Magnetische Suszeptibilität

Magnetische Suszeptibilität

Die magnetische Suszeptibilität (v. lat. susceptibilitas „Übernahmefähigkeit“) ist eine physikalische Größe, die die Magnetisierbarkeit von Materie in einem externen Magnetfeld angibt. Im einfachsten Fall ist sie eine Proportionalitätskonstante, bestimmt durch das Verhältnis von Magnetisierung zu magnetischer Feldstärke. Im Allgemeinen ist sie eine Funktion, die von einer Vielzahl von Variablen abhängen kann – insbesondere vom Ort, der Frequenz des Magnetfeldes und der vorhergehenden Magnetisierung. Der Wertebereich reicht von −1 bis nahezu unendlich, wobei negative Werte eine Magnetisierung entgegen dem äußeren Magnetfeld bedeuten.

Einen ähnlichen Zusammenhang zwischen Polarisierung und elektrischem Feld bezeichnet man als (di-)elektrische Suszeptibilität. Die magnetische Suszeptibilität ist außerdem eng mit der magnetischen Permeabilität verwandt.

Inhaltsverzeichnis

Definition

Die gebräuchlichste Form, die magnetische Volumensuszeptibilität χm (χ ist der griechische Buchstabe Chi; m für magnetisch – häufig auch χV oder einfach χ), beschreibt im einfachsten Fall eine Proportionalitätskonstante, definiert durch das Verhältnis: 
\vec{M} = \chi_\text{m} \vec{H},
von Magnetisierung M und magnetischer Feldstärke H. Als Verhältnisgröße ist die Suszeptibilität einheitenlos.

Diese Definition ist nur korrekt, sofern magnetische Feldstärke und Magnetisierung einen einfachen linearen Zusammenhang aufweisen. Im Allgemeinen lässt sich die magnetische Suszeptibilität als Ableitung

\chi_{ij}=\frac{\partial M_i}{\partial H_j}

definieren, also der Änderung der Magnetisierung bei Änderung der magnetischen Feldstärke. Die Indices i,j bezeichnen die Komponenten der räumlichen Orientierung (x,y,z in kartesischen Koordinaten) der entsprechenden Felder. In dieser Form ist die Suszeptibilität eine tensorielle Größe und berücksichtigt, dass Magnetisierung und Magnetfeld in verschiedene Richtungen zeigen können (magnetische Anisotropie).

Beziehung zu verwandten Größen

Molare und Massensuszeptibilität

Zwei weitere Maße für die magnetische Suszeptibilität sind gebräuchlich, die magnetische Massensuszeptibilität und molare magnetische Suszeptibilität. Die Massensuszeptibilität χmass (auch χg oder χm(!)) bezeichnet die Suszeptibilität pro Dichte

\chi_\text{mass}=\chi_V/\rho \,

gemessen in m3·kg−1. Die molare Suszeptibilität χmol unterscheidet sich durch die Verwendung der molaren Masse

\chi_\text{mol}=M\chi_\text{mass}=M\chi_V/\rho \,

und wird in m3·mol−1 gemessen.

Magnetische Permeabilität

Die konstante magnetische Suszeptibilität steht in einem einfachen Zusammenhang mit der relativen magnetischen Permeabilität

\mu_r=\chi_V+1 \,

Dieser folgt aus der Abhängigkeit der magnetischen Flussdichte B von der Magnetisierung M und der magnetischen Feldstärke H.

B = \mu_0 (M + H) = \mu_0 H (\chi_V + 1) = \mu_0 \mu_r H \,

μo ist dabei die Magnetische Feldkonstante.

Konversion zwischen SI- und CGS-Einheiten

Alle obigen Definition beziehen sich auf das in Deutschland vorgeschriebene SI. Da im gaußschen CGS-System die Permeabilitätskonstante des Vakuums abweichend definiert wird, ergibt sich ein Umrechnungsfaktor von 4π bezüglich des SI:

\chi_V^\text{SI}=4\pi\chi_V^\text{CGS}.

Da die (Volumen-)Suszeptibilität auch im CGS-System einheitenlos ist, muss insbesondere bei Nutzung älterer Tabellenwerte auf das verwendete Einheitensystem geachtet werden. Beispielsweise beträgt die Suszeptibilität von 20 °C warmen Wasser −7,19·10−7 im CGS-System, was einem Wert von −9,04·10−6 im SI entspricht.

siehe auch: Elektromagnetische Einheiten

Klassifizierung magnetischer Materialien

Konstante magnetische Suszeptibilität

Alle Stoffe reagieren zu einem gewissen Grad auf magnetische Felder. In dem einfachsten Fall konstanter magnetischer Suszeptibilität werden zwei Gruppen unterschieden:

