverhaltens
- die Verbesserung des Kriechverhaltens
- oder die Erhöhung der Wärmeformbeständigkeit.
Einsatz findet Talkum als Verstärkungsstoff beispielsweise bei der Verstärkung von Polyolefinen, wie HDPE oder PP, für einen vielseitigen Einsatz in der Auto- oder Bauindustrie. Verstärkte Polypropylencompounds sind seit ca. 30 Jahren auf dem Markt. Ende der 60er Jahre wurden erstmals talkum- (TV) und glasfaserverstärkte (GFV) Produkte auf Basis PP angeboten.
Kunststoffindustrie
Die kunststofferzeugende Industrie ist ein wichtiger Zweig der chemischen Industrie. 2006 erzielten in diesem Bereich in Deutschland 3570 Unternehmen mit rund 372.900 Arbeitnehmern einen Gesamtumsatz von 79,4 Milliarden Euro.[23] Tätig sind sie in den sich teilweise überschneidenden Teilgebieten
- Kunststofferzeugung
- Kunststoffverarbeitung
- Kunststoffmaschinenbau
Die Kunststofferzeugung erfolgt zu großen Teilen bei global agierenden Chemiekonzernen wie beispielsweise Basell, BASF, Bayer, Dow Chemical, DSM, DuPont und Solvay. Sie liefern ein begrenztes Sortiment an Kunststoffen in Mengen von teilweise mehreren 100 kt pro Jahr.
Verarbeitung
Siehe Hauptartikel Kunststoffverarbeitung
Die Kunststoffverarbeitung ist Gegenstand eines eigenständigen Industriezweiges. Dabei kommen überwiegend Urformverfahren zum Einsatz, die im Gegensatz zu den metallischen Werkstoffen bei wesentlich geringeren Verarbeitungstemperaturen (bis 350 °C) ablaufen. Dadurch können die Fertigungseinrichtungen (sog. Werkzeuge) mehrfach verwendet werden und erlauben so eine kostengünstige Fertigung.
Es kommen eine Vielzahl von Verfahren zum Einsatz, die teilweise ihren Ursprung in der wesentlich älteren Metallbearbeitung haben und auf die Eigenschaften der Kunststoffe abgestimmt und weiterentwickelt wurden. So ist beispielsweise das Spritzgießen für Kunststoffe dem Druckguss für Metalle sehr ähnlich. Andere Verfahren, wie das Extrudieren oder Blasformen sind nur für Kunststoffe gebräuchlich.
Die Schäumverfahren haben wiederum ihren Ursprung bei den Kunststoffen, werden aber, wie z.B. Metallschaum, inzwischen auch für andere Werkstoffklassen verwendet. Sie lassen sich weiter in chemische, physikalische oder mechanische Treibverfahren untergliedern.
Für alle diese Verfahren werden spezielle Maschinen und Werkzeuge benötigt, die der Kunststoffmaschinenbau zur Verfügung stellt.
Wichtige Massenkunststoffe
Siehe auch die Liste der Kunststoffe.
Etwa 90 % der weltweiten Produktion (jährlich etwa 150 Mio. t.) entfallen in der Reihenfolge ihres Anteils auf die folgenden sechs Kunststoffe:[24]
Polyethylen
Polyethylen wird hauptsächlich in drei unterschiedlichen Qualitäten hergestellt: HD-PE (High-Density-PE), LLD-PE (Linear-Low-Density-PE), LD-PE (Low-Density-PE). HD-PE wird mittels Ziegler-Natta-Katalysatoren synthetisiert, seine Ketten zeigen einen sehr hohen Ordnungs- und niedrigen Verzweigungsgrad. Diese können sich daher im Festkörper effizient anordnen, so dass ein kristallines Material entsteht, dessen Dichte höher ist als die von LD-PE (beide weisen aber eine Dichte auf, die geringer ist als die von Wasser). Es wird zur Fertigung von Flaschen, Getränkekästen, Fässern, Batteriegehäusen, Eimern, Schüsseln, etc verwendet. LD-PE wird unter hohem Druck in der Gasphase polymerisiert, in LLD-PE werden 1-Buten, 1-Hexen und 1-Octen einpolymerisiert, um so einen kontrollierten Verzweigungsgrad zu erzeugen. Beide Varianten weisen so einen geringen kristallinen Anteil und einen hohen, bzw. mittleren Verzweigungsgrad auf. Das Material besitzt hervorragende filmbildende Eigenschaften und wird vor allem zur Herstellung von Verpackungsfolien für Zigarettenpäckchen, CDs, Bücher, Papiertaschentücher, etc, sowie Tragetaschen verwendet.
