Arbeitszeitrichtlinie

Arbeitszeitrichtlinie
Flagge der Eurpäischen Union
Basisdaten der
EG-Richtlinie 2003/88/EG
Titel: Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 4. November 2003
über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung
Kurztitel:
(nicht amtlich)
Arbeitszeitrichtlinie
Rechtsnatur: EG-Richtlinie
Geltungsbereich: Europäische Union
Rechtsmaterie: Arbeitsrecht
Veröffentlichung: ABl. EG
L 299/9 vom 18. November 2003
Inkrafttreten: 2. August 2004
2000/34/EG: 1. August 2000
In nationales Recht
umzusetzen bis:
2000/34/EG: 1. August 2003
(bei Ärzten in der Ausbildung:
1. August 2004)
Umgesetzt durch: Arbeitszeitgesetz (Deutschland);
Arbeitsruhegesetz (Österreich) und
Arbeitszeitgesetz (Österreich)
Bitte beachten Sie den Hinweis zur geltenden Gesetzesfassung!

Die Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung ist eine Richtlinie der europäischen Gemeinschaft, die die Arbeitszeitgestaltung innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes regelt.

Die Arbeitszeitrichtlinie ist, wie alle europäischen Richtlinien, an die Mitgliedsstaaten gerichtet und sie muss daher von den einzelnen Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.

Ihr gingen die Richtlinien 93/104/EG und 2000/34/EG voran.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt der Richtlinie

Kapitel 1 (Artikel 1 und 2) legt Gegenstand, Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen fest.

Kapitel 2 (Artikel 3 bis 7) regelt tägliche und wöchentliche Mindestruhezeiten, den Mindestjahresurlaub, Ruhepausen und wöchentliche Höchstarbeitszeit:

  • Artikel 6 legt fest, dass „die wöchentliche Arbeitszeit durch innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften oder in Tarifverträgen oder Vereinbarungen zwischen den Sozialpartnern festgelegt wird“ und dass „die durchschnittliche Arbeitszeit pro Siebentageszeitraum 48 Stunden einschließlich der Überstunden nicht überschreitet“.
  • Artikel 7 legt fest, dass Arbeitnehmer mindestens einen vierwöchigen Jahresurlaub erhält und dass dieser außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt werden darf.

Kapitel 3 (Artikel 8 bis 13) regelt Aspekte der Nacht-, der Schichtarbeit und des Arbeitsrhythmus.

Kapitel 4 (Artikel 14 bis 16) enthält Bestimmungen über spezifischere oder günstigere Vorschriften und Bezugszeiträume, Kapitel 5 (Artikel 17 bis 22) regelt unter anderem Ausnahmen, Abweichungen und Übergangsbestimmungen und Kapitel 6 (Artikel 23 bis 29) enthält Schlussbestimmungen.

Bestrebungen zur Änderung der Richtlinie

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) erteilte mehrere Urteile zur Auslegung der Arbeitszeitrichtlinie (siehe hierzu z.B. Europäische Rahmenbedingungen zum Bereitschaftsdienst), welche sich auf die nationale Umsetzung der Richtlinie auswirkten. Mehrfach wurden seitdem Änderungsvorschläge eingebracht.[1][2][3]

Am 9. Juni 2008 einigte sich der Ministerrat der 27 EU-Mitgliedsstaaten auf eine Änderung, die in Kraft treten sollte, sofern das europäische Parlament zustimmten.[4][5] Dem Entwurf zufolge sollten Überschreitungen einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 48 Stunden die Ausnahme sein, sollten aber bei Festschreibung im nationalen Recht oder durch Tarifverträge möglich sein, wobei die Mitgliedsstaaten einen wirksamen Schutz für die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten gewährleisten müssten.[5] Dem Entwurf zufolge sollte ferner zwischen aktiven und inaktiven Phasen der Bereitschaftszeit unterschieden werden: Artikel 2a des Entwurfs besagte: „Der inaktive Teil der Bereitschaftszeit wird nicht als Arbeitszeit betrachtet, es sei denn nationales Recht oder (...) Tarifrecht regeln dies anders“.[5] Des Weiteren sollte das individuelle Opt-out, dem zufolge eine Arbeitszeit über 48 Wochenstunden nach individueller Vereinbarung möglich ist, beibehalten werden. Das diesbezüglich für die Berechnung der mittleren Arbeitszeit relevante Zeitintervall sollte auf zwölf Monate ausgeweitet werden.[6] Die Einigung über die Änderung der Arbeitszeitrichtlinie war Teil eines Gesamtpakets, zu dem auch ein Entwurf über eine Neufassung der Leiharbeitsrichtlinie gehörte [7][8][9][10].

