Medici-Kapelle

Medici-Kapelle
Luftansicht der Medici-Kapellen innerhalb des Komplexes San Lorenzo mit der Kuppel der Fürstenkapelle

Die Medici-Kapellen (Cappelle Medicee) in Florenz sind die die Grabkapellen des Fürstengeschlechtes der Medici an der Kirche San Lorenzo. Es handelt sich dabei um die Neue Sakristei und die Fürstenkapelle (zudem sind auch in der Alten Sakristei Angehörige der Medici begraben). Sie sind nicht von der Kirche aus zugänglich, sondern nur durch einen separaten Eingang.

Inhaltsverzeichnis

Die Neue Sakristei

Geschichte

Der Medici-Papst Leo X. wollte seinen verstorbenen Verwandten ein Denkmal setzen, als er 1520 den Bau der Neuen Sakristei beauftragte. Sie gilt als eines der bedeutendsten Werke Michelangelos, der Skulptur und Architektur gestaltete.

Kunstgeschichte und Architektur

In der Neuen Sakristei Michelangelos von 1520 sind die Gliederungsformen wesentlich reichhaltiger und dynamischer geworden im Vergleich zur alten Sakristei von 1418, die Tendenz geht wieder mehr in die Höhe. Die Fenster oben in der Mitte sind teilweise blind, also nur Dekoration, aber sie ziehen den Blick nach oben und machen den Raum größer. Das sind Tendenzen, die langsam den Barock ankündigen.

Viele Details der plastischen Formen erinnern an die Antike. Die Wand wird keineswegs mehr als glatte Fläche gelassen wie noch bei Brunelleschi in Alten Sakristei der Früh-Renaissance, auch die oberen Fenster sind mit deutlich profilierten Dreiecksgiebeln bekrönt usw. Das sind die Kunstformen der Hoch-Renaissance.

Die Plastiken Michelangelos

Michelangelo hat nicht nur die Architektur des Raumes bestimmt, sondern hat auch ab 1524 (bis 1533) das plastische Programm geschaffen, das nicht ganz vollendet ist. Aber das, was da ist, genügt, um diesen ganzen Raum zu einem der wichtigsten der italienischen Hoch-Renaissance zu machen (Toman, S. 224). Dieses Mausoleum ist das erste Beispiel neuerer Kunstgeschichte, in der Architektur und Ausstattung von einem Künstler konzipiert wurden.

Michelangelo hat hier die Grabmäler der beiden Medici Lorenzo (Fürst von Urbino) und Giuliano (Fürst von Nemours) mit einem besonderen und in dieser Form völlig neuartigen Figurenprogramm versehen. Jede Gruppe besteht aus drei Figuren, dem idealisierten Verstorbenen oben und jeweils zwei zugeordneten Gottheiten zu seinen Füßen.

Sie symbolisieren insgesamt die Zeiten des Tages: den Abend und den Morgen bei Lorenzo, die Nacht und den Tag bei Giuliano, also die Schöpfung und den Beginn des Lebens durch weibliche Figuren, die handelnde Seite des Tages und Abends durch männliche. Geplant waren insgesamt vier Gruppen, für jede Wand eine. Es fehlen die für Lorenzo, den Prächtigen, und für Giuliano, seinen Bruder. Diese groß angelegte Konzeption sollte nachdrücklich den Herrschaftsanspruch des Hauses Medici dokumentieren, die mittlerweile fürstlichen und sogar päpstlichen Rang erlangt hatten.

Die oberen Medici-Plastiken sind keine einfachen Nachbildungen der Verstorbenen. Michelangelo hat das ganze Programm zu einem großen symbolischen Ausdruckswerk machen wollen und natürlich gibt es diverse Deutungen zu den einzelnen Figuren und zum Verhältnis der Figuren zueinander.

Bei Lorenzo hat Michelangelo beispielsweise gleichzeitig die vita contemplativa, also das besinnliche Leben dargestellt (weshalb die Statue auch „Penseroso“ genannt wird und mit dem Gott Saturn verglichen wird). Und bei Giuliano die vita activa, das handelnde Leben (und Sinnbild des Gottes Jupiter). Deutlich ist die Ähnlichkeit zu römischen Porträts zu spüren, vor allem zu den antiken Kaiserbildnissen, die hier sicher nicht ungern als Vorbild gesehen wurden.

Statue der Aurora

Es ist damals schon aufgefallen, dass die Gestalten zu Füßen der Medici-Fürsten sich durch eine ernste, lastende Schwere auszeichnen und keine Spur irgendeiner Heldenverehrung zeigen. Stattdessen hat Michelangelo unpersönliche Symbolisierungen der unentrinnbaren Zeit geschaffen, die auch über fürstlichen Glanz triumphiert.