Polypropylen
Polypropylen wird fast ausschließlich auf metallkatalytischem Wege hergestellt, da nur das so erhaltene kristalline Material kommerziell verwertbare Eigenschaften aufweist. Es handelt sich um einen sehr harten, festen und mechanisch belastbaren Kunststoff mit der geringsten Dichte aller Massenkunststoffe. Aufgrund dieser Eigenschaften hat es teilweise bereits Metallwerkstoffe verdrängt. Wie bei dem rechts abgebildeten Deckel zeigt es außerdem den sogenannten Filmscharniereffekt, d. h. es kann durch einen dünnen Film Gehäuse und Deckel miteinander verbinden, ohne aufgrund der Biegebelastung zu brechen. Ein erheblicher Teil des weltweit hergestellten Polypropylens wird für Lebensmittelverpackungen aufgewendet, weitere Anwendungsgebiete sind:
- Automobilindustrie: als Material für Luftfiltergehäuse, Spoiler, Scheinwerfergehäuse, Sitzbezüge und Gaspedale.
- Bauwesen: Gartenmöbel, Klodeckel, Kunstrasen, Möbelscharniere, etc.
- Sonstiges: Brillenetuis, Koffer, Schulranzen, sterilisierbare medizinische Geräte.
Polyvinylchlorid
Polyvinylchlorid galt aufgrund des ungewöhnlich hohen Chloranteils, und der damit bei der Verbrennung entstehenden Nebenprodukte, lange Zeit als umweltschädlichster Kunststoff. Zudem ist das zur Herstellung benötigte Vinylchlorid krebserregend. Inzwischen führt man jedoch den Chloranteil auch als positiven Aspekt an (Einsparung von Rohöl). Man unterscheidet generell zwischen Hart-Polyvinylchlorid und durch Zusatz von Weichmachern hergestelltes Weich-Polyvinylchlorid. Hart-PVC ist ein amorpher Thermoplast und besitzt eine hohe Steifigkeit und Härte. Es ist extrem schwer entflammbar, kann in der Hitze eines bestehenden Brandes allerdings Chlorwasserstoff und Dioxine freisetzen. Es zeigt eine sehr gute Beständigkeit gegen Säuren, Basen, Fette, Alkohole und Öle. Aus diesem Grund wird es auch vor allem zur Herstellung von Abflussrohren und Fensterprofilen eingesetzt. Gravierende Nachteile sind seine sehr geringe Wärmebeständigkeit, es kann dauerhaft nur bis 65 °C und kurzfristig bis 75 °C eingesetzt werden, und seine Neigung zum "Weißbruch" beim Biegen. Weich-PVC ist ein gummielastischer, lederähnlicher Thermoplast. Wichtige Anwendungen sind die Herstellung von Bodenbelägen, Dichtungen, Schläuchen, Kunstleder, Tapeten, Dachbahnen etc.
Polystyrol
Polystyrol wird überwiegend als amorpher Thermoplast hergestellt, durch neuere Entwicklungen gibt es aber mittlerweile auch kristallines Polystyrol, dieses hat aber geringere Bedeutung. Beide Varianten zeichnen sich durch geringe Feuchtigkeitsaufnahme, gute Verarbeitbarkeit und sehr gute elektrische Eigenschaften aus. Sie unterscheiden sich in ihrer Schlagfestigkeit. Nachteile sind seine Neigung zur Spannungsrissbildung, die geringe Wärmebeständigkeit, Entflammbarkeit und seine Empfindlichkeit gegenüber organischen Lösungsmitteln. Mittels Kohlenstoffdioxid bei der Polymerisation aufgeschäumtes Polystyrol wird unter anderem als Styropor vertrieben.
Anwendungsgebiete:
- Elektrotechnik: als Isolierung von elektrischen Kabeln, Material für Gehäuse, (als HIPS), Schalter, etc.
- Bauindustrie: als Dämmstoff (Schaumpolystyrol)
- Verpackungen: Schaumpolystyrol, Verpackungsfolien, Joghurtbecher, etc.
Polyurethan
Die Eigenschaften von Polyurethanen können durch Wahl der Monomerkomponenten sehr stark variiert werden. So werden sehr elastische Textil-Fasern (Elastan) aus PUR hergestellt, ebenso dient es als Zusatz von Lacken und Material für Leiterplatten (Bectron). Die bekannteste Anwendung dürften Polyurethanschaumstoffe sein. Sie dienen als Matratzen, in Autositzen, Sitzmöbeln, Dämmmaterial, Schwämme, etc. Auch hier können mittels der Wahl der Monomere die genauen Materialeigenschaften eingestellt werden.
