- Logozentrismus
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Als Logozentrismus bezeichnen poststrukturalistische Theorien die vernunftzentrierte Metaphysik und die abendländische Rationalität. Logozentrisches Denken wird hier als herrschender Diskurs bzw. als herrschende „Denkform“ betrachtet.
Inhaltsverzeichnis
Kritik an der Identitätslogik
Kritisiert werden mit diesem Begriff konstruierte Bedeutungen oder auch ideologisch aufgeladene Bedeutungen, die die Wirklichkeit in identitätslogische Gegenteilspaare (Seele/Körper, positiv/negativ usw.) aufteilen und als Perspektive der Beurteilung (Referenzpunkt) die Gegenwart außenstehender Größen wie Wahrheit, Gott, Transparenz, Ursprung, Ursache, Vernunft oder ähnlicher Zentren und Kategorien der Metaphysik behaupten.
Die Begriffe Wahrheit und Vernunft werden dabei als Ideen von Wahrheit und Wesenheit und als autoritär, eindimensional, hierarchisch, totalitär sowie pluralitätsfeindlich abgelehnt. Die Begriffe der Metaphysik werden als ein ineinandergreifendes und auf sich selbst beziehendes System von Metaphern betrachtet. Als Konstruktionen besitzen diese Metaphern keinen eigentlichen Inhalt, der darstellbar und damit sinnvoll wäre.[1]
Poststrukturalistische Positionen
Vor diesem Hintergrund ist für Roland Barthes die sokratische Maieutik allein ein Prinzip „den anderen zur äußersten Schande zu treiben: sich zu widersprechen.“ Jacques Derrida spricht von einem „Imperialismus des Logos“. Nach Jean-François Lyotard wird im Logozentrismus „vom Denken verlangt, am Rationalisierungsprozeß teilzunehmen. Jede andere Denkweise wird verurteilt, isoliert und als irrational abgelehnt“; denn „der Logos ist kein Spezialfall in der Unendlichkeit von Codes: er ist der Code, der der Unendlichkeit ein Ende setzt; er ist der Diskurs der Umschließung, der dem Poetischen, dem Para- und Anagrammatischen ein Ende setzt“ (Jean Baudrillard).
Luce Irigaray: „Diese Dominanz des philosophischen Logos verdankt sich … seinem Vermögen, alles Andere in die Ökonomie des Gleichen zurückzuführen.“ Nach Barthes versucht das logozentrische Denken das Prinzip „jenes alte Gespenst abzuschütteln: den logischen Widerspruch.“ „Aktivität/Passivität, Sonne/Mond, Kultur/Natur, Tag/Nacht, Vater/Mutter, Kopf/Herz, intelligibel/ sinnlich wahrnehmbar, Logos/ Pathos … Denken hat immer nach Oppositionen funktioniert … Nach dualen, hierarchisierten Oppositionen“ (Hélène Cixious, zit. Nach Kuhn.).
Literatur
- Roland Barthes, Die Lust am Text (1973). Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1974. ISBN 3518013785
- Jean Baudrillard, Der symbolische Tausch und der Tod (1976). Berlin: Matthes & Seitz 1982. ISBN 3-88221-215-2
- Hélène Cixious, Sorties, in: Butler/Scott (Hg): Feminist Philosophy. New York/London: Routledge 1992.
- Gilles Deleuze/Félix Guattari, Anti-Ödipus. Kapitalismus und Schizophrenie I (1972). Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1974
- Gilles Deleuze/Félix Guattari, Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie II (1980), Berlin: Merve 1992
- Jacques Derrida, Grammatologie (1967). Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1983. (ISBN 3-518-28017-1)
- Jean-François Lyotard, Das Inhumane. Plaudereien über die Zeit. Wien: Passagen 2004. (3. Auflage), ISBN 3-85165-551-6
- Luce Irigaray, Das Geschlecht das nicht eins ist. Berlin: Merve 1972. ISBN 3-88396-001-2
- Gabriel Kuhn: Tier-Werden, Schwarz-Werden, Frau-Werden – Eine Einführung in die politische Philosophie des Poststrukturalismus. Unrast Verlag 2005. ISBN 3-89771-441-8
Quellen
- ↑ Vgl. dazu: Gabriel Kuhn: Tier-Werden, Schwarz-Werden, Frau-Werden – Eine Einführung in die politische Philosophie des Poststrukturalismus. Unrast, 2005.
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