Anti-Defamation League

Anti-Defamation League

Die Anti-Defamation League (kurz: ADL, dt. "Antidiffamierungsliga") ist eine amerikanische Organisation mit Sitz in Washington D.C., die gegen Diskriminierung und Diffamierung von Juden eintritt. Sie ist ein Mitglied des American Israel Public Affairs Committee (AIPAC). Sie beschreibt sich selbst als Menschenrechtsorganisation. Die Organisation wurde 1913 in Chicago von Mitgliedern der Organisation B’nai B’rith (hebräisch: „Söhne des Bundes“) gegründet. Haupttätigkeit der Organisation ist der Kampf gegen den Antisemitismus.

Ausschlaggebend für die Gründung der ADL war ein Vorfall im Jahr 1913 im US-Bundesstaat Georgia, bei dem Leo Frank gelyncht wurde, weil er Mary Phagan, ein 13 Jahre altes Mädchen, vergewaltigt und ermordet haben soll. Inzwischen gilt seine Unschuld als erwiesen, so dass das eigentliche Motiv für den Mord an dem Industriellen im Antisemitismus zu suchen ist.[1]

Neben dem Antisemitismus bekämpft die ADL alle Formen von Vorurteilen, Bigotterie und Diskriminierung. „ADL erkennt, dass ihr anfänglich oberstes Ziel, Antisemitismus zu bekämpfen, nur erfolgreich sein kann, wenn sie sich für den Schutz aller Menschen einsetzt. Menschenrechte sind nicht teilbar. Das ADL-Büro in Boston entwickelt 1985 aufgrund von ethnischen Spannungen das A World of Difference-Programm. Zentraler Ansatz ist die Zusammenarbeit des Bildungssystems mit Gemeindevertretern und den Medien. Aus diesem Prozess heraus wurde 1992 das A World of Difference Institute gegründet.“[2][3]

1993 wurde das A World of Difference-Programm in Bremen, Rostock und Hamburg eingeführt mit dem Namen Eine Welt der Vielfalt.

Seit 1998 ist die Anti Defamation League in Europa mit einem Büro in Wien, das von der Ronald S. Lauder Foundation finanziert wird, vertreten.

In Österreich wurde 2001 ein Vertrag zwischen der Anti-Defamation League und dem Bundesministerium für Inneres unterzeichnet. Das Ziel dieser Kooperation war, Maßnahmen in der Fortbildung zugunsten einer vorurteilsfreien Haltung der österreichischen Sicherheitsexekutive zu setzen. 2004 wurde ein zweiter Vertrag unterzeichnet, der den schon bestehenden zwischen der Anti-Defamation League und dem Bundesministerium für Inneres bis Ende 2006 verlängert und die Kooperation ausgeweitet hat.[4] Seit 2008 besteht auch eine Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Gedenkdienst.

Auch in Deutschland wollen das Bundesinnenministerium und die Anti-Defamation League weiterhin "in fester Verbundenheit" zusammenarbeiten.[5]

Die Anti-Defamation League verleiht einen Distinguished Statesman Award für besondere Politikverdienste. Preisträger sind unter anderem Ariel Sharon (2002), Silvio Berlusconi (2003) und Aleksander Kwasniewski (2005). Die Preisverleihung an Berlusconi sorgte für Proteste, weil dieser kurz zuvor die italienischen Faschisten unter Mussolini verharmlost hatte. Der Vorsitzende der ADL, Abraham Foxman bezeichnete ihn trotzdem als „Freund“, wenn auch als „Freund mit Fehlern“ („flawed friend“). Foxman begründete die Entscheidung damit, dass die Haltung von Berlusconi gegenüber dem Staat Israel sowie seine Unterstützung für die USA im Krieg gegen den Irak und den Terrorismus wichtig sei und die Haltung von Berlusconi gegenüber der faschistischen Vergangenheit Italiens laut Foxman ein „Ausrutscher“ war.[6]

In der zweiten Jahreshälfte 2007 brachte die Haltung der ADL und ihres Vorsitzenden zum Völkermord an den Armeniern die Organisation in die Kritik amerikanischer Juden. Die ADL hatte sich gegen eine Resolution des US-Kongresses ausgesprochen, in der das historische Ereignis als Völkermord bezeichnet werden sollte. Einige jüdische Gemeinden in den USA beschlossen deswegen, ihre Verbindungen zur ADL aufzulösen.[7]

Im September 2008 ließ die Anti-Defamation League verlauten, sie sehe in einem möglichen Allianz-Stadion in New York aufgrund der einstigen Verbindung des Allianz-Konzerns zum Nationalsozialismus "eine Verunglimpfung der Erinnerung an die Holocaust-Opfer".[8]

Inhaltsverzeichnis

Kritik

Robert Friedman schrieb, dass die ADL auch tatsächliche und vermeintliche Kommunisten, Anti-Apartheid-Aktivisten, die NAACP, die ACLU, sandinistische Solidaritätsgruppen, palästinensische und arabische Organisationen und selbst Unterstützer der israelischen Friedensgruppe Peace Now in den USA bespitzelten und diese Daten u.a. an das südafrikanische Apartheidregime und den israelischen Geheimdienst weitergab.[9]

