Menschliche Echoortung

Menschliche Echoortung

Menschliche Echoortung ist eine Technik, die von manchen blinden Menschen verwendet wird, um sich ein Bild von ihrer Umgebung zu machen. Man unterscheidet passive Echoortung und aktive Echoortung. Im Gegensatz zu dieser Ortung aus indirekten reflektierten Sekundärsignalen steht das direkte Richtungshören als Lokalisation von Primärsignalen.

Die passive Echoortung nutzt die in der Umgebung vorhandenen Schallquellen und deren Echos um eine vage Vorstellung der Umwelt zu erzeugen. Die Echos werden vom Gehirn des Anwenders als akustisches Signal interpretiert und müssen intellektuell verarbeitet werden[1]. Die aktive Echoortung dagegen, die mittels eines dezenten Zungen-Klicks (Klick-Sonar) Schall aussendet, gleicht der Echoortung, wie sie von Fledermäusen und Delfinen verwendet wird. Sie erzeugt nach regelmäßigem Training ein mit dem "Sehen"[2] vergleichbares Abbild der Umwelt im visuellen Cortex des Gehirns[3]. Das Gehirn trennt die Echosignale als visuell nutzbare Information von den akustischen Informationen und verarbeitet sie in den jeweiligen Hirnarealen.

Je früher blinde Kleinkinder spielerisch[4] an die Technik der aktiven Echoortung herangeführt werden, desto müheloser integrieren sie sie in ihre Wahrnehmung.[5] Eine trainierte Person interpretiert die reflektierten Echos von Objekten und kann so ihre Position, ihre Dichte und teilweise ihre Größe bestimmen. Aufgrund der physikalischen Grenzen ist die optimale Reichweite ca. 50 cm bis 300 Meter. Die Technik wird von geübten Blinden benutzt, um sich autonom zu bewegen, sich zu orientieren und um Hindernisse zu umgehen. Die Echoortungstechnik kann ebenso von Sehenden erlernt werden.[6]

Die Klick-Sonar-Technik wurde von Daniel Kish (*1965) systematisch analysiert, die Vermittlung der Technik methodisiert und in den USA populär gemacht. Daniel Kish ist völlig blind und brachte sich selbst bei, Informationen über seine Umgebung zu erlangen, indem er mit seiner Zunge klickt und auf die Echos hört.[7] Kish hat seit 1991 über 1.000 andere Blinde in der Nutzung der Echoortung trainiert. Zu diesem Zweck hat er mit zwei seiner Schüler die Non-Profit-Organisation "World Access for the Blind" gegründet. In Deutschland wird die Technik noch nicht gelehrt, da es noch keine entsprechend ausgebildeten Orientierungs- und Mobilitätstrainer gibt. Die deutsche spendenfinanzierte Partnerorganisation "Anderes Sehen" hat die Aufgabe übernommen, die Klicksonar-Technik in Deutschland als Standard-Orientierungsmethode in der Schulung blinder Kinder politisch durchzusetzen. Dazu wurden auf Initiative von "Anderes Sehen" im November 2011 erstmals 100 Frühförderer, Mobilitätstrainer, Blinde und Eltern blinder Kinder in Deutschland von Daniel Kish in der Klicksonartechnik unterrichtet.[8]

Quellen

  1. "Neural Correlates of Natural Human Echolocation in Early and Late Blind Echolocation Experts, engl."
  2. "Menschen können lernen mit Akustik zu sehen, engl."
  3. "Wie sich Blinde per Echoortung (Klick-Sonar) orientieren"
  4. "Akustische Sensibilisierung"
  5. "Grundlegende Funktionsweise der weiterentwickelten akustischen Orientierung, engl."
  6. "Wissenschaftler erforschen Echoortung beim Menschen, engl."
  7. Hans-Werner Hunziker: Magie des Hörens: Unbewusste Strategien der Hörwahrnehmung. Transmedia Stäubli Verlag AG, Zürich 2011, ISBN 978-3-7266-0087-7.
  8. "Offizieller Start der Klicksonartechnik in Deutschland"

Literatur

  • Siegfried Saerberg: Geradeaus ist einfach immer geradeaus – Eine lebensweltliche Ethnographie blinder Raumorientierung. Konstanz, UVK-Verl.-Ges., ISBN 3-89669-679-3
  • Rojas et al. Physical Analysis of Several Organic Signals for Human Echolocation: Oral Vacuum Pulses. Acta Acustica united with Acustica, 2009; 95 (2): 325 DOI: 10.3813/AAA.918155

Weblinks

 Wikisource: Das Ferngefühl der Blinden – Richard Ernst Sergel, in Die Gartenlaube (1867), Heft 18

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