Magnetische Anisotropie

Magnetische Anisotropie

Magnetische Anisotropie beschreibt die Tatsache, dass magnetische Materialien eine Vorzugsrichtung oder Vorzugsebene für die Magnetisierung aufweisen können. Das Maß dafür ist die magnetische Anisotropieenergie, die als die Arbeit definiert ist, die benötigt wird, um die Magnetisierung eines geschlossenen Systems (kein Teilchenaustausch) aus der "leichten Richtung" (der Vorzugsrichtung) herauszudrehen.

Die magnetische Anisotropie bewirkt die Kopplung der Magnetisierung an das Kristallgitter und ist zum Beispiel dafür verantwortlich, dass sich eine Magnetnadel dreht (und damit der Ausrichtung des Spin Gitters folgt).

Es gibt verschiedene Formen der magnetischen Anisotropie. Neben der magnetokristallinen Anisotropie der Kopplung von Magnetisierung und Kristallgitter gibt es auch Effekte, die auf der Änderung der Form des Körpers (Formanisotropie) oder der elastischen Spannung (magnetoelastische Anisotropie) beruhen. 1956 wurde ein neuer Effekt entdeckt (Exchange Bias, auch unidirektionale Austausch-Anisotropie)[1], der eine bevorzugte Magnetisierungsrichtung in einem Ferromagneten aufgrund der Wechselwirkung mit einem benachbarten Antiferromagneten bewirkt und Anwendungen in Leseköpfen von Festplatten hat, die auf dünnen ferromagnetischen Schichten beruhen (Nutzung z.B. des GMR-Effekts). Daneben gibt es noch die Grenzflächenanisotropie in dünnen magnetischen Schichten.

Inhaltsverzeichnis

Beispiele

  • Bei einem einkristallinen Eisenzylinder, dessen Länge wesentlich größer als dessen Radius sei, verbleibt die Magnetisierung vorzugsweise in Richtung der Längsachse. Das ist eine so genannte leichte Richtung (englisch: easy axis). Hier ist die Anisotropie im Wesentlichen durch die Form der Probe bestimmt, genannt Formanisotropie.
Formanistropie bei dünnen Schichten: Die gestrichelten Linien stellen Bloch-Wände dar, die roten Striche die magnetische Ausrichtung der Domänen.
  • Ein weiteres Beispiel hierfür sind dünne ferromagnetische Schichten. Deren Magnetisierung zeigt nicht aus der Oberfläche heraus, da die magnetische Leitfähigkeit von Luft viel schlechter ist. Auch sind die magnetischen Domänen im Gleichgewicht und im Idealfall (d.h. einkristalline Schicht mit keinen Defekten) derart ausgerichtet, dass möglichst wenig Magnetfeldlinien aus der Schicht herauszeigen. Siehe auch Grafik.
  • Eine einkristalline Eisenkugel hat, trotz ihrer isotropen Form, ebenfalls Vorzugsrichtungen der Magnetisierung. Das ist auf die innere Struktur zurückzuführen. Sie wird Kristallanisotropie (englisch: crystalline anisotropy) genannt.

Erläuterung

Das Auftreten der magnetischen Anisotropie ist auf den ersten Blick überraschend. Die Austauschwechselwirkung, die für die kollektive Ordnung der magnetischen Momente verantwortlich ist, ist isotrop. Der Heisenbergsche Spin-Hamiltonian ist (als Skalarprodukt) ebenfalls isotrop. Magnetische Anisotropie ist jedoch Erfahrungstatsache. Eine thermodynamische Betrachtung führt zur Gibbschen freien Energiedichte (ein phänomenologischer Zugang in dem Symmetriebetrachtungen eine leitende Rolle spielen) und damit zu den Termen, die die Anisotropie beschreiben; das wurde zuerst vom russischen Physiker Akulow (1900-1976) durchgeführt. Die spontane Magnetisierung ist isotrop, das heißt für alle Richtungen gleich groß. Das folgt aus der Beobachtung, dass die Magnetisierung eines ferromagnetischen Einkristalls in einem hinreichend hohen Feld für alle Richtungen gleich groß ist. Alle ferromagnetischen Eigenschaften eines Ferromagnetikums gehen in allen Richtungen bei der gleichen Temperatur verloren, das heißt der Curie-Punkt ist isotrop.

