Michael Roes

Michael Roes

Michael Roes (* 7. August 1960 in Rhede/Westfalen) ist ein deutscher Schriftsteller.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Michael Roes wuchs in Bocholt auf. Nach dem Abitur studierte er Psychologie, Philosophie und Germanistik an der Freien Universität Berlin, wo er 1985 sein Diplom in Psychologie machte.

Von 1985 bis 1989 war er Regie- und Dramaturgieassistent an der Berliner Schaubühne und an den Münchner Kammerspielen. Es folgte ein Studienaufenthalt in der Wüste Negev. 1991 promovierte Roes mit einer Arbeit über Isaak und das Sohnesopfer zum Doktor der Philosophie.

1993 wurde Michael Roes Fellow am Budapester Institute for Advanced Studies. Im Rahmen eines ethnologischen Forschungsprojektes verbrachte er 1994 /1995 ein Jahr im Jemen. Seine dortigen ethnologischen Studien verarbeitete er in dem Roman "Rub' al-Khali". In den folgenden Jahren unternahm Roes vor allem Reisen nach Amerika und lebte längere Zeit in New York, wo er an seinem Roman "Der Coup der Berdache" und seinem literarischen Reise-Essay "Haut des Südens" arbeitete. Im Jahr 2000 drehte Roes in New York und im Jemen seinen ersten Spielfilm "Someone is Sleeping in my Pain", einen arabischen „Macbeth“. Dann folgten mehrere lange Algerien-Aufenthalte, in denen unter anderem der Roman "Weg nach Timimoun", der Film "Stadt des Glücks", eine Dokumentation des Alltags algerischer Jugendlicher und Roes zweiter Spielfilm "Timimoun", eine algerische Orestie, entstanden. 2004 und 2006/2007 wurde Michael Roes zu einer Gastprofessur an die Central European University, Budapest, eingeladen und arbeitete dort mit Studenten unter anderem an seinem Filmprojekt "Elevation". Dann folgte ein dreimonatiger Aufenthalt in Nanjing und die Arbeit am Roman-Essay "Die Fünf Farben Schwarz", der im Herbst 2009 veröffentlicht wurde.

Michael Roes' Werk, das u.a. in der Tradition von Bruce Chatwin und Hubert Fichte steht, umfasst Romane, Essays, Gedichte, Theaterstücke und Filme. Zentrale Themen sind die Begegnung mit dem Fremden und die Verständigungsschwierigkeiten bei solchen Begegnungen.

Der in Berlin lebende Michael Roes schwimmt gegen den aktuellen Strom allgemeinen literarischen Schaffens, indem er nicht das Leben in der Metropole nutzt, um noch einen weiteren Hauptstadtroman zu kreieren, er ist vielmehr von fernen Kontinenten und Kulturen angezogen. Die Begegnung mit fremden Welten ist für ihn ein Prozeß des Verstehens, des Eingehens auf andere Sprachen und Lebensweisen.

In dem Gedichtband "Durus Arabij, Arabische Lektionen" (1997) vermittelt Michael Roes ein interkulturelles Klangbild. Der israelische Komponist Amoz Elkana vertonte 13 Gedichte aus dieser Sammlung.

Roes’ Werk umkreist in immer neuen Variationen das Thema der Grenzen, an der sich Fremdheit und Vertrautheit, die Unzugänglichkeit und Unerbittlichkeit des Anderen treffen mit dem Bestreben, diesen Abstand zu überwinden, sei es in Form einer hermeneutischen, also von kulturellen Vorurteilen geleiteten Usurpation, oder aber der respektvollen Anerkennung. Roes' Arbeiten machen deutlich, dass in einem Zeitalter der fast universalen Begegnungsmöglichkeit mit dem Fremden nicht der Begriff der anverwandelnden Nähe als das Leitmotiv einer Beschreibung der Begegnung tauglich ist, sondern eher der Begriff des Prekären oder, vielleicht treffender noch, der der Ambivalenz.

Michael Roes zeigt in seinen Werken, dass solche Begegnungen Wagnisse sind, in denen die eigene kulturelle Identität aufs Spiel gesetzt werden muss, um Verständigung nicht von vornherein scheitern zu lassen. Er begreift die Kommunikation mit dem Fremden als Einsatz (und dies, wie die exotischen Theater seiner Reiseabenteuer belegen, im unmittelbaren Sinn des Wortes), in dem das Gleichgewicht des kommunikativen Austauschs immer unentschieden bleibt.

Die „Lösung“ des Problems interkultureller Begegnung kann Roes deshalb in einer Art Schwebezustand belassen, weil das kommunikative Geschehen nur dem Anschein nach, aber nicht in der Tiefe, nach dem Modell eines rational austarierten Gleichgewichts der Diskurspartner funktioniert. Ihr konkretes Verhalten wird viel weniger durch ihre Vernunftbegabtheit und Zugehörigkeit zu einer „Kultur“ gesteuert, sondern von jenen Antrieben, die aus dem im Körper beheimateten Begehren an die Oberfläche der Sprache dringen.

Neben verschiedenen Stipendien erhielt Roes 1993 den Förderpreis zum Else-Lasker-Schüler-Dramatikerpreis, 1997 den Bremer Literaturpreis und 2006 den erstmals vergebenen Alice Salomon Poetik Preis nebst damit verbundener Dozentur.

