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Der Ausdruck Handy-TV bezeichnet die Übertragung und den Empfang audiovisueller Inhalte mit Hilfe mobiler Endgeräte („Handhelds“). Der Schwerpunkt liegt auf solchen Geräten, die primär zum Telefonieren konzipiert wurden. Die Mobilität definiert sich dabei nicht nur durch die Drahtlosigkeit des Übertragungsweges, sondern auch durch die Größe des Gerätes bzw. die daraus resultierende Handlichkeit. So werden Handys, Smartphones und PDAs von diesem Raster umfasst, nicht jedoch Notebooks, die aufgrund ihrer Größe nicht mit der Zweckmäßigkeit der zuvor genannten Geräte konkurrieren können. Portable Geräte, die ausschließlich zum Fernsehempfang konzipiert wurden, wie z. B. mobile DVB-T-Empfänger, finden im Sinne von Handy-TV ebenfalls keine Berücksichtigung.
Inhaltsverzeichnis
Technische Voraussetzungen
Es gibt verschiedenste technische Möglichkeiten, audiovisuelle Inhalte auf mobile Empfangsgeräte zu übertragen. Einige dieser Übertragungsstandards bauen aufeinander auf, andere stehen in Konkurrenz zueinander. Dabei sind besonders regionale Differenzen zu berücksichtigen, die eine weltweit einheitliche Regelung erschweren. Klassifiziert werden die Standards im Folgenden hinsichtlich ihres Übertragungsweges.
Handy-TV über Mobilfunknetze (UMTS/HSDPA)
Es lassen sich grundsätzlich zwei Modelle zur Übertragung audiovisueller Dienste in Mobilfunknetzen unterscheiden. Zum einen hat der Nutzer die Möglichkeit, individuell und bedarfsabhängig Video-Dienste anzufordern. Man spricht in diesem Zusammenhang vom so genannten Video-on-Demand. Die Übertragung startet zu einem Zeitpunkt, den der Nutzer bestimmt und ist vergleichbar mit dem zeitversetzten Betrachten eines Videostreams im Internet. Voraussetzung für diese Vorgehensweise ist der in Mobilfunknetzen vorhandene Rückkanal, über den der Empfänger den gewünschten Dienst anfordert. Diese individuelle Verbindung wird als Unicast bezeichnet.
Der zweite potenzielle Distributionsweg für audiovisuelle Inhalte in Mobilfunknetzen sind so genannte Live-Videostreams. Anders als bei der Unicast-Übertragung fordert der Nutzer einen laufenden Dienst an, dessen Sendestart er nicht beeinflussen kann. Trotz der Teilnahme an einer vorgegebenen Übertragung wird zwischen jedem Empfänger, der den Dienst nutzt, und dem Sender eine individuelle Einzelverbindung aufgebaut. Da der gesendete Datenstrom jedoch für alle Teilnehmer der gleiche ist, spricht man von Multicast. Der wichtigste Mobilfunkstandard ist der UMTS Standard, er wird schon seit längerem für den Transport von audiovisuellen Inhalten benutzt.
Ein großes Problem von UMTS in Verbindung mit großen Datenpaketen ist die Senkung der Datenrate in Abhängigkeit von der Zellauslastung. Je mehr Nutzer UMTS innerhalb einer Zelle nutzen, desto geringer wird die Übertragungsrate. Das neue UMTS-Übertragungsverfahren HSDPA soll diesem Problem durch eine verbesserte Zellauslastung entgegenwirken. Der große Vorteil von Mobilfunknetzen ist der flächendeckende Ausbau, durch den eine hohe Verfügbarkeit garantiert ist.
In Österreich bieten inzwischen fast alle Mobilfunkanbieter Fernsehprogramme per UMTS/HSDPA am Handy an, darunter die Sender ORF 1 und ATV.
Handy-TV über Broadcastnetze (DMB/DVB-H/DVB-T/MediaFlo/ISDB)
→ Hauptartikel: DVB-H, DMB, DVB-T, MediaFLO, ISDB
Während in Mobilfunknetzen zwischen jedem Empfänger und dem Sender Einzelverbindungen hergestellt werden, sind Rundfunknetze dadurch gekennzeichnet, dass der Sender sein Signal nutzerunabhängig ausstrahlt. Jeder Zuschauer sieht das gleiche, die benötigte Infrastruktur ist unabhängig von der Anzahl der Zuschauer, und damit in der Lage auch sehr viele Zuschauer gleichzeitig zu versorgen. Man spricht vom so genannten Broadcasting. Broadcast-Netze verfügen grundsätzlich über keinen eigenen Rückkanal, können jedoch mit Mobilfunknetzen kombiniert werden um dennoch interaktive Dienste zu ermöglichen.