Polyethylenterephthalat
Polyethylenterephthalat ist ein Polyester aus Terephthalsäure und Ethylenglykol. Es kristallisiert sehr langsam, so dass man auch hier je nach Anwendungsbereich amorphes und teil-kristallines (C-PET) Material herstellen kann.
C-PET besitzt hohe Steifigkeit, Härte, Abriebfestigkeit und ist beständig gegen verdünnte Säuren, Öle, Fette und Alkohole. Es ist jedoch empfindlich gegenüber heißem Wasserdampf.
Anwendungsbeispiele:
- Elektrotechnik: Teile für Haushalts- und Küchengeräte, Computer, etc.
- Maschinenbau: Zahnräder, Lager, Schrauben, Federn.
- Fahrzeugtechnik: Sicherheitsgurte, LKW-Abdeckplanen
- Medizin: Implantate wie beispielsweise Gefäßprothesen
Amorphes PET zeigt eine geringere Steifigkeit und Härte als C-PET, aber bessere Schlagzähigkeit. Da es transparent, aber leichter als Glas ist, wird es als Material für Getränkeflaschen und Verpackungen für Lebensmittel und Kosmetika verwendet. In der Elektrotechnik finden PET-Folien als Trägermaterial für Magnetbänder Verwendung.
Hochleistungspolymere
Neben den Kunststoffen, die in großen Mengen für Massenartikel hergestellt werden, wurden in der Vergangenheit auch Polymere für Spezialanwendungen entwickelt. Als einige Beispiele sind zu nennen:
Flüssigkristalline Polymere
Als Flüssigkristalline Polymere (engl. Liquid Crystalline Polymers (LCP)) bezeichnet man Polymere, deren Ketten in der Schmelze sogenannte Flüssigkristalline Phasen bilden. In Kristallen liegt generell eine feste Ordnung vor, während in Flüssigkeiten/Schmelzen die Verteilung der Moleküle oder Atome in der Regel weitgehend zufällig ist. Insofern stellt der Ausdruck "flüssigkristallin" eigentlich einen Widerspruch dar. In LCPs orientieren sich die Polymerketten jedoch aufgrund intramolekularer Wechselwirkungen parallel zu Bündeln an. So bilden beispielsweise aromatische Polyamide in Schwefelsäure in Verbindung mit Calcium- oder Lithiumchlorid derartige Phasen.[25] Presst man eine derartige Lösung aus einer Spinndüse durch einen Zwischenraum mit Luft in ein Fällbad (Dry-Jet-Wet-Spinnverfahren), erhält man Fasern, in denen die Ketten in Richtung der Längsachse orientiert sind.[26] Derartige Fasern sind in der Lage, eine für Kunststoffe ungewöhnlich hohe Zugbelastung auszuhalten, die vergleichbar mit Metallen oder Kohlenstofffasern ist. Aufgrund ihrer geringen Dichte setzt man sie, eingebettet in Kunstharze (Composites) im Flugzeug- und Fahrzeugbau ein. Weitere Anwendungen sind schusssichere Westen, Schutzhelme, Schutzanzüge, Surfbretter, Segelbootbau, etc. Wichtige Marken sind: Kevlar, Nomex und Faser B.
Elektrisch leitende Polymere
Kunststoffe gelten im Allgemeinen als hervorragende Isolatoren. Das liegt daran, dass Polymeren die Grundvoraussetzung für elektrische Leitfähigkeit, quasi freie Elektronen, völlig fehlt. Durch Zugabe von Substanzen (Dotierung), die entweder der Kette Elektronen zuführen (Reduktion) oder durch Entfernung (Oxidation) freie Stellen für die Elektronenbewegung schaffen, ist es möglich elektrisch leitfähige Polymere zu erzeugen. Siehe hierzu auch: Polytronik. So werden beispielsweise Polyacetylen und Poly(p-phenylen) elektrisch leitend, wenn man sie mit Brom, Iod oder Perchlorsäure dotiert. Weitere wichtige elektrisch leitende Polymere sind Polyanilin, dotiert mit Salzsäure und Polypyrrol aus anodischer Oxidation. Anwendungen sind Materialien für Elektroden und Batterieelemente, sowie antistatische Beschichtungen. Durch geeignete Dotierung können den bisher genannten Polymeren auch halbleitende Eigenschaften verliehen werden. Aus solchen Materialien bestehen beispielsweise Polymer-Leuchtdioden. Für die Entwicklung leitfähiger Polymere wurde den Wissenschaftlern Alan J. Heeger, Alan G. MacDiarmid und Hideki Shirakawa im Jahre 2000 der Nobelpreis für Chemie verliehen.