Werke in Einzelbänden

  • Lenau, Materialien, Bocholt 1989
  • Aufriß, Stück, Bad Homburg v.d.H. 1990
  • Tischsitten, Stück, Bad Homburg v.d.H. 1991
  • Jizchak. Versuch über das Sohnesopfer, Essay, Gatza Berlin 1992, ISBN 3-928262-73-4
  • Jizchak. Versuch über das Sohnesopfer, Essay, Matthes & Seitz Berlin 2005, ISBN 978-3-88221-711-7 (Werke in Einzelbänden - Band 1)
  • Cham, Ein Symposion, Gatza Berlin 1993, ISBN 3-928262-16-5 (Werke in Einzelbänden - Band 2)
  • Lleu Llaw Gyffes, Roman, Gatza Berlin 1994, ISBN 3-928262-35-1 (Werke in Einzelbänden - Band 3)
  • Rub’ al-Khali – Leeres Viertel, Roman, Gatza bei Eichborn Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-8218-0639-7 (Werke in Einzelbänden - Band 4)
  • Rub’ al-Khali – Leeres Viertel, Invention über das Spiel, Matthes & Seitz Berlin 2010, ISBN 978-3-88221-708-7
  • Madschnun al-Malik / Der Narr des Königs, Ein Schelmenstück, Gatza bei Eichborn Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-8218-0653-2 (Werke in Einzelbänden - Band 5)
  • Durus arabij / Arabische Lektionen, Gedichte, Eichborn Berlin Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-8218-0664-8 (Werke in Einzelbänden - Band 6)
  • Der Coup der Berdache, Roman, Berlin Verlag Berlin,1999 ISBN 3-8270-0313-X (Werke in Einzelbänden - Band 7)
  • Haut des Südens, Eine Mississippi-Reise, Berlin Verlag Berlin 2000, ISBN 3-8270-0366-0 (Werke in Einzelbänden - Band 8)
  • David Kanchelli, Roman, Berlin Verlag Berlin 2001, ISBN 3-8270-0393-8 (Werke in Einzelbänden - Band 9)
  • Nah Inverness, Roman, Matthes & Seitz Berlin, ISBN 978-3-88221-710-0, 2004 (Werke in Einzelbänden - Band 10)
  • Kain. Elegie, Gedichte, Matthes & Seitz Berlin, ISBN 978-3-88221-709-4, 2004 (Werke in Einzelbänden - Band 13)
  • Weg nach Timimoun, Roman, Matthes & Seitz Berlin 2006, ISBN 978-3-88221-864-0 (Werke in Einzelbänden - Band 11)
  • Krieg und Tanz, Reden / Gespräche / Aufsätze, Matthes & Seitz Berlin 2007, ISBN 978-3-88221-880-0 (Werke in Einzelbänden - Band 12)
  • Perversion und Glück, Poetikvorlesungen, Matthes & Seitz Berlin 2007, ISBN 978-3-88221-898-5 (Werke in Einzelbänden - Band 15)
  • Ich weiß nicht mehr die Nacht, Roman, Matthes & Seitz Berlin 2008, ISBN 978-3-88221-707-0 (Werke in Einzelbänden - Band 14)
  • Die fünf Farben Schwarz, Roman, Matthes & Seitz Berlin 2009, ISBN 978-3-88221-648-6 (Werke in Einzelbänden - Band 16)
  • Geschichte der Freundschaft, Roman, Matthes & Seitz Berlin 2010, ISBN 978-3-88221-534-2 (Werke in Einzelbänden - Band 17)

Premieren

  • Aufriss. Theater der Stadt Koblenz, 1992
  • Cham. Schauspielhaus Köln 1993
  • Madschnun Al-Malik. Schauspielhaus Düsseldorf, 1998
  • Durus Arabij. Berliner Festwochen, 1998
  • Kain. Elegie Hebbel Theater, Internationales Poesie Festival Berlin, 2004
  • Der Coup der Berdache. Palast der Republik, Berlin, 2004

Features

  • Ein kurzer Sommer in Tichy. Tagebuch einer Reise in die rebellische Kabylei. Radiofeature, SWR Baden-Baden, WDR Köln, 2003
  • Der Internetharem. Radiofeature. WDR, Köln 2005
  • Weg nach Timimoun. Radiofeature. SWR, 2007

Filme

  • Abdallah und Adrian. Dokumentarfilm, Jemen 1996
  • Someone is Sleeping in My Pain. Feature-Spielfilm, Jemen / USA 2000
  • City of Happiness. Dokumentarfilm, Algerien, 2003/2004
  • Phaidra.Remade, Filmessay, Budapest 2004
  • Timimoun. Spielfilm, Algerien, 2004/2005
  • Elevation. Spielfilm, Ungarn, 2006

Preise und Auszeichnungen

  • Jahresstipendium des Deutschen Literaturfonds (1991, 2007/2008)
  • Else-Lasker-Schüler-Förderpreis (1993)
  • Fellowship am Wissenschaftskolleg zu Budapest (1994-1995)
  • Stipendien des Stiftung Preussische Seehandlung (1995, 2000, 2005)
  • Literaturpreis der Stadt Bremen (1997)
  • Wahl in den deutschen P.E.N. (1998)
  • Stipendium der Niederländisch-Deutschen Kulturstiftung (2004)
  • Alice Salomon Poetik Preis der ASFH Berlin (2006) [1]
  • China-Stipendium des Auswärtigen Amtes (2007)[2]
  • Stipendium der Stiftung für deutsch-polnische Zusammenarbeit (Villa Decius, Krakau) (2011)

Weblinks

Nachweise

  1. „Michael Roes erhält Alice Salomon Poetik Preis“, poeten'laden.de, 30. Oktober 2006
  2. http://www.deutschland-und-china.com/news_de_detal_930.shtml

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