Diamagnetismus χm < 0
Diamagnetische Stoffe haben das Bestreben, das Magnetfeld aus ihrem Innern zu verdrängen. Sie besitzen kein permanentes magnetisches Dipolmoment. Im Magnetfeld werden jedoch Dipole induziert, die dem äußeren Feld entgegengerichtet sind, so dass das resultierende Feld im Inneren des Materials kleiner als außerhalb ist. Da die Magnetisierung sich also gegen die Richtung eines externen Magnetfeldes einstellt, ist die Suszeptibilität negativ. Im inhomogenen Magnetfeld wird ein diamagnetischer Körper aus dem Bereich großer Feldstärke herausgedrängt. Diamagnetische Beiträge sind im Allgemeinen temperaturunabhängig und ergeben sich nach dem Prinzip der Lenzschen Regel. Sie sind damit in allen Materialien vorhanden, wenn auch meist nicht dominant. Beispiele für diamagnetische Stoffe: Wasserstoff H2, Edelgase, Stickstoff N2, Kupfer, Blei, Wasser
Einen Sonderfall stellen die Supraleiter dar. Sie verhalten sich im konstanten Magnetfeld als ideale Diamagneten mit χm = − 1. Dieser Effekt heißt Meißner-Ochsenfeld-Effekt und ist ein wichtiger Bestandteil der Supraleitung.
Paramagnetismus χm > 0
Paramagnetische Stoffe besitzen permanente magnetische Dipole, die ohne äußeres Magnetfeld aufgrund der thermischen Bewegung über alle Raumrichtungen verteilt sind, so dass die mittlere Magnetisierung Null beträgt. Im äußeren Magnetfeld richten sich die atomaren magnetischen Momente parallel zum äußeren Feld aus und verstärken damit das Magnetfeld im Innern des Stoffes. Die Magnetisierung ist also positiv und damit auch die Suszeptibilität. Im inhomogenen Magnetfeld wird ein paramagnetischer Körper in den Bereich großer Feldstärke gezogen. Die Temperaturabhängigkeit der Suszeptibilität wird durch das Curiesche Gesetz bestimmt. Paramagnetismus kann auch andere Ursachen haben, so liefern Leitungselektronen von Metallen einen temperaturunabhängigen Beitrag (Pauli-Paramagnetismus). Beispiele für paramagnetische Stoffe: Aluminium, Natrium, α-Mangan, Sauerstoff O2

Dia- und Paramagnetismus treten in jedem Aggregatzustand auf. Da diese Effekte in der Regel sehr schwach sind, werden viele Stoffe auch als „unmagnetisch“ ausgewiesen.

Materialien mit einer magnetischen Ordnung

Festkörper mit einer magnetischen Ordnung sprechen sehr stark auf Magnetfelder an. Ihre magnetische Suszeptibilität zeigt dabei ein kompliziertes Verhalten. Oberhalb einer Schwellentemperatur verhält sie sich paramagnetisch, unterhalb hängt sie von weiteren Faktoren ab:

Ferromagnetismus
Ferromagneten richten ihre magnetischen Momente parallel zum äußeren Magnetfeld aus, tun dies aber in einer stark verstärkenden Weise. Es ist vielfach möglich, einen Ferromagneten komplett zu magnetisieren, so dass die Suszeptibilität einen Sättigungseffekt zeigt. Außerdem hängt letztere von der vorhergehenden Magnetisierung ab; man sagt, sie haben ein Gedächtnis. Das Verhalten wird durch eine Hystereseschleife beschrieben. Beispiele für Ferromagneten sind α-Eisen, Kobalt, Nickel.
Ferrimagnetismus
Die Suszeptibilität von Ferrimagneten hängt, wie bei den Ferromagneten, von der vorhergehenden Magnetisierung ab. Der Grund für ihr magnetisches Verhalten ist eine antiparallele Ausrichtung von unterschiedlich großen magnetischen Momenten in einem Kristall. Das Kristallgitter eines ferrimagnetischen Stoffes lässt sich durch zwei ineinander gestellte Untergitter beschreiben. Dabei stehen ohne äußeres Magnetfeld die magnetischen Momente der Untergitter genau antiparallel; sie haben aber unterschiedlichen Betrag, so dass ohne angelegtes Feld eine spontane Magnetisierung vorhanden ist. Die Magnetisierungskurve ist ähnlich zu der von Ferromagneten, aber mit wesentlich niedrigerer Sättigungsmagnetisierung. Ein Beispiel für ein ferrimagnetisches Material ist Magnetit (Fe3O4).
Antiferromagnetismus
Antiferromagnete sind magnetisch anisotrop, d. h. ihre Suszeptibilität hängt von der Orientierung des Festkörpers im Magnetfeld ab. Liegt das äußere Magnetfeld in einer Ebene mit den elementaren magnetischen Momenten, so ist der Zusammenhang zwischen Suszeptibilität und Temperatur näherungsweise linear. Steht das Magnetfeld senkrecht zu jener Ebene, so ist die Suszeptibilität näherungsweise temperaturunabhängig. Das Kristallgitter eines antiferromagnetischen Stoffes lässt sich durch zwei ineinander gestellte Untergitter beschreiben. Dabei stehen ohne äußeres Magnetfeld die magnetischen Momente der Untergitter genau antiparallel; sie haben aber gleichen Betrag, so dass ohne angelegtes Feld die Magnetisierung verschwindet. Die Temperaturabhängigkeit wird durch die Néel-Temperatur beschrieben. Beispiele für Antiferromagneten: Metalle mit eingebauten paramagnetischen Ionen wie MnO oder MnF2

Ferri- und ferromagnetische Stoffe können als Permanentmagneten verwendet werden, wenn diese nach Abschalten des äußeren Magnetfeldes eine große Restmagnetisierung aufweisen. Weichmagnetische Werkstoffe lassen sich hingegen sehr einfach (um-)magnetisieren und werden deshalb beispielsweise für Generatoren und Transformatoren verwendet.