Kunststoffe in der Medizin
Kunststoffe erfüllen in der Medizin vielfältige Aufgaben: Sie dienen als Behälter für Infusionslösungen, Bauteile von medizinischen Geräten, Wegwerfartikel (z.B. Spritzen, Pflaster, Katheter, Schläuche etc) und Implantate (Herzklappen, Knochenersatz, Gelenkpfannen, resorbierbare Knochenschrauben etc). Für Materialien, die auf direkte oder indirekte Weise im Kontakt mit lebendem Gewebe stehen, gelten naturgemäß besondere Auflagen: Zum einen darf der Kunststoff den Organismus nicht schädigen, zum anderen darf umgekehrt das biologische Milieu die Materialeigenschaften des Kunststoffs nicht beeinträchtigen. Sind diese Bedingungen erfüllt, spricht man von Biokompatibilität. Wichtigstes Argument für den Einsatz von Kunststoffen in der Medizin war und ist die Hygiene, so konnten medizinische Instrumente aus Glas oder Metall durch Wegwerfartikel aus Kunststoff ersetzt werden.[27] Ein bemerkenswertes Beispiel ist Polymilchsäure (auch: Polylactid), ein Polyester der natürlich vorkommenden Milchsäure. Er wird zu Fasern gesponnen, die als resorbierbare chirurgische Nähfäden Verwendung finden.[24] Nach dem Einsatz der Fäden werden diese enzymatisch abgebaut.[24] Die Dauer der Degradation kann dabei über die Stereochemie (Wahl der Ketten aus rechts- oder linksdrehender Milchsäure) des Polymers eingestellt werden.
Umweltproblematik
Da aus Kunststoffen auch Wegwerfartikel gefertigt werden, ergibt sich zwangsläufig das Problem der Entsorgung. Die polymeren Bestandteile der Kunststoffe sind zum einen nicht wasserlöslich und zum anderen nicht in der Lage, die Zellmembranen von Mikroorganismen zu passieren; das heißt, eine Wechselwirkung mit lebenden Organismen ist außer bei den biologisch abbaubaren Kunststoffen weitgehend ausgeschlossen. Dies hat zwar den Vorteil, dass Polymere als gesundheitlich unbedenklich eingestuft werden können, aber eine Umwandlung in der belebten Natur ebenso ausgeschlossen werden kann. Kunststoffe verrotten also nur sehr langsam. Mikroorganismen können Kunststoffe im Grunde nur durch extrazelluläre Enzyme verarbeiten, die das Material in kleinere Bestandteile zerlegen, die dann von der Zelle aufgenommen werden können.[28] Allerdings sind die Enzyme zu groß, um effektiv in das verrottende Material einzudringen, so dass dieser Prozess nur als Oberflächenerosion ablaufen kann.[28] Toxische Zwischenstufen der biochemischen Prozesse können sich auch, wenn sie nicht weiter umgesetzt werden können, in der Natur anreichern.[28][29] Gefahr geht auch von den Additiven der Kunststoffe, wie Weichmachern, Farbstoffen oder Flammschutzmitteln aus. Man verfolgt daher verschiedene Strategien, der Abfallberge Herr zu werden.
