Midi-Job

Midi-Job

Als Midi-Job oder Gleitzonenfall bezeichnet man eine deutschlandspezifische Ausgestaltung eines Arbeitsverhältnisses, dessen Einkommen oberhalb der 400,00 € Grenze des Mini-jobs liegt und somit sozialversicherungspflichtig ist. Es kann sich um Niedriglohn handeln, ist aber in der Regel ein Teilzeitarbeitsverhältnis. Der Midi-Job bezeichnet Beschäftigungen mit einem Bruttolohn von 400,01 € bis 800,00 €. Bis zu 400,00 € trägt die Sozialversicherungsbeiträge komplett der Arbeitgeber. In dieser Gleitzone werden die Arbeitnehmer-Beiträge linear immer höher, bis sie bei 800,00 € schließlich genauso hoch wie die Arbeitgeber-Beiträge sind. Bei der Beitragseinziehung durch die Krankenkassen ist der Beitrag mit dem Stichwort "Gleitzonenfall" anzumelden. Dieser Begriff wird auch im Rahmen der regelmäßigen Sozialversicherungsprüfungen verwendet.

Inhaltsverzeichnis

Ziele

Die Ziele sind,

  1. im Niedriglohnbereich die Sozialversicherungsbeiträge zu senken, um Beschäftigungen attraktiv zu machen, deren Entgelt knapp über der Entgeltgrenze der Mini-Jobs (400,00 €) liegen,
  2. jede Art von legaler Beschäftigung sozial abzusichern (insbesondere Krankenversicherungsschutz; Entschärfung der Problematik des "Working Poor" für die Dauer der Beschäftigung),
  3. den Anreiz zur Aufnahme einer Beschäftigung zu erhöhen und damit verstärkt Arbeitslose durch Aufnahme einer Beschäftigung wieder dem Arbeitsmarkt zuzuführen,
  4. den Sozialversicherungen weitere Beitragsquellen zu ihrer finanziellen Stabilisierung zu erschließen.

Ausgangspunkt war, dass es bis zum Inkrafttreten des Gesetzes keine Zwischenstufen zwischen niedriger, sozialabgabenfreier Beschäftigung und besser bezahlter, sozialabgabenpflichtiger Beschäftigung gab. Die Folge war, dass bei einem Wechsel in besser bezahlte Arbeit die Abgaben für die Sozialversicherung für Arbeitnehmer von 0 % auf ca. 21,5 % des Bruttoverdienstes hochschnellten.

Dies führte zur Entwicklung des Niedriglohn-Konzepts mit einer Gleitzone (Midi-Job) zwischen 400,01 € und 800,00 € monatlich (§ 20 Abs. 2 SGB IV), innerhalb der sich der Sozialversicherungsbeitrag des Arbeitnehmers relativ zum steigenden Bruttoverdienst von ca. 11 % auf ca. 21 % erhöht.[1] .

Im Gegensatz zum bereits vorher existierenden, noch geringer vergüteten Instrument des Mini-Jobs geht diese Einrichtung auf die Neuregelung zu den geringfügigen Beschäftigungen ab 1. April 2003 zurück, dessen Rechtsgrundlage die "Gesetze für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt" vom 1. Januar 2003 sind. Die Neuregelung ist Bestandteil des Hartz-Konzeptes (Hartz II) zur Reformierung des Arbeitsmarkts, der Midi-Job wird dort jedoch – im Gegensatz zum Mini-Job – nicht explizit erwähnt.

Anwendung

Die Regeln der Beitragsberechnung in der Gleitzone gelten für die Berechnung der gesamten Sozialversicherungsbeiträge.

Die Regelungen für Beschäftigungen in der Gleitzone werden angewandt, wenn

  1. die Tätigkeit ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist,
  2. diese Beschäftigung nicht zur Berufsausbildung (einschließlich einiger Praktika) ausgeübt wird, und
  3. das regelmäßige Entgelt zwischen 400,01 € und 800,00 € liegt. Unter regelmäßigen Arbeitsentgelt sind nicht nur die laufenden monatlichen Entgelte zu verstehen, sondern auch etwaige Einmalzahlungen, auf die der Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch hat. Wird das Arbeitsentgelt nicht durchgehend in gleicher Höhe bezahlt, ist eine Schätzung vorzunehmen oder eine Durchschnittsberechnung durchzuführen.

Die Anwendung erfolgt auch, wenn der Arbeitnehmer nicht in allen Zweigen der Sozialversicherung Beiträge zu leisten hat. Dann beschränkt sich die Anwendung auf die Zweige, in denen Beitragspflicht für den Arbeitnehmer besteht. Bei mehreren sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen muss das Gesamtbrutto aller Beschäftigungen zwischen 400,01 € und 800,00 € sein, um die Gleitzone anwenden zu können, ansonsten wird die normale Beitragsberechnung angewandt. Mini-Jobs bis 400,00 € und Beamtenbezüge werden hier nicht mitgerechnet.

Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge

Die Beiträge werden immer für jeden Versicherungszweig (Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung) getrennt berechnet.

Die Berechnung des Gesamtbeitrags, reduzierten Arbeitnehmeranteils und des Arbeitgeberanteils erfolgt nach folgenden Formeln:

  1. Gesamtbeitrag = Gleitzonenentgelt * Beitragssatz
  2. Arbeitgeberanteil = tatsächliches Entgelt * Beitragssatz Arbeitgeber (seit 2005 gibt es teilweise Zuschläge in der Kranken- und Pflegeversicherung, die alleine der Arbeitnehmer zu tragen hat; daher sind die Beiträge des Arbeitgebers nicht mehr pauschal 50 %)
  3. Arbeitnehmeranteil = Gesamtbeitrag - Arbeitgeberanteil,

Ermittlung des Gleitzonenentgeltes

Das Gleitzonenentgelt wird nach folgender Formel berechnet: Gleitzonenentgelt = F x 400 + (2 - F) x (TAE - 400) (TAE = tatsächliches (Brutto-)Arbeitsentgelt)

Der Faktor F wird vom Bundesministerium für Gesundheit und vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermittelt. Der Ablauf der Berechnung ist im § 163 Abs. 10 SGB VI festgelegt. Die Formel dafür ist:

  • aktuell:

Faktor F = 30 % geteilt durch den durchschnittlichen Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz (Summe aus Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung)

  • in der Zeit vom 1. April 2003 bis 30. Juni 2006:

Faktor F = 25 % geteilt durch den durchschnittlichen Gesamtsozialversicherungsbeitragssatz (Summe aus Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung)

Zeitraum ab Wert
2003 1.4. 0,5995
2004 0,5952
2005 0,5952
2006 1.1. 0,5967
2006 1.7. 0,7160
2007 0,7673
2008 0,7732
2009 0,7472
2010 0,7585[2]
2011 0,7435[3]

Zusätzliche Beiträge

In der Krankenversicherung und in der Pflegeversicherung wurden zusätzliche Beiträge eingeführt. Mitglieder der Krankenkassen müssen zusätzlich einen Beitrag von 0,9 % des Bemessungsentgeltes, Mitglieder der Pflegeversicherung, die kinderlos und älter als 23 Jahre sind, müssen einen zusätzlichen Beitrag von 0,25 % des Bemessungsgeltes entrichten. Bei Bemessung dieser zusätzlichen Beiträge wird das Gleitzonenentgelt mit dem zusätzlichen Beitragssatz (0,9 % oder 0,25 %) multipliziert.

Umlagebeiträge zu den Ausgleichsverfahren nach dem Aufwendungsausgleichsgesetz

Die vom Arbeitgeber zu tragenden Umlagebeiträge zu den beiden Ausgleichsverfahren sind nach den Bemessungsentgelten zu berechnen, nach denen der Rentenversicherungsbeitrag zu berechnen ist. In der Gleitzone wird die Umlage somit nicht auf den vollen Bruttolohn bezahlt, sondern nur auf das Gleitzonenentgelt (Berechnung siehe oben).

Berechnung anhand eines Beispieles

Beispiel:

Hinweis: Der Rechenweg hat sich seit 2008 nicht verändert, die Prozentsätze und der verwendete Faktor "F" sind jedoch nicht mehr aktuell.

  • Tatsächliches Entgelt eines Midi-Jobs pro Monat im Jahr 2008: 650,00 EUR
  • Arbeitnehmer hat keine Kinder, Der Arbeitgeber nimmt auch am Ausgleichsverfahren bei Krankheit teil
  • Es besteht Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherungspflicht

Beitragssätze:

  • Krankenversicherung: 13,9 % (zusätzlicher Beitragssatz 0,9 %),
  • Rentenversicherung: 19,9 %,
  • Arbeitslosenversicherung: 3,3 %,
  • Pflegeversicherung: 1,7 % (zusätzlicher Beitragssatz 0,25 %),
  • Pflegeversicherung : 1,95 % ab 1. Juli 2008

Umlagesätze:

  • Umlage U1 (Ausgleichsverfahren bei Krankheit): 1,5 %
  • Umlage U2 (Ausgleichsverfahren Mutterschaftsgeld): 0,1 %
  • Umlage U3 (Ausgleichsverfahren Insolvenzgeld): 0,41 % (ab 1. Januar 2011: 0,0 %)

Berechnung: Gleitzonenentgelt (Bemessungsentgelt) =

 0,7732 * 400 + (2 - 0,7732) * (650 - 400) =
 309,28 + 1,2268 * 250 = 615,98 EUR.