Berechnung der Suszeptibilität mittels der Gouyschen Waage

Zur Gouyschen Waage siehe Magnetochemie. Durch Einbringen eines para- oder diamagnetischen Stoffes in ein magnetisches Feld werden die Feldlinien zusammengezogen oder gespreizt. Für das Magnetfeld gilt die Beziehung:

B= \mu_o (1 + \chi_v) \cdot H

Zwei Kräfte können mit der Messung durch eine Gouysche Waage ermittelt werden: Die Änderung der Schwerkraft und die Magnetfeldänderungskraft. Beide Kräfte müssen im Gleichgewicht identisch sein. Die Schwerkraft, die auf die Waage wirkt, ist das Produkt aus Masseänderung multipliziert mit der Schwerebeschleunigung:

K_m= \Delta m \cdot g

Die Magnetfeldänderung durch Einbringen einer paramagnetischen oder diamagnetischen Substanz in das Magnetfeld ist gegeben durch:

K_z= -\frac{1}{2}(\chi_{v1} - \chi_{v2}) H^2 A = -\frac{1}{2} \chi_{v1} H^2 A

Dabei ist A die Fläche der zu untersuchenden Substanz, die vom Magnetfeld durchdrungen wird und H das magnetisierende Feld.

Aus dem Gleichgewicht Km = Kz und Auflösung nach

 \chi_v = \Delta m \cdot g \cdot \frac{-2}{H^2 A}

kann die Volumen-Suszeptibilität bestimmt werden.

Aus der obigen Beziehung B = μo(1 + χv)H kann das magnetisierende Feld: H = B / μo für das Vakuum bestimmt werden. Für einen Neodymmagneten mit einer magnetischen Flussdichte von 0,29 Tesla ergibt sich beispielsweise eine magnetische Feldstärke von 230781 A/m oder 2899 Oe direkt auf der Oberfläche eines Pols. Das magnetisierende Feld ist ebenso wie das Magnetfeld abhängig von Position und Entfernung vom stromdurchflossenen Leiter oder einem Magneten und kann durch (Kreis-)Integralrechnung genau bestimmt werden.

Magnetische Suszeptibilität einiger Materialien

Material T χmol χmass χV
°C (SI)
10−9 m3·mol−1
(cgs)
10−6 cm3·mol−1
(SI)
10−9 m3·kg−1
(cgs)
10−6 cm3·g−1
(SI)
10−6
(cgs)
10−6
Vakuum bel. 0 0 0 0 0 0
Wasser [1] 20 −0,163 −13 −9,05 −0,72 −9,035 −0,719
Bi [2] 20 −3,55 −282 −17,0 −1,35 −166 −13,2
Diamant [3] RT −0,069 −5,5 −5,8 −0,46 −20 −1,6
He [4] −0,0238 −1,89 −5,93 −0,472
Xe [4] −0,57 −45,4 −4,35 −0,346
O2 [4] 43 3420 2690 214
Al 0,22 17 7,9 0,63
Ag [5] −0,238 −18,9 −2,20 −0,175

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. G P Arrighini, M Maestro, and R Moccia: Magnetic Properties of Polyatomic Molecules: Magnetic Susceptibility of H2O, NH3, CH4, H2O2. In: J. Chem. Phys.. 49, 1968, S. 882−889. doi:10.1063/1.1670155.
  2. S Otake, M Momiuchi and N Matsuno: Temperature Dependence of the Magnetic Susceptibility of Bismuth. In: J. Phys. Soc. Jap.. 49, Nr. 5, 1980, S. 1824−1828. doi:10.1143/JPSJ.49.1824.
    Der Tensor muss über alle Raumrichtungen gemittelt werden: \chi=(1/3)\chi_{||}+(2/3)\chi_{\perp}.
  3. J Heremans, C H Olk and D T Morelli: Magnetic Susceptibility of Carbon Structures. In: Phys. Rev. B. 49, Nr. 21, 1994, S. 15122−15125. doi:10.1103/PhysRevB.49.15122.
  4. a b c R E Glick: On the Diamagnetic Susceptibility of Gases. In: J. Phys. Chem.. 65, Nr. 9, 1961, S. 1552−1555. doi:10.1021/j100905a020.
  5. C L Foiles: Comments on Magnetic Susceptibility of Silver. In: Phys. Rev. B. 13, Nr. 12, 1976, S. 5606−5609. doi:10.1103/PhysRevB.13.5606.

Weblinks


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