Mangels Einzelverbindungen zwischen Empfänger und Sender ist es nicht möglich, individuelle Inhalte wie z. B. Video-on-Demand über Rundfunknetze anzubieten. Der Nutzer ist an die vorgegebene Ausstrahlung des Senders gebunden und hat keinen Einfluss auf den Sendestart.
In Europa gab es längere Zeit zwei mobile Broadcaststandards, die sich parallel entwickelten, DMB und DVB-H. Inzwischen hat sich die EU für DVB-H ausgesprochen. Während in Italien, Österreich, der Schweiz und den Niederlanden DVB-H im Regelbetrieb ist, verzögert sich der flächendeckende Start in Deutschland aus medienrechtlichen Gründen immer wieder.[1][2][3][4]
Insbesondere dort, wo nicht alle Mobilfunkbetreiber des Landes eine DVB-H Lizenz erhalten haben, setzen diese auf den Empfang von mobilem Fernsehen über DVB-T als Alternative. So hat Vodafone in Deutschland dies als Pilotprojekt auf der Cebit 2008 gestartet.[5] Auch Handy-Hersteller wie LG oder Sagem haben DVB-T-fähige Handys vorgestellt oder angekündigt.
In den USA setzen Verizon und AT&T auf MediaFLO, in Japan wird 1seg als Teil des ISDB Signals übertragen (1seg: Ein Segment der 13 Segmente pro Channel wird für Handy TV verwendet).[6]
Handy-TV über Funknetzwerke (WLAN/WiMAX/MBWA)
Bei der Übertragung durch Netzwerke stellt der Nutzer mit seinem Handy eine Verbindung mit einem Funknetzwerk her. Verfügt dieses über eine Schnittstelle zum Internet, kann sich auch der Nutzer mit dem Internet verbinden. Die Möglichkeiten audiovisuelle Inhalte zu empfangen sind dieselben wie in Mobilfunknetzen. Dieser Übertragungsweg wird den mobilen Anforderungen von Handy-TV nicht ganz gerecht, da die Technik und die Infrastruktur noch nicht so weit fortgeschritten bzw. ausgebaut sind. Die Wichtigkeit dieses Übertragungsweges könnte jedoch in Zukunft steigen.
Handy-TV via Video Download
In Deutschland, wo aufgrund der medienrechtlichen Situation (Aufteilung der Lizenzgewalt auf die Bundesländer) über Jahre hinweg keine landesweite Einigung auf einen technischen Standard für die Verbreitung von Handy TV via Broadcast (DVB-H oder DMB) gibt, gibt es immer wieder Versuche einzelne Fernseh-Inhalte auf dem Handy anzubieten, ohne dabei TV-Sender im eigentlichen Sinne (festes Programmschema, Gleichzeitigkeit für alle Zuschauer) zu übertragen.
Zu den Video-Download-Angeboten gehört in vielen Ländern die Angebote der Mobilfunkanbietern auf den jeweiligen mobilen Portalen, in Deutschland der Dienst dailyme.tv[7] der Firma mando.TV GmbH aus Berlin, oder das Angebot von Apple iTunes in den USA, TV-Serien und Spielfilmen zu abonnieren. Im Prinzip werden Smartphones zu Video-iPods gemacht. Die Auswahl des persönlichen Programm-Ablaufs erfolgt über eine (mobile) Web-Oberfläche. Dabei werden je nach Anbieter allgemein zugänglicher Podcasts oder auch spezieller Content angeboten. Die Bezahlung der Inhalte ist teilweise bereits in den Grundgebühren der Mobilfunkanbieter enthalten, daneben existieren monatliche Zusatzgebühren oder Pay-Per-Download. Weiter existieren werbefinanzierte Angebote.
Je nach Angebot kommt durch automatische Updates/Synchronisation der einzelnen Episoden u. U. im stündlichen Rhythmus tatsächlich ein Fernseh-Erlebnis zustande, da Video-Podcasts seither höchstens tagesweise synchronisiert werden.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die rechtlichen Rahmenbedingungen bilden die Grundlage für den Handy-TV-Markt. Ihre Ausgestaltung kann die Entwicklung des Marktes stark beeinflussen. Die Lizenzvergabe für den Broadcast Standard DVB-H, der Jugendschutz, als auch die Rechtesituation für Handy-TV-Inhalte sind nur drei Variablen, die Unsicherheiten bergen.