Krankenversicherung:

  • Gesamtbeitrag ohne Zusatzbeitrag: 615,98 * 13,9 % = 85,62 EUR
  • Arbeitgeberanteil: 650,00 * 6,95 % = 45,18 EUR
  • Arbeitnehmeranteil ohne Zusatzbeitrag: 85,62 - 45,18 = 40,45 EUR
  • Zusatzbeitrag: 615,98 * 0,9 % = 5,54 EUR
  • Arbeitnehmeranteil gesamt: 40,45 + 5,54 = 45,99 EUR

Rentenversicherung:

  • Gesamtbeitrag: 615,98 * 19,9 % = 122,58 EUR
  • Arbeitgeberanteil: 650,00 * 9,95 % = 64,68 EUR
  • Arbeitnehmeranteil: 122,58 - 64,68 = 57,91 EUR

Arbeitslosenversicherung:

  • Gesamtbeitrag: 615,98 * 3,3 % = 20,33 EUR
  • Arbeitgeberanteil: 650,00 * 1,65 % = 10,73 EUR
  • Arbeitnehmeranteil: 20,33 - 10,73 = 9,60 EUR

Pflegeversicherung:

  • Gesamtbeitrag ohne Zusatzbeitrag: 615,98 * 1,7 % = 10,47 EUR
  • Arbeitgeberanteil: 650,00 * 0,85 % = 5,53 EUR
  • Arbeitnehmeranteil ohne Zusatzbeitrag: 10,47 - 5,53 = 4,95 EUR
  • Zusatzbeitrag: 615,98 * 0,25 % = 1,54 EUR
  • Arbeitnehmeranteil gesamt: 4,95 + 1,54 = 6,49 EUR

Arbeitgeber Umlage zum Ausgleichsverfahren bei Krankheit:

  • Gesamtbeitrag: 650,00 * 1,5 % = 9,75EUR

Umlage zum Ausgleichsverfahren Mutterschaftsgeld:

  • Gesamtbeitrag: 650,00 * 0,1 % = 0,65 EUR

Umlage zum Ausgleichsverfahren Insolvenzgeld:

  • Gesamtbeitrag: 650,00 * 0,41 % = 2,67 EUR

Auswirkungen

Versicherungsrecht

Die Prüfung der Versicherungspflicht/-freiheit wird ohne die Berücksichtigung, ob eine Beschäftigung ein Midi-Job ist oder nicht, durchgeführt. Es ergeben sich keine Auswirkungen.

Leistungen

Sachleistungen (z. B. Arzneimittel) und Kostenerstattungsleistungen (z. B. Zahnersatz) werden unabhängig von der Beitragshöhe erbracht. Härtefall- oder Überforderungsregelungen richten sich nach den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, Bruttoarbeitsentgelt oder dem steuerpflichtigen Brutto-Einkommen. In allen diesen Fällen ergeben sich keine Auswirkungen durch die Anwendung der Gleitzonenregelungen.

Etwas anderes gilt bei Entgeltersatzleistungen wie Krankengeld oder Übergangsgeld, die nach einem Regelentgelt berechnet werden. Hier geben die gesetzlichen Bestimmungen vor, dass diese Leistungen 90 % eines fiktiven Nettoarbeitsentgeltes nicht übersteigen dürfen. Das fiktive Nettoarbeitsentgelt ist das Nettoarbeitsentgelt, das ohne Anwendung der Gleitzonenregelungen errechnet worden wäre. Der Gesetzgeber wollte höhere Leistungen vermeiden, die durch die Berechnung mit dem tatsächlichen Nettoentgelt entstanden wären. So wurden mögliche Auswirkungen auf die Auszahlung dieser Leistungen vermieden.

Bei der Rentenberechnung ergibt sich durch die Anwendung Gleitzonenregelung ein niedrigeres Entgelt und somit eine niedrigere Rente. Der Versicherte kann dies durch den Verzicht auf die Anwendung der Gleitzonenregelung bei der Berechnung der Rentenversicherungsbeiträge verhindern.

Gesetzliche Fundstellen

Im § 20 SGB IV findet sich die Definition der Gleitzone (Midi-Job).

Die Berechnungsvorschrift ist bei dem jeweiligen Versicherungssystem notiert, im Fall der Rentenversicherung z.B. in § 163 Abs. 10 SGB VI.

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Helmut Rudolph: Mini- und Midijobs - Geringfügige Beschäftigung im neuen Outfit. IAB-Kurzbericht Nr. 6/23.5.2003 PDF, 256 kB abgerufen am 23. Januar 2010
  2. Gleitzonenrechner
  3. Bundesministerium für Arbeit und Soziales

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