Bei der Statue der Aurora (Morgendämmerung) hat Michelangelo einer weiblichen Figur wie so häufig einen sehr muskulösen Körper gegeben und bei der Gestaltung des Busens eine auffallend ungeschickte und unharmonische Form gefunden. Die Brüste wirken wie aufgesetzt und zeigen eine etwas merkwürdige ‚Einschnürung’. Dass die Körper der Frauen so wenig weiblich aussehen, hat schon zu diversen Theorien, auch über die Persönlichkeit Michelangelos, geführt. Es kann aber auch – zumindest teilweise – daran liegen, dass er männliche Modelle nahm (Toman, S. 318), die seinem Körperideal sowieso mehr entgegenkamen. Michelangelo konnte oder wollte keine nackten Frauen gestalten, weder malerisch noch bildhauerisch.

Sowenig ‚weiblich‘ diese Allegorie der Morgenröte auch wirken mag, für Michelangelos Zeitgenossen war diese Figur - und die Allegorie der Nacht auf der anderen Seite - eine revolutionäre Neuerung auf dem Wege zur Darstellung des unverhüllten weiblichen Körpers, die erst im 2. Drittel des 16. Jh. als etwas übliches angesehen wurde.

Die Giuliano-Gruppe

Bei der weiblichen Figur der „Nacht“ greift Michelangelo in der Gestaltung des Kopfes deutlich klassische griechische Vorbilder auf, aber auch nur hier. Der Rest des Körpers hat mit griechischer Kunst wenig zu tun.

Auch bei dieser Plastik der ‚Tages’ zeigt sich dagegen die fast quälende Gespanntheit, mit der die massige Figur in ihrem Material „ruht“ und es zu sprengen scheint, also gleichsam seine materiale Gebundenheit verlassen will. Eine ganze Reihe verschiedener Bewegungsmotive sind hier in einer einzigen Figur zusammengefasst, was sich in etwa mit der Form einer Serpentine vergleichen lässt, also einer in dich gedrehten Figur, ähnlich wie vorhin bei der Pietà. Auch hier also eine „Figura serpentinata“. Mit solchen Bewegungsstudien hat sich Michelangelo in der zweiten Hälfte seines Lebens immer wieder auseinandergesetzt.

Madonna mit Kind

Die Gruppe ‚Madonna mit Kind’ ist unvollendet. Michelangelo hat auch hier in dieser Zweiergruppe eine spiralförmige Aufwärtsbewegung geschaffen, wobei die beiden Bewegungen des Kindes mit der der Mutter als Ausdruck besonders enger Verbindung ineinander verschränkt wurden.

Die Fürstenkapelle

In der 1605 von Matteo Nigetti und dem mediceischen Hausarchitekten Bernardo Buontalenti erbauten Fürstenkapelle (Cappella dei Principi), einer großen gewölbten oktogonale Halle, befindet sich die Grablege jener späteren Angehörigen der Familie, die in der alten und der neuen Sakristei der Basilika keinen Platz mehr fanden. Sie stammt aus der Zeit nach der Erhebung der Medici in den Großherzogsstand. Die Ausstattung in Marmorintarsien (pietra dura) gilt als Meisterwerk der Florentiner Steinschneiderschule Opificio delle Pietre Dure. Fast fünfzig weniger bedeutende Familienmitglieder sind in der Krypta begraben.

Grabmonumente in der Fürstenkapelle

Literatur

  • James S. Ackerman: The Architecture of Michelangelo. Harmondsworth 1961, S. 71-96.
  • Renzo Chiarelli: San Lorenzo und die Medici-Kapellen. Florenz 1976, S. 36-66.
  • Alessandro Nova: Michelangelo - Der Architekt. Stuttgart 1984, S. 37-112.
  • Rolf Toman (Hrsg.): Die Kunst der italienischen Renaissance. Architektur – Skulptur – Malerei – Zeichnung. Köln 1994, S. 224.
  • Klaus Zimmermanns: Florenz. 6. Auflage 1990. (DuMont Kunst-Reiseführer), S. 252, Abb. 87-92.
  • Edith Balas: Michelangelo's Medici Chapel: a new Interpretation. Philadelphia 1995.
  • Peter Barenboim: Michelangelo Drawings - Key to the Medici Chapel Interpretation. (English), Letny Sad, Moskau 2006, ISBN 5-98856-016-4.
  • Peter Barenboim, Alexander Zakharov: Mouse of Medici and Michelangelo: Medici Chapel/ Il topo dei Medici e Michelangelo: Cappelle Medicee. (Russian, Italien, English), Letny Sad, Moskau 2006, ISBN 5-98856-012-1.
  • Peter Barenboim, Sergey Shiyan: Michelangelo: Mysteries of Medici Chapel. (Russian, English), Slowo, Moskau 2006, ISBN 5-85050-825-2.
  • James Beck, Antonio Paolucci, Bruno Santi: Michelangelo. The Medici Chapel. London/New York 2000.
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