Gelangen biologisch nicht abbaubare Kunststoffe in die Umwelt, werden sie zu einer Gefahr. So treiben Millionen Tonnen Kunststoffmüll in einem so genannten Müllstrudel im Pazifik. Jedes Jahr tötet dieser Müll Hunderttausende Tiere. Nach einer Studie der UNEP befinden sich in diesem Strudel bis zu 18.000 Kunststoffteile auf jedem Quadratkilometer Meeresfläche. Auf ein Kilogramm Plankton kommen hier sechs Kilogramm Kunststoff. Die Größe des Müllstrudels entspricht etwa der Größe von Texas.[30]
Kunststoffrecycling
- Hauptartikel: Verwertung von Kunststoffabfällen
Grundsätzlich lassen sich drei Möglichkeiten der Weiterverwertung erschließen:
Werkstoffliche Verwertung
Thermoplaste lassen sich, einmal zu einem Werkstück geformt, wieder einschmelzen und zu einem neuen Produkt formen. Die Abfolge von Wärmebehandlungen führt allerdings zu einem fortschreitenden Qualitätsverlust des Materials (Downcycling).[31] Größtes Problem bei einer erneuten werkstofflichen Verwertung ist allerdings die Trennung der einzelnen Kunststoffe. Mischt man verschiedene Polymere in einem Material, führt dies in der Regel zu einem starken Qualitätsverlust und wesentlich schlechteren mechanischen Eigenschaften. Um die Trennung zu erleichtern, führte man 1988 den Recycling-Code ein. Die Wiederverwertung nicht sortenreiner Abfälle, wie beispielsweise Hausmüll gestaltet sich aber dennoch sehr schwierig. Die gängigen Trennverfahren sind sehr personalintensiv und erfordern einen hohen Einsatz an Wasser und Energie, so dass hier sowohl eine Kosten-Nutzen-Rechnung, als auch die Ökobilanz negativ ausfallen.
Die werkstoffliche Verwertung wird daher zurzeit fast ausschließlich dort eingesetzt, wo große Mengen eines sortenreinen Materials zur Verfügung stehen. Beispielsweise werden in Deutschland Schaumpolystyrolverpackungen gesammelt, die eine erneute Verwertung als Bodenverbesserer in der Landwirtschaft oder bei der Herstellung von Schaumpolystyrol-Beton oder Ziegelsteinen finden. Die Recyclingquote für Schaumpolystyrol betrug im Jahre 2000 etwa 70 Prozent.[31] Für PVC existiert ebenfalls ein Rücknahmesystem, gesammelt werden vor allem Fußbodenbeläge, Dachbahnen, Fensterprofile und PVC-Rohre. Weitere Anwendungsbereiche für die werkstoffliche Wiederverwertung sind zum Beispiel in der Wiederverwertung von Fahrzeugen oder Getränkeflaschen, oder in Ländern der zweiten oder dritten Welt, wo das Sammeln sortenreiner Kunststoffabfälle zum Einkommen beiträgt. So entstehen aus den Sekundärrohstoffen erneut Verpackungen oder Produkte wie Fensterprofile, Rohre, Blumen- und Getränkekästen, neue Folien, Fensterrahmen oder Gießkannen.
Rohstoffliche Verwertung
Durch Pyrolyse lassen sich Kunststoffe wieder in die jeweiligen Monomere oder weitere petrochemisch verwertbare Stoffe, wie Methanol oder Synthesegas spalten. Für die Gewinnung der Monomere ist aber ebenfalls die Verfügbarkeit sortenreinen Materials Voraussetzung. Beispiele sind das Hamburger Verfahren,[32] das zurzeit von der BP betrieben wird und sowohl zur Gewinnung von Monomeren, als auch petrochemischer Rohstoffe dient und das von Walter Michaeli und anderen entwickelte Verfahren der degradativen Extrusion,[33] das in der Lage ist vermischte Kunststoffabfälle in rohstofflich verwertbare Gase, Wachse und Öle umzuwandeln. Diese Verfahren werden naturgemäß vor allem für die Verwertung von Mischkunststoffen genutzt, die sich nur unter großem Aufwand trennen lassen würden.
Energetische Verwertung
Bei der energetischen Verwertung werden die Kunststoffe zur Energiegewinnung genutzt. Einsatzgebiete sind vor allem Hochöfen, Zementwerke, Kraftwerke, etc. Die dort vorherrschenden hohen Temperaturen sorgen für eine vollständige und schadstoffarme Verbrennung. Der Heizwert von Kunststoffen entspricht ungefähr dem von Steinkohle.