Interaktivität
Eine Besonderheit von Handy-TV sind die interaktiven Möglichkeiten, die sich bieten. Wird das Programm über Mobilfunknetze oder Funknetzwerke übertragen, gibt es einen Rückkanal, der die Kommunikation zwischen Sender und Empfänger ermöglicht. Die Broadcast Übertragung via DMB oder DVB-H bietet keinen echten Rückkanal, jedoch besteht die Möglichkeit das Mobilfunknetz als Rückkanal zu benutzen. Der Rezipient kann somit ohne Medienbruch interaktiv in das Programm einbezogen werden. An Votings, Gewinnspielen oder Umfragen könnte somit direkt über einen Tastendruck teilgenommen werden.
Erlösmodelle
Verschiedene Erlösmodelle sind denkbar. So ist ein Free-TV-Modell, das sich durch Werbung finanziert, genauso möglich wie ein Bezahlfernsehen-Modell, bei der die Nutzer durch eine Gebühr die Finanzierung übernehmen. Auch eine Finanzierung durch interaktive Dienste käme in Frage. Die drei hier vorgestellten Erlösmodelle schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern können auch in Kombination angewandt werden. Die bisherigen kommerziellen Angebote in Deutschland finanzieren sich über Bezahlfernseh-Modelle, in Österreich bietet der Mobilfunker 3 Fernsehen am Handy kostenlos für alle Kunden an.[8] In Italien bietet 3 seit Juni 2008 einige Fernsehkanäle kostenlos an, unter anderem die öffentlich-rechtlichen Sender Rai Uno und Rai Due.[9]
Nutzer
Aus den 12 kommerziellen DVB-H Angeboten, die es derzeit weltweit gibt, vielen Feldstudien und nicht zuletzt aus den UMTS/HSDPA basierten kommerziellen Angeboten liegen derzeit reichlich Erkenntnisse über das Nutzerverhalten vor.
Wer wann wo und wie lange Handy-TV nutzen wird, sind die entscheidenden Fragen. Die Nutzungssituation von Handy-TV wird sich vermutlich von der Nutzungssituation des klassischen Fernsehens unterscheiden. Die ganze Familie am Samstagabend vor dem Handy erscheint unrealistisch. Nicht bewahrheitet hat sich die Theorie, Handy-TV würde grundsätzlich eher in Situationen außerhalb der eigenen vier Wände genutzt werden, beim Warten, in der Bahn oder in der Mittagspause etwa, und die Inhalte müssten diesen veränderten Nutzungsverhalten gerecht werden. Die größte Feld-Studie in Österreich ergab, dass öffentliche Verkehrsmittel nur der zweitbeliebteste Ort für die Nutzung sind, der beliebste Ort für die Nutzung ist zu Hause.[10]
Geklärt werden muss auch, wie viel potenzielle Nutzer zu zahlen bereit sind.
Zu beachten ist hierbei, dass sich bereits diverse Studien damit auseinandergesetzt haben und teilweise landesabhängig zu unterschiedlichen bzw. sogar gegensätzlichen Ergebnissen gelangt sind.
Inhalte
Intensiv diskutiert wurde die Frage, ob sich alle Inhalte des klassischen Fernsehens für Handy-TV eignen, oder die unterschiedliche Nutzungssituation und das kleine Endgerät neue Anforderungen an die Inhalte stellen.
Es ergeben sich verschiedene Arten der Generierung von Inhalten für Handy-TV: Fernsehinhalte können unverändert parallel über Handy-TV ausgestrahlt werden, es besteht die Möglichkeit bestehende Inhalte zu modifizieren, und weiterhin lassen sich originäre Handy-TV-Inhalte neu entwickeln.
Es wurde vermutet, dass sich als Genres vor allem Nachrichten, Kurzfilme und Musikvideos, während Spielfilme auf Grund ihrer Länge und Detailfülle weniger geeignet sind.