James Traub bezeichnete die ADL als Foxmans „Ein-Mann-Sanhedrin, der Tadel oder Absolution erteilt“ und deren Weltbild immer stärker schwarzweiß („gut für die Juden“ und „schlecht für die Juden“) wurde, so dass die Organisation politisch nach rechts gerückt sei.[10]

Norman Finkelstein schrieb der ADL in seinen früheren Werken eine positive Rolle zu,[11] doch in späteren Büchern warf er der ADL vor, sich an der antikommunistischen Hetze unter McCarthy beteiligt zu haben,[12] in den 60er Jahren eine Verleumdungskampagne gegen Hannah Arendt und in den 70er Jahren gegen Noam Chomsky geführt zu haben,[13] und in erster Linie nicht Antisemitismus zu bekämpfen, sondern Israel gegen jegliche Kritik zu verteidigen.[14]

John Mearsheimer von der University of Chicago und Stephen Walt von der Universität Harvard warfen der ADL vor, dass sie jede Kritik an der israelischen Regierung als antisemitisch verunglimpfe.[15]

Nachdem die ADL ihren Einfluss geltend machte und ein Vortrag des britischen Historikers Tony Judt in New York kurzfristig abgesagt wurde, unterzeichneten mehr als einhundert Personen einen offenen Brief im New York Review of Books, in dem sie der ADL vorwerfen, „ein Klima der Einschüchterung“ zu verbreiten, das „nicht vereinbar mit den Grundprinzipien von Diskussionen in einer Demokratie“ sei.[16]

Preisvergabe

Die Liga vergab in unregelmäßiger Folge den Paul Ehrlich-Günther K. Schwerin-Menschenrechtspreis, z. B. 2011 an Matthias Küntzel, 2006 an Ex-Minister Otto Schily, 2005 an MdB Gert Weisskirchen; 2000 an Ex-Minister Rudolf Scharping, und 1999 an Rita Süßmuth, Ex-Bundestagspräsidentin.

Quellen

  1. http://www.hagalil.com/schweiz/israelit/antisemitismus.htm
  2. Die Geschichte von "Eine Welt der Vielfalt Berlin e.V."
  3. Homepage A WORLD OF DIFFERENCE ® Institute Anti-Bias Education and Diversity Training
  4. Die Kooperation der Anti-Defamation League, Austria mit dem österreichischen Bundesministerium für Inneres
  5. Informationen des (deutschen) Bundesministeriums des Innern/Dezember 2006/Januar 2007, S. 14 Zusammenarbeit mit der Anti-Defamation League
  6. Berlusconi To Receive Award From Jewish Group. In: Associated Press. 18 September 2003
  7. Neela Banerjee: Armenian Issue Presents a Dilemma for U.S. Jews. In: New York Times. 19. Oktober 2007.
  8. http://www.welt.de/welt_print/article2438425/Allianz-wird-in-USA-mit-Nazi-Vergangenheit-konfrontiert.html
  9. Robert I. Friedman: The Anti-Defamation League Is Spying On You. In: Village Voice. XXXVIII, 19 (11. Mai 1993)
  10. James Traub: Does Abe Foxman Have an Anti-Anti-Semite Problem? In: New York Times. 14. Januar 2007.
  11. Norman H. Finkelstein: Heeding the Call. Jewish Voices in America's Civil Rights Struggle. Jewish Publication Society, Philadelphia PA 1997, ISBN 0-8276-0590-9 (formal falsche ISBN), passim; Norman H. Finkelstein: American Jewish History. Jewish Publication Society, Philadelphia PA 2007, ISBN 978-0-8276-0810-8, S. 111; Norman H. Finkelstein: Forged in Freedom. Shaping the Jewish-American Experience. Jewish Publication Society, Philadelphia PA 2002, ISBN 0-8276-0748-2, S. 70ff.
  12. Norman H. Finkelstein: The Holocaust Industry. Reflections on the Exploitation of Jewish Suffering. 2nd edition. Verso, London u. a. 2003, ISBN 1-85984-488-X, S. 15.
  13. Norman H. Finkelstein: The Holocaust Industry. Reflections on the Exploitation of Jewish Suffering. 2nd edition. Verso, London u. a. 2003, ISBN 1-85984-488-X, S. 21.
  14. Norman H. Finkelstein: The Holocaust Industry: Reflections on the Exploitation of Jewish Suffering. 2nd edition. Verso, London u. a. 2003, ISBN 1-85984-488-X, passim.
  15. John J. Mearsheimer, Stephen M. Walt: The Israel Lobby and U.S. Foreign Policy‎. Farrar, Straus and Giroux, New York NY 2007, ISBN 978-0-374-17772-0, S. 232.
  16. Mark Lilla, Richard Sennett: The Case of Tony Judt: An Open Letter to the ADL. In: New York Review of Books 53, 18 (16. November 2006).

Weblinks

38.904011-77.040586

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