Biologisch abbaubare Kunststoffe
Hauptartikel: Bioabbaubarer Kunststoff, Biokunststoff
Seit etwa 1990 forscht man intensiv an durch Kompostierung entsorgbaren Kunststoffen. Definiert wird die Prüfung der Kompostierbarkeit von Kunststoffen seit 1998 unter der DIN-Norm V 54900. Damit ein Kunststoff biologisch abbaubar wird, muss er Angriffsstellen für die Enzyme der Mikroorganismen bieten, die ihn für ihren eigenen Stoffwechsel nutzen wollen. Diese Enzyme verwandeln die langen Polymerketten in handlichere wasserlösliche Bruchstücke. Dazu kann man bereits natürlich vorkommende Polymere (Biopolymere) nutzen, oder in synthetisch hergestellte Ketten Einheiten wie Zucker, Bernsteinsäure oder Milchsäure integrieren. Entscheidend ist die Anwesenheit von Heteroatomen wie Stickstoff oder Sauerstoff im Kunststoff.[28] So sind die meisten der bisher etwa 30 bekannten, vermarktungsfähigen, biologisch abbaubaren Kunststoffe Polyester, Polyamide, Polyesterurethane und Polysaccharide.[28] Bei synthetisch hergestellten Polyestern und -amiden besteht das Problem, dass gerade die Eigenschaften, die die Schlag- und Zugfestigkeit der Materialien ausmachen (intramolekulare H-Brücken in Amiden, aromatische Komponenten in Polyestern), einer Verwertung durch die Natur entgegenstehen.[28] Eine Verbesserung der biologischen Abbaubarkeit bedeutet so auch fast immer eine Verschlechterung der Werkstoffeigenschaften.
Polysaccharide
Polysaccharide (Stärke, Cellulose) dienen der Natur als Energiespeicher und Gerüstsubstanzen. Unzählige Einfachzucker (z. B. Glukose oder Fruktose) bilden lange Ketten und stellen somit natürlich vorkommende Polymere dar, die als solche auch von der Natur abgebaut werden können. Sie sind billig und in großen Mengen verfügbar, zeigen allerdings einen gravierenden Nachteil: Sie können nicht durch Aufschmelzen zu Folien, Formteilen oder Fasern verarbeitet werden, d. h. sie sind nicht thermoplastisch formbar.[28] Die thermoplastische Formbarkeit ist jedoch gerade einer der großen Vorzüge von Kunststoffen. Eine Veresterung der freien OH-Gruppen der Zucker verbessert zwar die Materialeigenschaften, setzt aber auch ihre Fähigkeit zur biologischen Abbaubarkeit herab.[28] Will man also Polysaccharide als Werkstoff einsetzen, muss man einen Kompromiss zwischen Werkstoffeigenschaften und biologischer Abbaubarkeit finden.
Polyhydroxybuttersäure (PHB)
Polyhydroxybuttersäure ist ein ebenfalls natürlich vorkommendes Polymer,[34] das von bestimmten Mikroorganismen zur Energiespeicherung gebildet wird. Durch Fermentation können diese dazu angeregt werden, das Polymer bis zu 90% ihrer eigenen Masse anzureichern.[28] Es ist als Biopolymer biologisch abbaubar und zeigt Materialeigenschaften, die denen von Polyestern ähneln.[28] Gegenwärtig forscht man daran, PHB auch in gentechnisch veränderten Pflanzen produzieren zu können („Plastikkartoffeln“).[28]
- Mögliche Anwendungsgebiete
- Agrarwirtschaft: verrottende Mulchfolien, Pflanzentöpfe
- Abfallentsorgung: Entsorgung von besonders verdrecktem, nur schlecht recyclebarem Müll, wie Lebensmittelverpackungen, Windeln, etc
- Landschaftspflege: Verringerung des Littering
- Fischerei: verlorene Fischernetze stellen eine latente Gefahr für größere Meereslebewesen dar
- Kunstdünger: als Hüllsubstanzen für Dünger, so dass dieser langsamer und dosierter wirken kann (Controlled release).[28]
Gesundheitsgefahren
Die Polymerstrukturen der Kunststoffe selbst gelten, da die Zellen lebender Organismen nicht in der Lage sind sie aufzunehmen, als biologisch inaktiv und somit vollkommen unbedenklich. Gefahr kann allerdings von den zugesetzten Additiven ausgehen. Diese können an der Oberfläche des Materials austreten (Ausschwitzen). Aus diesem Grunde gelten für Lebensmittelverpackungen, Kunststoffe in der Medizin und ähnliche Anwendungen besonders strenge Auflagen hinsichtlich der Verwendung von Additiven. Die in solchen Bereichen eingesetzten Kunststoffe bedürfen einer Zulassung, beispielsweise durch die FDA.
In diesem Zusammenhang ist in der Vergangenheit vor allem Weich-PVC in die Kritik geraten, da diesem Kunststoff besonders große Mengen an Weichmachern zugesetzt werden. Es ist daher schon seit langem nicht mehr als Verpackung für Lebensmittel zugelassen. Ebenso ist in der europäischen Union Herstellung und Vertrieb von Spielzeug für Kinder bis drei Jahre aus diesem Material untersagt. Allerdings werden bis heute vor allem in Fernost produzierte Spielzeuge aus Weich-PVC verkauft.
Quellen
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