Das Europäische Parlament sprach sich am 17. Dezember 2008 mit absoluter Mehrheit für die Abänderung des Entwurfs des Ministerrates aus. Es musste somit zu einem Vermittlungsverfahren zwischen Parlament und Rat kommen. Nach dem Willen des Parlaments sollte in der EU die wöchentliche Höchstarbeitszeit im Jahresdurchschnitt 48 Stunden betragen. Ausnahmen von dieser Regel sollten innerhalb von drei Jahren auslaufen. Der gesamte Bereitschaftsdienst, einschließlich der inaktiven Zeit, sollte nach Ansicht der Abgeordneten als Arbeitszeit angesehen werden.[11]

Im April 2009 endeten die Verhandlungen im Vermittlungsausschuss ergebnislos; die Reform der Arbeitszeitrichtlinie gilt seitdem als gescheitert.[12][13]

Europäische Richtlinien haben nur mittelbar, über eine Umsetzung in nationales Recht, eine Wirkung auf die Rechtslage in den Mitgliedsstaaten. Dem Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zufolge bereite die neue EU-Richtlinie den Weg für die schlechtere Bezahlung von Arbeitnehmern mit Bereitschaftsdiensten.[8] Das deutsche Bundesarbeitsministerium hatte erklärt, es gebe nun „überschaubaren Änderungsbedarf“,[14] und der Bundesarbeitsminister hatte angekündigt, auch im Fall einer Änderung der Richtlinie die hohen Standards des deutschen Arbeitszeitgesetzes nicht zu ändern.[8] Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt hatte erklärt, für deutsche Ärzte und andere Beschäftigte ändere sich unmittelbar nichts.[15]

Literatur

  • Lukas Stärker: Kommentar zur EU-Arbeitszeit-Richtlinie. Linde Verlag, Wien 2006, ISBN 3-7073-0885-5.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Geänderter Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung /* KOM/2005/0246 endg. - COD 2004/0209 */
  2. Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/88/EG über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung {SEK(2004) 1154}
  3. Lars Herrmann, Christian Schlottfeldt: Bereitschaftsdienst – alles wieder wie früher? – Konsequenzen der geplanten Änderungen der EU-Arbeitszeit-Richtlinie. 2004. Abgerufen am 14. Juni 2008.
  4. Presseerklärung des Rats über seine Tagung vom 9. bis 10. Juni 2008
  5. a b c Vorschlag für neue EU-Arbeitszeit-Richtlinie. In: tagesschau.de. 10. Juni 2008. Abgerufen am 14. Juni 2008.
  6. EU-Arbeitszeitrichtlinie als weiterer sozialer Tiefschlag. 10. Juni 2008. Abgerufen am 19. Juni 2008.
  7. Presseerklärung des Rats über seine Tagung vom 9. bis 10. Juni 2008, S. 8
  8. a b c Nur noch 48 Stunden. 10. Juni 2008. Abgerufen am 14. Juni 2008.
  9. EU-Ministerrat einigt sich über Arbeitszeitrichtlinien. In: Magazin zur Europapolitik, Nr. 54, 07/08. www.bundesregierung.de. Abgerufen am 19. Juli 2008.
  10. EU-Richtlinien zu Arbeitszeit und Leiharbeit. verdi.de. Abgerufen am 19. Juli 2008.
  11. Pressemitteilung des Europäischen Parlaments vom 17. Dezember 2008, abgerufen am 20. Dezember 2008
  12. Arbeitszeit-Reform gescheitert: In EU auch künftig 78-Stunden-Woche möglich. Handelsblatt Online, 28. April 2009. Abgerufen am 1. Mai 2009.
  13. Gescheiterte Verhandlungen: EU-Arbeitszeitreform geplatzt. Handelsblatt Online, 28. April 2009. Abgerufen am 1. Mai 2009.
  14. EU einigt sich auf Arbeitszeit-Richtlinie. In: haz.de. 10. Juni 2008. Abgerufen am 14. Juni 2008.
  15. Bereitschaftsdienste – Ärzte laufen Sturm gegen Arbeitszeit-Beschluss. Welt Online, 10. Juni 2008. Abgerufen am 14. Juni 2008.

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