Erste Erkenntnisse aus Studien mit einer größeren Anzahl von Nutzern zeigen, dass Nachrichten ein sehr beliebter Inhalt sind, gefolgt von Musikclips, Serien und Sport.[10]
In den USA setzt man auf Spielfilme auf dem Handy: Sony Pictures stellt einen eigenen Kanal für das Handy TV Angebot von AT&T zur Verfügung.[11]
In Österreich bieten one und 3 hauptsächlich bestehende Fernseh- und Radiosender über DVB-H an. Das Angebot umfasst 14 TV-Sender: ORF1, ORF2, ATV, Puls4, ProSieben Austria, RTL, Sat.1 Österreich, VOX, LAOLA1.tv, LALA (Universal Music TV), Red Bull TV, RTL II, N24, Super RTL und 5 Radiostationen: Ö3, FM4, KroneHit, Ö1 und Lounge FM.[12][13]
Anbieter
Schon vor dem Start des Handy-TV-Programms via DMB durch Debitel/MFD (in Deutschland Ende Mai 2006 bis April 2008) war mobiles Fernsehen über UMTS im Streamingverfahren bereits Realität. Hier profilierte sich in Deutschland Vodafone in der Vorreiterrolle und durch das umfangreichste Bouquet, in Österreich Drei. Landesabhängig spielen dabei sowohl die Einspeisung von bestehenden TV-Kanälen und eine Zusammenstellung von Inhalten, die in Schleifen z. B. stündlich abgespielt werden eine verschieden gewichtete Rolle.
Die Situation bei anderen Anbietern wie T-Mobile und A1 gestaltet sich ähnlich. Auch wenn hier das Angebot insgesamt kleiner ist, werden dieselben Genres bedient und teilweise sogar dieselben Kanäle ausgestrahlt bzw. gestreamt. Wie zuvor beschrieben wurde „echtes“ mobiles Fernsehen im Sinne von Broadcasting von Anfang 2006 bis Anfang 2008 durch debitel und MFD über DMB angeboten, bis es schließlich mangels Kundenzahlen und der Entscheidung der EU-Kommission für DVB-H eingestellt wurde.[14]
Aufgrund technischer Beschränkungen fiel hier das Angebot jedoch weitaus kleiner aus.
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Spiegel: TV-Handys im Vergleich, 2. Juli 2008
- ↑ DerStandard: Telekom zufrieden – „3“ mit „MobileTV“-Zuwächsen, 7. Juli 2008
- ↑ Heise: Handy-Fernsehen über DVB-H geht langsam die Luft aus, 20. Juni 2008
- ↑ Bieler Tagblatt: Sendestart ohne Bieler, 23. Juni 2008
- ↑ Vodafone: Vodafone.de, Pressemitteilung von Vodafone im Januar 2008
- ↑ NYTimes.com via Yahoo! Finance: Mobile TV Spreading in Europe and to the U.S., 6. Mai 2008, Überblick über Standards und Verbreitungsgrad von Handy TV weltweit (englisch)
- ↑ dailyme.tv
- ↑ Hutchison 3G Austria:Ab sofort bei 3: MobileTV gratis für alle 3Kunden, 26. Februar 2008
- ↑ DVB Project Office: 3 Italia – TV Digitale Mobile – Italy, 6. Juni 2008 (englisch)
- ↑ a b ORF: Ergebnisse der Handy-TV-Studie, 11. Juli 2007
- ↑ USA Today: Sony Pictures to offer movie channel on AT&T phones, 31. März 2008 (englisch)
- ↑ DerStandard: One startet mit Handy-TV, 27. Mai 2008
- ↑ DerStandard: „3“ startet DVB-H und stellt Tarife vor, 2. Juni 2008
- ↑ Heise: Sendeschluss für Handy-TV Watcha, 30. April 2008
Weblinks
- Konvergenz von Rundfunk und Mobilfunk, August 2007, der Deutschen TV Plattform (Mitglieder u. a. ARD, ZDF, Kabel Deutschland, Siemens, Nokia, RTL, Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg, Fraunhofer Institut für Medienkommunkation IMK)
- Digitalisierungskonzept 2007, u. a. „Einführung von mobilem Fernsehen“, Juli 2007, Komm Austria
- Märkte für mobiles Fernsehen, Januar 2007, der Deutschen TV Plattform
- Analyse des Marktes „Handy-TV“ (2 MB), Juli 2006, Medien+Entertainment Management Institut der Hochschule Fresenius
- HandyTV-Techniken Vergleich, aktuelle Übertragungstechniken Übersicht & Vergleich
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