Auftreten der magnetischen Anisotropie

Allerdings kann, je nach Richtung, ein unterschiedliches Magnetisierungsverhalten gemessen werden. Ein Eiseneinkristall erreicht seine Sättigungsmagnetisierung recht schnell, wenn er entlang seiner Würfelkanten magnetisiert wird. Bei Magnetisierung entlang der Flächendiagonalen wächst die Magnetisierung – verglichen mit obigem Fall – langsamer. Ein ferromagnetischer Einkristall zeigt in verschiedenen Richtungen i.a. verschiedene Magnetisierungskurven. Die magnetische Anisotropie kann durch die Magnetisierungsarbeit gekennzeichnet werden. Beim Eisen ist die Magnetisierungsarbeit entlang der Würfelkanten am geringsten, diese Richtung wird als leichte Richtung bezeichnet. Eisen hat drei leichte und vier schwere Richtungen (entlang der Raumdiagonalen). In Kobalt sind eine leichte (die hexagonale Achse) und unendlich viele schwere Richtungen zu finden.

Die magnetische Anisotropieenergie beschreibt die mit der Orientierung der Magnetisierung \vec M verbundene Energie. Die Größe der magnetischen Anisotropieenergien liegen mehrere Größenordnungen unter denen der Austauschenergie, die für die spontane kollektive Ordnung der permanenten magnetischen Momente verantwortlich ist. Die entsprechenden Felder liegen bei der Austauschwirkung bei 400-2000 Tesla, während die der Anisotropie bei etwa 0,01 bis 10 T liegen.

Ursachen

Grundsätzlich hat die magnetische Anisotropie ihre Ursachen in zwei physikalischen Wechselwirkungen:

  1. Dipol-Dipol-Wechselwirkung
    • Formanisotropie,
    • Kristallanisotropie (in höherer Ordnung von dipolaren Wechselwirkungen bestimmt)
  2. Spin-Bahn-Kopplung
    • Kristallanisotropie,
    • Oberflächenanisotropie

Die Kristallanisotropie wird durch mechanische Spannungen beeinflusst, sog. inverse Magnetostriktion.

Insbesondere spielt die Spin-Bahn-Kopplung bei der magnetokristallinen Anisotropie eine Rolle, was wegen deren geringer Größe im Vergleich etwa zur Austauschwechselwirkung Schwierigkeiten für die theoretische Ableitung der Anisotropie aus Modellen birgt.[2]

Anwendungen und Bedeutung in der Praxis

Herausragende Bedeutung hat die Erforschung der magnetischen Anisotropie in der Entwicklung neuer Festplatten. Immer schnellere Zugriffszeiten und insbesondere immer höhere Speicherdichten werden in näherer Zukunft an das sogenannte paramagnetische Limit (siehe dazu Mooresches Gesetz) führen. Die magnetische Anisotropie kann beispielsweise gezielt dazu eingesetzt werden, um die Stabilität der Bits zu erhöhen (eine Überwindungsenergie, wie sie bei der Anisotropie vorhanden ist, bewirkt immer eine gewisse Stabilität des Systemes), die sich bei kleiner werdenden Dimensionen gegenseitig beeinflussen können; Letzteres hätte unerwünschte Informationsverluste zur Folge.

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die magnetische Dünnschichttechnologie.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. W. H. Meiklejohn, C. H. Bean New Magnetic Anisotropy, Physical Review, Band 105, 1957, S. 904–913
  2. Stöhr, Siegmann Magnetism, Springer 2006, Kapitel 7.9. Beispiele für die Ableitung aus mikroskopischen Modellen sind zum Beispiel Daalderup, Kelly, Schuurmans First-principles calculation of the magnetocrystalline anisotropy energy of iron, cobalt, and nickel, Physical Review B, Band 41, 1990, S. 11919, Abstract, dieselben Magnetocrystalline anisotropy and orbital moments in transition-metal compounds, Physical Review B, Band 44, 1991, S. 12054, Abstract

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