Menschenrechtsbeirat

Menschenrechtsbeirat

Der Menschenrechtsbeirat (Abkürzung MRB) der Republik Österreich fungiert seit Juli 1999 als weisungsfreies Beratungs- und Kontrollgremium des Bundesministeriums für Inneres. Die Rechtsgrundlagen finden sich in §§ 15a - 15c Sicherheitspolizeigesetz (SPG), sowie in der Geschäftsordnung des Menschenrechtsbeirates (MRB-GO). Der Menschenrechtsbeirat zählt zu den außergerichtlichen Rechtsschutzeinrichtungen in Österreich.

Inhaltsverzeichnis

Historische Entwicklung

Das Europäische Komitee zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (CPT) besuchte 1990 Österreich zum ersten Mal. Im zusammenfassenden Bericht hat es den österreichischen Behörden empfohlen, ein unabhängiges Organ mit der regelmäßigen Inspektion der Haftbedingungen in den Polizeigefangenenhäusern (nunmehr: Polizeianhaltezentren) zu betrauen. Nach seinem zweiten Besuch 1994 hat das CPT diese Empfehlung wiederholt. In ihrer dazu erstatteten Stellungnahme vom Juni 1996 hat die Bundesregierung die Einrichtung eines unabhängigen Organs zur regelmäßigen Inspektion der Haftbedingungen in den Polizeianhaltezentren zugesichert. Nach dem Tod des nigerianischen Schubhäftlings Marcus Omofuma am 1. Mai 1999 im Zuge einer Abschiebung auf dem Flug nach Bulgarien wurden die Bemühungen zur Schaffung eines derartigen Beirates verstärkt. Der damalige Bundesminister für Inneres sah sich veranlasst, vorerst im Verordnungswege, einen solchen Beirat einzurichten. Wenige Tage nach dessen Konstituierung - am 5. Juli 1999 - hat der Nationalrat die Sicherheitspolizeigesetz-Novelle 1999 beschlossen, welche die relevanten Bestimmungen über den MRB enthält. Sie ist mit 1. September 1999 in Kraft getreten.

Kompetenzen und Betätigungsfeld

Dem Menschenrechtsbeirat obliegt es, die Tätigkeit der Sicherheitsbehörden, der sonst dem Bundesminister für Inneres nachgeordneten Behörden und der zur Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigten Organe unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der Menschenrechte zu überprüfen. Um ein flächendeckendes Monitoring der Tätigkeit der Sicherheitsexekutive sicherzustellen, wurden vom Menschenrechtsbeirat regional organisierte Expertenkommissionen eingerichtet, die die Anhaltung von Menschen an Dienststellen der Sicherheitsexekutive begleitend überprüfen. Auf Basis dieser Beobachtungen weist der MRB auf strukturelle Mängel hin und erstattet dem Bundesminister für Inneres Verbesserungsvorschläge. In seinen bisher 330 Empfehlungen an den Bundesminister für Inneres zeigt der MRB vor allem Defizite in der Anhaltung von Schubhäftlingen oder bei Problemabschiebungen auf. Seine Beratungsfunktion nimmt der Beirat außerdem durch Stellungnahmen bei geplanten legislativen Maßnahmen im Fremden- und Asylrecht wahr. Der Menschenrechtsbeirat ist keine Rechtsschutzinstanz, an die sich Menschen zur Durchsetzung ihres Rechtsstandpunktes wenden können. Auch kommt dem MRB keine Kompetenz zu, Rechtsauskunft oder Rechtsberatung im Einzelfall zu erteilen.

Die Sicherheitsexekutive ist verpflichtet, den MRB und seine Kommissionen bei seiner Tätigkeit zu unterstützen. Die Leiterin oder der Leiter einer besuchten Dienststelle muss Einsicht in die Unterlagen gewähren und Auskünfte erteilen.

Organisation

Dem Menschenrechtsbeirat gehören elf Mitglieder und ebenso viele Ersatzmitglieder an, die bei Besorgung ihrer Aufgaben an keine Weisung gebunden sind. Für den Vorsitzenden und seine Vertretung, die aus dem Kreis der Mitglieder des Verfassungs-, des Verwaltungsgerichtshofes sowie jener Personen auszuwählen sind, denen an einer österreichischen Universität die Lehrbefugnis für Verfassungsrecht zukommt, steht dem Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes ein Vorschlagsrecht zu.

Vorsitz:

  • seit 2007 Gerhart Wielinger
  • 2003-2007 Erwin Felzmann
  • 1999-2003 Gerhart Holzinger

Folgenden Personen kommt ebenso ein Vorschlagsrecht für je ein Mitglied und ein Ersatzmitglied zu:

  • dem Bundeskanzler,
  • dem Bundesminister für Justiz,
  • und fünf privaten gemeinnützigen Vereinen, die sich der Wahrung der Menschenrechte widmen: Caritas, Diakonie, Verein Menschenrechte Österreich, Volkshilfe und SOS Menschenrechte.

Drei weitere Mitglieder und Ersatzmitglieder werden vom Bundesminister für Inneres ohne Vorschlag bestellt.

Zur Unterstützung der Tätigkeit des Menschenrechtsbeirates ist im Bundesministerium für Inneres eine Geschäftsstelle eingerichtet.

Die Kommissionen des Menschenrechtsbeirates

Die sechs regionalen Kommissionen haben die Anhaltung von Menschen an Dienststellen der Sicherheitsexekutive (zB Polizeiinspektionen, Polizeianhaltezentren) begleitend zu überprüfen und die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Sicherheitsexekutive zu beobachten. Die zuletzt genannte Befugnis umfasst die begleitende Kontrolle von Polizeieinsätzen wie Demonstrationen, Razzien, Flugabschiebungen oder Großveranstaltungen. Da die Kommissionen "gleichsam als verlängerter Arm des Menschenrechtsbeirates" tätig werden, liegt der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit im Aufzeigen allfälliger struktureller Mängel – was durchaus auch aus Anlass und am Beispiel signifikanter Einzelfälle geschehen kann – und weiters darin, durch entsprechende Verbesserungsvorschläge präventiv im Sinne des Menschenrechtsschutzes bei der Aufgabenbesorgung durch die Sicherheitsexekutive zu wirken.

Die Besuche der Kommissionen erfolgen in ihrem Zuständigkeitsbereich routinemäßig und flächendeckend, aber auch auf Grund bekannt gewordener besonderer Umstände. Besuche können auch jederzeit unangemeldet erfolgen; sie brauchen nicht angekündigt zu werden. Die Kommissionen haben dem Menschenrechtsbeirat über jeden erfolgten Besuch zu berichten. In diesen Berichten sind insbesondere die erhobenen Fakten und die der Kommission notwendig erscheinenden Maßnahmen und Empfehlungen festzuhalten. Die sechs Kommissionen bestehen jeweils aus sechs Mitgliedern und einer Kommissionsleitung und sind interdisziplinär zusammengesetzt (Experten auf den Gebieten der Medizin, Rechtswissenschaften, Soziologie, Psychologie, Sozialarbeit).

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